Worum es hier geht:
Vorgestellt wird ein Gedicht,
- das vorwiegend so verstanden wird,
- dass hier der typische opferbereite Patriotismus zu Beginn des Ersten Weltkrieges deutlich wird.
- Dabei wird häufig mit der Biografie des Dichters argumentiert, der als Kämpfer für die soziale Frage begann, dann aber immer patriotischer wurde.
- Wir sehen zumindest aus heutiger Sicht hier
- aber zumindest ein starkes Bewusstsein von dem, was Krieg bedeutet, nämlich Grauen und Verlust ohne Ende.
- Unserer Meinung kann man sich höchstens darüber streiten, ob das trotzdem akzeptiert wird oder ob die Opferbereitschaft hier so betont wird, dass man ins Grübeln kommt, ob es sich nicht um eine besondere Form von Kritik am Krieg und an der Opferbereitschaft handelt.
- Wir stellen im Folgenden zunächst mal die Standard-Interpretation der Wissenschaft vor, wie ChatGPT sie uns präsentiert hat und wie sie auch von NotebookLM als vorherrschende Ansicht in der Wissenschaft präsentiert wurde. Die ist stark von wissenschaftlichen Überlegungen zu Leben und Werk des Dichters bestimmt.
- Dann folgt unsere andere Auffassung – zumindest aus heutiger Sicht.
Gefunden haben wir das Gedicht hier.
Gedichtanalyse: Gerhart Hauptmann – „Komm, wir wollen sterben gehen“
- Einleitung
- Das Gedicht „Komm, wir wollen sterben gehen“ wurde von Gerhart Hauptmann (1862–1946) im Hinblick auf den Ersten Weltkrieg verfasst.
- Hauptmann war ein bedeutender deutscher Dramatiker und Schriftsteller des Naturalismus, bewegte sich aber auch in anderen literarischen Strömungen wie dem Symbolismus und dem Impressionismus.
- Position 1: Das Gedicht ist ein Kriegsgedicht und thematisiert die freiwillige Hingabe an den Tod im Krieg, wobei es patriotische, aber zugleich tragische Züge trägt.
- Gegenposition: Es stellt die Schrecken des Krieges so extrem dar und die Opferbereitschaft wird so übertrieben, dass man es auch als Antikriegsgedicht verstehen kann.
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- Äußere Form
- Das Gedicht besteht aus vier Strophen zu je vier Versen (insgesamt 16 Verse).
- Es liegt ein Kreuzreim (abab) vor, der in allen Strophen durchgehalten wird.
- Das Metrum ist ein vierhebiger Trochäus
„Komm, wir wollen sterben gehen“
X x X x X x X x - Hier kann man viel heruminterpretieren – normalerweise hat der Rhythmus keine große Bedeutung, höchstens dann, wenn es eine Störstelle gibt.
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- Inhaltliche Analyse und Leserlenkung
- Komm, wir wollen sterben gehen
- in das Feld, wo Rosse stampfen,
- wo die Donnerbüchsen stehn
- und sich tote Fäuste krampfen.
Strophe 1 (Z. 1–4):
- Das lyrische Ich ruft zu einem freiwilligen Gang in den Tod auf.
- Die Beschreibung des Schlachtfeldes mit „Rosse stampfen“, „Donnerbüchsen“ und „tote Fäuste“ (Z. 2-4) schafft eine eindrucksvolle, bedrückende Kriegsszenerie.
- Der Leser spürt sofort eine beklemmende Atmosphäre und die bedingungslose Entschlossenheit des lyrischen Ichs.
- Unsere Meinung:
- Es erscheint zumindest aus heutiger Sicht unwahrscheinlich, dass ein Soldat mit der Absicht ins Feld ziehen, um dort zu sterben.
- Das würden die Vorgesetzten auch nicht gut finden – sie wollen Siegeszuversicht verbreiten.
