Fragen zu Wolfgang Borchert, „Das Brot“
Hierzug gibt es auch ein Video, das auf Youtube zu finden ist:
https://youtu.be/9gsTzwTIXqE
Was ist das Besondere bei der Klärung von Fragen zu einer Kurzgeschichte?
- Eine Kurzgeschichte ist so etwas wie ein letzter Brief, den einem jemand schreibt.
- Manches versteht man gleich, manches auch nicht.
- Das Problem ist, dass man keine Möglichkeit hat, noch mehr zu erfahren.
- Alle Fragen, die auftauchen, muss man mit Hilfe des Briefes bzw. der Kurzgeschichte versuchen zu beantworten.
- Dabei können durchaus Fragen offen bleiben. Dann muss man sich selbst Gedanken machen. Aber man sollte versuchen, so nah wie möglich am Text zu bleiben.
Frage 1: Um was für einen Konflikt geht es zu Beginn der Geschichte?
Auswertung des Anfangs der Geschichte
- Schon das “Plötzlich” am Anfang und weitere Beobachtungen (”gestoßen”, “zu still”, “leer”) machen deutlich, dass hier etwas Ungewöhnliches geschieht, das sicher beunruhigt.
- Dann verbindet sich das Ungewöhnliche (”Brotkrümel”) mit der Untat, also einer Handlung, die so nicht sein sollte. Es sind Notzeiten – und da ist das Brot für jeden abgezählt und wird nicht heimlich dem anderen weggegessen.
- Wie das auf die Frau wirkt, wird sehr schön beschrieben:“Sie fühlte, wie die Kälte der Fliesen langsam an ihr hoch kroch.”
- Interessant, dass die Frau jetzt keinen Aufstand macht, sondern: “Und sie sah von dem Teller weg.”
- Dann aber kommt die zweite Untat, also wieder etwas, was man in einer Partnerschaft nicht tun sollte: ““Ich dachte, hier wäre was“, sagte er und sah in der Küche umher.”
- Auch hier wieder kein Aufstand der Frau, sondern eine Art Mitmachen: “Ich habe auch was gehört“, antwortete sie,”
- Das das mit den beiden Menschen macht, wird dann sofort deutlich. Sie sehen sich nicht mehr als jeweils geliebten Partner, sondern in der Wirklichkeit des Alters.
- Interessant, dass beide das aber versuchen, für sich zu beschönigen: die Frau: “Tagsüber”, der Mann: “liegt vielleicht an den Haaren”.
- Dazu die Fürsorglichkeit: ““Du hättest Schuhe anziehen sollen. So barfuß auf den kalten Fließen. Du erkältest dich noch.“
- Dann aber in aller Deutlichkeit: “Sie sah ihn nicht an, weil sie nicht ertragen konnte, dass er log. Dass er log, nachdem sie neununddreißig Jahre verheiratet waren.”
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Zusammenfassende Auswertung:
- Es geht zunächst um den Konflikt, dass der Mann heimlich nachts der Frau was von ihrem Brot wegisst.
- Verschärft wird das dann noch durch Lüge des Mannes.
- Interessant ist, dass die Frau dabei mitmacht, den Mann also nicht zur Rede stellt, sondern anscheinend schonen will.
- Außerdem ist sie um ihn besorgt, er könnte sich erkälten.
- Am Ende wird deutlich: Der Sachkonflikt (Kampf ums Brot) wird zu einem Beziehungskonflikt (Gehen wir ehrlich miteinander um?)
Frage 2: Wie wird dieser Konflikt gelöst?
- Der Konflikt wird zunächst scheinbar gelöst, indem die Frau die falschen Erklärungen des Mannes akzeptiert und sogar selbst aufnimmt: “Ich dachte, hier wäre was“, sagte er und sah in der Küche umher. „Ich habe auch was gehört“, antwortete sie.”
- Was die Belege für die Untat angeht: “Sie stellte den Teller vom Tisch und schnippte die Krümel von der Decke.”
- Dann durch fürsorgliche Ablenkung: “Du hättest Schuhe anziehen sollen. So barfuß auf den kalten Fließen. Du erkältest dich noch.“
- Dann will die Frau das Licht ausmachen, um nichts sehen zu müssen.
- Außerdem hilft sie dem Mann beim Lügen mit Hinweis auf die klappernde Dachrinne. Das wird später mit Hinweis auf den Wind noch mal wiederholt.
- Die Kälte ermöglicht der Frau, sich unter der Decke zu verkriechen.
- Dann atmete sie auch noch absichtlich “tief und gleichmäßig”, damit ihr Mann nicht merkt, dass sie noch wach ist und was von seinem Kauen mitbekommt.
- Auch ein bisschen Glück hilft mit, weil die Frau von den Kaugeräuschen des Mannes leichter einschläft.—
- Am nächsten Abend zeigt die Frau wieder Fürsorglichkeit, indem sie dem Mann eine Scheibe mehr gönnt.
