Edwin Hoernle, „Der Herr und sein Knecht“ – eine Parabel, die zur Vorsicht bei Karriere-Versprechungen warnt (Mat7422)

Die Welt ist voller Versprechungen – nicht immer werden sie eingehalten

Zu finden ist die Geschichte zum Beispiel hier:
Thomas Möbius, Wie interpretiere ich Fabeln, Parabeln und Kurzgeschichten? Aufgaben und Musterinterpretationen, 7. Auflage 2021, Bange Verlag, 96142 Hollfeld, ISBN: 978-3-8044-1575-1

Zum Inhalt:

  • In  der Geschichte geht es um einen reichen Kaufmann und seinen Sklaven, die gemeinsam durch gefährliche Gegenden reisen.
  • Als sie von Räubern bedroht werden,  verspricht der Herr seinem Sklaven Dankbarkeit, aber sehr unbestimmt.
  • Daraufhin  verteidigt der Sklave seinen Herrn unter Einsatz seines Lebens.
  • Hinterher hält der Kaufmann seine Versprechungen aber nur minimal ein.
  • Daraufhin erhebt sich der Sklave gegen seinen Herrn, verprügelt ihn und macht sich allein auf den Weg zu einer Stadt, die er in der Ferne hat.

Aussagen der Geschichte

Die Geschichte zeigt:

  1. die unterschwellige Ausbeutung und Ungerechtigkeit derer, die Macht über andere haben,
  2. wobei Versprechen häufig nur vage sind und hinterher gar nicht oder nur minimal eingehalten werden.
  3. die Notwendigkeit, irgendwann das System zu durchschauen
  4. und sich ggf. auch mit Gewalt von ihm zu befreien

Parabelcharakter

  • Die Geschichte kann als Parabel verstanden werden,
  • also eine ausgedachte Geschichte,
  • die etwas deutlich machen soll,
  • was man auf andere Fälle übertragen kann.

Übertragung auf heute

Heute gibt es bei uns zwar keine Sklaverei, aber durchaus Abhängigkeitsverhältnisse, in denen Versprechen oft auch nicht eingehalten werden.

Dazu drei Beispiele:

  1. Zum Beispiel kennt man das aus Filmen, dass ein Angestellter zu einer besonderen Leistung aufgefordert wird und dann wird ihm versprochen, dass er dafür entweder befördert wird oder eine Gehaltserhöhung bekommt.
    • Besonders übel, erscheint ein Fall, bei dem jemand gewissermaßen einen Wechsel auf die Zukunft ausstellt, an dessen Einlösung er gar nicht mehr beteiligt ist.
    • Da weiß zum Beispiel eine Abteilungsleiter, dass er im nächsten Jahr eine höhere Position haben wird oder zu einer anderen Firma wechselt.
    • Er treibst seine Leute mit allen möglichen Versprechungen zu Höchstleistungen, die aber erst eingelöst werden müssen, wenn er gar nicht mehr da ist.
  2. Oder eine junge Frau arbeitet seit zwei Jahren als Softwareentwicklerin in einem vielversprechenden Start-up.
    • Ihr Chef überzeugt sie, Überstunden zu machen und auf einen Teil ihres Gehalts zu verzichten, mit dem Versprechen auf Firmenanteile nach dem geplanten Börsengang in einem Jahr.
    • Die Programmiererin arbeitet hart, oft bis spät in die Nacht und an Wochenenden.
    • Kurz vor dem angestrebten Börsengang verkauft ihr Chef jedoch das Unternehmen an einen Konkurrenten und verlässt die Firma mit einem beträchtlichen Gewinn.
    • Der neue Eigentümer strukturiert um, und die junge Frau findet sich in der gleichen Position wieder – ohne die versprochenen Anteile und mit einem geringeren Gehalt als zuvor.
  3. Ein Doktorand arbeitet an einem vielversprechenden Forschungsprojekt unter der Leitung seines Professors.
    1. Der verspricht ihm, dass er bei erfolgreicher Beendigung des Projekts ein prestigeträchtiges Postdoc-Stipendium an einer renommierten ausländischen Universität erhalten wird.
    2. Der Doktorand investiert drei Jahre intensiver Arbeit, vernachlässigt andere Karrieremöglichkeiten und persönliche Beziehungen.
    3. Kurz vor Projektabschluss erhält der Professor einen Ruf an eben jene ausländische Universität und nimmt diesen an.
    4. Er sichert seinem Mitarbeiter zu, dass er sich von dort aus um das Stipendium kümmern wird.
    5. Nach seinem Weggang stellt sich jedoch heraus, dass der Vorgesetzte nie konkrete Schritte für das Stipendium unternommen hat.
    6. Der junge Wissenschaftler steht nun ohne die versprochene Perspektive und mit einem verzögerten Karrierestart da.

Wir hoffen, dass diese Beispiele genügend Problembewusstsein schaffen – und jeder sich jetzt selbst überlegen kann, wo er sich ggf. auch bei Versprechungen absichern muss.

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