- Man stelle sich vor, der Mittelstürmer einer Fußballmannschaft feuert seine Leute an mit dem Ruf: „Was soll’s, heute wollen wir mal richtig verlieren.“
- Auch die vierte Zeile spricht doch nicht für Kriegsbegeisterung. Je mehr man sich mit dem Gedicht beschäftigt, desto mehr kann man nur den Kopf schütteln, wenn das hier ein Pro-Krieg-sein soll.
- Streiten kann man sich über die bedingungslose Entschlossenheit. Das erinnert ein bisschen an die Gladiatoren im alten Rom, die beim Betreten der Arena den Kaiser grüßten mit „Morituri te salutant“ – die Sterbenden grüßen dich.
- Aus heutiger Sicht undenkbar – und als Leser lesen wir ein Gedicht im Horizont unserer Zeit. Die Germanisten mögen sich mit der angeblich allgemeinen Kriegsbegeisterung des Dichters beschäftigen – das kann man als Argument für einen dichterischen Text nicht verwenden – nur für die Biografie.
Strophe 2 (Z. 5–8):
- Lebe wohl, mein junges Weib
- und du Säugling in der Wiegen!
- Denn ich darf mit trägem Leib
- nicht daheim bei euch verliegen.
Analyse
- Hier nimmt das lyrische Ich Abschied von seiner Familie: der jungen Ehefrau und dem Säugling in der Wiege.
- Die emotionale Tiefe verstärkt das tragische Element:
- Die Pflicht zum Krieg steht über den familiären Bindungen.
- Die Stimmung wird intimer und gefühlsbetonter.
- Unsere Sicht:
- Emotionaler Abschied ist in Ordnung.
- Von Tragik kann sicher auch die Rede sein.
- Die 3. Zeile hat nun wirklich nichts mehr mit Heldenmut zu tun – denn hier geht es um äußere Gewalteinflüsse.
- Und die 4. Zeile erinnert an das Ritterideal des Mittelalters, bei dem man sich nicht „verligen“ darf, also zu Hause es sich gemütlich machen, wo doch Abenteuer auf einen warten.
- Man darf sich aber auch nicht „verriten“, also zu lange weg sein und damit seine familiären Pflichten versäumen.
Genau das tut man aber, wenn man zum Sterben in den Krieg zieht.
Man kann sagen, gerade das Weglassen der anderen Ritterregel zeigt die Einseitigkeit des Gedichtes und nimmt seiner Position di8e Überzeugungskraft.
Strophe 3 (Z. 9–12):
- Diesen Leib, den halt’ ich hin
- Flintenkugeln und Granaten:
- Eh’ ich nicht durchlöchert bin,
- kann der Feldzug nicht geraten.
Analyse:
- Das lyrische Ich stellt seinen eigenen Körper dem Tod zur Verfügung: „Flintenkugeln und Granaten“ (Z. 10).
- Der Gedanke, dass der Feldzug erst mit dem eigenen Tod gelingen kann, bringt eine bittere Ironie ins Spiel. Leser*innen könnten an dieser Stelle Mitleid empfinden und die Grausamkeit des Krieges erkennen.
- Unsere Meinung:
- Aha, Ironie und Grausamkeit des Krieges.
- Tja, da hat die KI mal wieder nicht erkannt, dass das beim Einrücken aufs Schlachtfeld nicht gut bei den Vorgesetzten und den Kameraden ankommt.
- Und das Hinhalten des eigenen Körpers würde sogar bestraft werden – denn dazu ist der Soldat nicht da, das bedeutet ja Verzicht auf jeden Kampf.
- Und dann das „durchlöchert“: Was ist das denn für eine Begeisterung, das erinnert doch eher an eine traurige Gestalt, die unter die Räuber gefallen ist.
- Und der Feldzug kann nicht gelingen, bevor man tot ist? Wenn das alle sagen und machen, wird aus dem Sieg nichts.
- Man sieht hier deutlich, dass die landläufige Interpretation für jeden nachdenklichen Menschen ein Witz ist. Sorry, aber irgendwann packt einen der Zorn, wenn man sieht, wie wenig anscheinend nachgedacht wird bei solchen Analysen – über das biografische Vorurteil hinau8s.
