Klaras Erkrankung als Sonderfall im Roman „Heimsuchung“
Das Kapitel beschreibt detailliert Klaras verändertes und als seltsam empfundenes Verhalten sowie die Reaktionen ihrer Familie und des Dorfes darauf, ohne jedoch eine explizite Ursache dafür zu nennen. Die Veränderungen werden eher als eine Abfolge von Auffälligkeiten dargestellt, die in einem Zusammenhang mit anderen Ereignissen im Leben der Familie Wurrach stehen, insbesondere mit der Tragödie um ihre Schwester Hedwig und den Handlungen des Vaters.
Ihr seltsames Verhalten entwickelt sich schrittweise:
- Anfängliche Veränderungen: Zuerst fällt den Schwestern auf, dass Klara sie manchmal „besonders höflich begrüßt und sich nach ihrem Wohlergehen erkundigt, so als seien sie Fremde, oder als sei sie ihnen längere Zeit nicht begegnet“. An anderen Tagen dreht sie den Kopf weg, wenn die Schwestern sie grüßen.2. Rückzug und ungewohnte Handlungen im Wald: Das zweite, was den Schwestern und Dorfbewohnern auffällt, ist, dass Klara beginnt, den Kübel mit den Abfällen für die Schweine nicht im Stall, sondern in ihrem Wald auszuleeren. Sie geht dafür mit dem Kübel durchs Dorf bis zum Uferweg. Dort leert sie den Kübel aus und sitzt im Gras, „rede sie mit der Luft oder sei einfach still“. Es wird erwähnt, dass der Vater die sonntäglichen Kutschfahrten mit den Töchtern „seit dem Mißgeschick, das Hedwig passiert ist, nie wieder geladen“ hat. Klara ist an dem Tag des Fischers „allein und zu Fuß hier“. Dies deutet auf eine Veränderung der Familienroutinen im Vorfeld von Klara’s Verhaltensänderungen hin.3. Verstecken auf dem Hof: Nachdem der Vater ihr „verbietet, den Hof zu verlassen“, beginnt Klara, sich auf der Klotthofstelle zu verstecken. Sie hockt sich „hinter die Büsche und Bäume des Gartens, oder unter Bretter… steigt auch in Fässer und Truhen“. Aus diesen Verstecken hört man sie „heulen und streiten“, doch wenn man sie findet, ist sie „stets still und freundlich“.
4. Auffälligkeiten beim Essen und Sicherungsmaßnahmen: Ein weiterer beunruhigender Vorfall ist, als sie beim Mittagessen „mit der Hand in die Schüssel greift und sich im Beisein aller den heißen Brei um ihren Mund streicht“, wobei sie lächelt und zufrieden ist. Dieses Verhalten führt zu Stille am Tisch und dazu, dass sie als „eine, die aus der Welt des Benehmens ausgeschert ist“ betrachtet wird. In der Folge werden „spitze Messer in eine verschließbare Lade“ gelegt, Äxte hochgelegt, und in Klara’s Zimmer „schraubt der Vater die Fenstergriffe und die innere Türklinke ab, während der Nächte verschließt er die Tür eigenhändig von außen“. Nachts „dreht Klara… manchmal ihren Nachttopf um und beginnt, darauf zu trommeln“.
5. Physische und gesellschaftliche Veränderungen: Mit der Zeit wird Klara im Dorf „die Olle Schulzen“ genannt. Ihr Gang verändert sich, sie „hinkt“ und trägt „zwei verschiedene Schuh an den Füßen oder sogar überhaupt nur auf Strümpfen“. Auf die Frage, wohin sie geht, antwortet sie stets „Ick weeß nich“.
6. Der Verlust ihres Eigentums und Entmündigung: Ihr Vater beginnt, ihren Erbteil, den Wald am Schäferberg (der „Klaras Wald“ genannt wird), Stück für Stück zu verkaufen. Er unterschreibt die Verträge „im Namen seiner entmündigten Tochter“.
7. Das Ende: Ihre Spuren im Schnee führen „geradenwegs ins graue Wasser hinein, immer abwechselnd ein Schuh, ein Strumpf, ein Strumpf, ein Schuh, ein Strumpf, ein Schuh“. Später wird ihr Leichnam gefunden.
Der Text stellt diese Verhaltensänderungen im Kontext der Familiengeschichte dar, insbesondere nach dem „Mißgeschick, das Hedwig passiert ist“, bei dem Hedwig von ihrem Vater weggesperrt wurde, ihr Kind verlor, und die familiären Kutschfahrten endeten. Auch die autoritären und kontrollierenden Maßnahmen des Vaters gegenüber Klara selbst, bis hin zur „Entmündigung“ und dem Verkauf ihres Waldes, begleiten oder folgen auf die beschriebenen Verhaltensweisen. Die Quellen legen keine medizinische oder psychologische Diagnose nahe, sondern beschreiben die äußeren Manifestationen ihres Zustands und die Reaktionen der Umwelt darauf als Teil der Erzählung über den Niedergang der Familie und des Hofes.
Weitere Infos, Tipps und Materialien
- Infos, Tipps und Materialien zum Roman „Heimsuchung“ von Jenny Erpenbeck
https://schnell-durchblicken.de/themenseite-heimsuchung
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