- Dafür ist sie sogar bereit zu lügen. Das ist aber eher eine fürsorgliche Notlüge.
- Der Mann zeigt jetzt Anstand und nimmt das nicht so einfach.
- Die Frau bleibt aber standhaft
- und setzt sich am Ende zu ihrem Mann. Damit zeigt sie, dass sie ihrem Mann verziehen hat.
— - Insgesamt wird der Konflikt bis zu einem bestimmten Punkt gelöst, der für die Frau wohl ausreicht. Verbundenheit und Fürsorglichkeit sind für sie wichtiger.
- Wie der Mann damit umgeht, bleibt offen. Es gibt aber positive Ansätze.
- Er schämt sich zumindest.
- Und zeigt zumindest ansatzweise auch Fürsorglichkeit. (65)
Frage 3: Wie überzeugend ist die Lösung des Konflikts?
- Grundsätzlich ist das keine reine Analyseaufgabe mehr, sondern hier spielen auch persönliche Auffassungen eine Rolle.Zum Beispiel das eigene Verständnis von Partnerschaft oder auch Freundschaft, denn das ist für Schüler hier wahrscheinlich besser einschätzbar.
- Aber zunächst mal muss man die Figuren der Kurzgeschichte ernstnehmen und darauf achten, was der Text selbst an Hinweisen gibt.
- In dem Textblock links wird deutlich, dass beide erschrocken über die Realität beim Partner sind (Alter), aber es sich schönreden (wollen). Das ist eine Entscheidung, die nur jeder selbst für sich treffen kann.
- Deutlich wird auf der einen Seite die lange Verbundenheit, die zu besonderer Fürsorglichkeit geführt hat. Aber ein bisschen ist es auch ein Ausweichmanöver.
- Schwer wiegt, dass die Frau es nicht “ertragen konnte, dass er log”. Hier muss man schauen, ob das Problem im Laufe der Geschichte aus der Welt geschafft wird.
- Wichtig ist Zeile 33: “Sie kam ihm zu Hilfe”. Das bedeutet, dass die Frau die Not des Mannes erkennt und bereit ist, ihm entgegenzukommen (”Dachrinne”)
- Eigentlich hat sie schon eine Entscheidung in dieser Richtung getroffen.
- Das zeigt sich bei der Kau-Problematik. Interessant, dass sie vom regelmäßen Kauen des Mannes einschlafen kann. Ein Signal dafür, dass sie damit leben kann.—
- Wichtig ist dann der Schluss – denn da ist ja der unmittelbare Schreck vorbei, man hat nachdenken können. Was jetzt kommt, ist also noch wichtiger für die Zukunft der Lösung dieses Konflikts.
- Deutlich wird, die Frau will nicht darüber reden, keine Klärung, sondern eine sachliche Lösung, bei der sie eine Schnitte zu opfern bereit ist.
- Sie ist sogar zu einer Notlüge bereit, um dem Mann diese Lösung zu erleichtern.
- Man merkt dass der Mann sich so erkennbar schämt, dass er seiner Frau leid tut (64).
- Der Mann wehrt sich noch ein bisschen, die Frau bleibt bei ihrer Lösung und setzt sich am Ende zu ihrem Mann ins Licht der Lampe.
- Das zeigt ihre (Wieder-)Annäherung – und gibt dem Mann die Möglichkeit, vielleicht doch noch mehr an Ehrlichkeit zu leisten, aber die Frau muss das nicht verlangen. Es ist gewissermaßen ein ausreichendes Happy End.
- Wie man das als Leser sieht, hängt wie gesagt von einem selbst ab und geht über die Geschichte hinaus.
Was man sich merken könnte:
Wie beantwortet man Fragen zu einer Kurzgeschichte – mit dem Text?
- Die Fragen sorgfältig lesen, evtl. in Teile zerlegen(Frage 1: Konflikt = Zusammenstoß, Problem) und Beginn = also den Anfang untersuchen.
- Dann im Text die Stellen markieren, die auf einen Konflikt hindeuten.: “Sie sah, dass er sich Brot abgeschnitten hatte.”
- Dabei auf direkte Handlungen bzw. Wahrnehmungen achten,“Das Messer lag noch neben dem Teller. Und auf der Decke lagen Brotkrümel.”
- aber auch Kommentare des Erzählers:“Sie sah ihn nicht an, weil sie nicht ertragen konnte, dass er log. “
- und indirekte Hinweise (die äußere Kälte wird zur inneren Kälte)
- Das prüfen, was die Figuren sagen – was hat es mit dem Konflikt und seiner Lösung zu tun?
- Bei nicht ganz klaren Stellen zeigen, wie viel klar ist und was man sich ggf. denken kann.
- Am Ende einen eigenen Text schreiben, in dem man die Frage beantwortet.
- Wichtig sind dabei Belege (Zitate, mit Zeilenangaben)
- Unterscheiden zwischen dem, was die Figuren denken und was man selbst denkt.
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