Euripides, „Medea“: Angeblicher Sinneswandel (Mat2690-sinn-wand)

Angeblicher Sinneswandel Medeas

  • Medea wird gleich am Anfang von der Amme als starke und potenziell nicht ungefährliche Frau geschildert.
  • Ganz plötzlich ändert sie ihre Meinung (EB26 von 44).
  • Wir zeigen im Folgenden, wie das im Einzelnen abläuft.
  • Anmerkung: Diese Szene ist sehr gut als Klausurübung oder gar als Klausur selbst geeignet.
    1. Analyse mit Klärung der Voraussetzungen und Erläuterung des Gedankengangs, Zusammenfassung der Position und sprachliche Mittel
    2. Bedeutung dieser Szene für den Gesamtzusammenhang des Dramas – unter besonderer Berücksichtigung von Charakter und Rolle Medeas

Zur Quelle für den Text. Den haben wir hier gefunden.

EB26: Zusammenfassung:

Einbeziehung Jasons:
Sie überzeugt Jason, das Geschenk zu überbringen, indem sie vorgibt, sich mit ihm versöhnen zu wollen.

Schritte im Einzelnen

  1. Medeas Selbstkritik:
    Sie sei von Sinnen gewesen, gewissermaßen verrückt vor Rachedurst – und das bereut sie jetzt angeblich. (EB26)
    Ich bin in mich gegangen, hab es überlegt Und mich gescholten: Schrecklich Weib, was bist du toll
  2. Angebliche Änderung der Sicht der Gegenseite:
    • Und grollest denen, die so gut es meinen doch!
    • Wozu die Feindschaft gegen dieses Landes Herrn
    • Und deinen Gatten, welcher nur dein Bestes tut,
    • Die Fürstin freiend, deinen Kindern Bruderschutz
    • Erzielend? Also weg mit deiner Leidenschaft!
  3. Hinweis auf einen sachlichen Grund: Verbannung und damit das Fremdsein vermeiden
    • Was fällt dir ein, da’s nun so wohl der Himmel fügt?
    • Hast du denn keine Kinder? Weißt du nicht, daß du,
    • Verbannt und flüchtig, wenig Freunde finden wirst?
    • Mich so besinnend, merkt ich, wie mein Unverstand
    • So groß gewesen, wie ich ohne Grund gezürnt.
    • Jetzt also lob ich’s, glaube, daß du klug getan,
    • Uns solche Schwäger zuzuwenden. Törin ich!
  4. Und dann wird es noch heftiger, kaum noch überzeugend bei so viel Unterwürfigkeit und Anbiederei:
    • Ich hätte sollen deinem Plan behilflich sein,
    • Die Ehe schließen, fügen eurer Hände Bund
    • Und Liebesdienste deiner Braut mit Freuden tun!
    • Wir sind nun einmal, wie wir sind, wir Fraun; ich will
    • Nichts Schlimmes sagen! Du nun mußt nicht Böses bös
    • Vergelten, Torheit mittelst Torheit um die Wett.
    • Ich gebe nach, bekenne, daß ich schlimm gedacht
    • Damals, doch besser hab ich jetzt es eingesehn.
  5. Wendung an die Kinder: Behauptung, jetzt sei alles gut.
    • O Kinder, liebe Kinder, kommt, verlaßt das Haus,
    • Kommt her, begrüßet und umarmt und küßt ihn so
    • Wie ich, den Vater, und vergessen sei zugleich
    • Die frühre Feindschaft: auch die Mutter ist versöhnt!
    • Der Friede waltet, und verschwunden ist der Groll!
  6. Dann aber Andeutung eines Restproblems
    Nämlich eine mögliche Gefahr für die Kinder, die von Seiten Kreons und der neuen Ehefrau als Konkurrenten um die Thronnachfolge gesehen werden können. Hier wird aber erst mal der Chor eingeschoben, der sich ganz im Sinne Medeas mitfreut. Das zeigt, dass seine Klugheit über das normal Menschliche nicht hinausgeht.

    • O weh mir, weh!
    • Mir fällt von dem, was heimlich droht, hier etwas ein!
  7. Medea begründet ihren noch offenen Wunsch mit typischen Vorurteilen gegenüber Frauen, die sie auch – als anerkannt starke Frau – hier ausspricht:
    • Ich bin die Mutter. Als du wünschtest ihr Gedeihn,
    • Befiel mich Wehmut, ob das auch geschehen wird.
    • Ein Weib ist weibisch und zu Tränen leicht gereizt.
  8. Dann rückt Medea mit dem abschließenden Wunsch heraus: Sie selbst will gehen, der Bann gegenüber ihren Kindern aber soll aufgehoben werden.
    Anmerkung: Jason müsste auffallen, dass sie damit auf die Kinder verzichtet und sie in die Gewalt der Gegenseite gibt. Sie hat also anderes im Sinn als den Schutz der Kinder. Vielleicht will sie noch mehr Großmut und neue Freundlichkeit gegenüber ihrem Mann zeigen.

    • Ist eins verhandelt, und ein andres meld ich jetzt.
    • Dieweil dem Fürsten meine Ächtung hat beliebt
    • Und das auch mir das Beste ist, ich seh es wohl,
    • Um störend weder dir noch auch dem Landesherrn
    • Im Weg zu sein, weil, glaubt man, feind ich bin dem Haus,
    • So will verbannt ich selber zwar vom Lande ziehn,
    • Doch daß die Kinder deine Hand erziehen mag,
    • So bitte Kreon, aufzuheben ihren Bann.

EB28: Medea präsentiert ihre Geschenk-Idee, mit der sie die Königstochter und alle in ihrem direkten Umfeld vergiften will. Die Kinder sollen es der Gegnerin persönlich überreichen.

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