Strophe 4 (Z. 13–16):
- Komm, mein lieber Kamerad,
- dass wir beide, gleich und gleiche
- heut in Reih und Glied Soldat
- morgen liegen Leich an Leiche.
Analyse:
- Schließlich wird ein Kamerad direkt angesprochen. Die Vision, heute „Soldat“, morgen „Leich an Leiche“ zu sein (Z. 16), stellt eine letzte, fast resignative Konklusion dar.
- Die Sinnlosigkeit des Krieges tritt nun offen hervor.
- Unsere Meinung:
- In der letzten Zeile merkt man, dass die KI hier wirklich nicht 1 und 1 zusammenzählen konnte. „Sinnlosigkeit“? Das soll patriotische Kriegsbegeisterung sein?
- Und dann die Aufforderung an einen Kameraden, sich gewissermaßen schon mal gemeinsam ins Grab zu legen.
Unglaublich.
Man sieht, es lohnt sich gängige Interpretationen zu hinterfragen.
- Aussagen des Textes
- Das Gedicht macht deutlich, wie patriotischer Pflichtgedanke und Todesverfallenheit ineinandergreifen.
- Es zeigt die Selbstaufgabe des Einzelnen im Namen einer größeren Sache (Z. 7–8, Z. 11–12)
- und thematisiert zugleich die Sinnlosigkeit des Sterbens (Z. 16).
- Unsere Meinung: „im Namen einer größeren Sache“ und „Sinnlosigkeit des Sterbens“ – wer da den Widerspruch nicht merkt, dem ist nicht zu helfen.
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- Sprachliche und rhetorische Mittel
- Reihung: „Flintenkugeln und Granaten“ (Z. 10) – verstärkt die Wirkung der Kriegsbilder.
- Personifizierung: „tote Fäuste krampfen“ (Z. 4) – macht die Unbarmherzigkeit des Todes greifbar.
- Aufforderung: „Komm“ (Z. 1 und 13) – unterstreicht den Appellcharakter und die Dringlichkeit.
- Ironie: „kann der Feldzug nicht geraten“ (Z. 12) – zeigt die absurde Logik des Krieges.
Auch den zynischen Vergleich mit einem Kuchen oder Braten, der nicht gut wird. - Antithese: „heut […] Soldat / morgen […] Leich“ (Z. 15–16) – betont die Unmittelbarkeit des Todes. Diese Mittel unterstützen die Kernaussagen des Gedichts durch eindrucksvolle Bildlichkeit und klangliche Verstärkung.
Eher wird hier der Widerspruch deutlich zwischen Soldatenherrlichkeit und Realität.
- Was kann man mit dem Gedicht anfangen?
- Das Gedicht kann als Ausgangspunkt für Diskussionen über Krieg und Patriotismus dienen.
- Es eignet sich für einen historischen Vergleich mit heutigen Sichtweisen auf Opferbereitschaft und militärische Pflichterfüllung.
- Auch in literarischer Hinsicht bietet es eine Fülle an analysierbaren Stilmitteln und emotionalen Kontrasten.
- Unsere Meinung:
Sehr allgemein – viel wichtiger wäre gerade das Verhältnis von militärischer Rhetorik und brutaler Realität herauszuarbeiten und zu diskutieren.
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- Qualität des Gedichts
- Das Gedicht ist von hoher literarischer Qualität.
- Es vereint eindrucksvolle Bildsprache mit formaler Strenge und thematischer Tiefe.
- Die Ambivalenz zwischen Pathos und Kritik macht es besonders wirkungsvoll und zeitlos.
Unsere Meinung: Auch hier wieder ein Ansatz von Überzeugungskraft, der aber zur allgemeinen Pro-Krieg-Auswertung nicht passt.
- Persönliche Erst-Reaktion von Mia:
- Krass, wie direkt das Gedicht den Tod thematisiert.
- Die Bilder vom Schlachtfeld haben mich echt erschreckt.
- Ich fand die zweite Strophe mit dem Abschied von Frau und Kind sehr traurig.
- Die Sprache ist altmodisch, aber irgendwie stark.
- Ich frage mich, ob Hauptmann selbst Krieg erlebt hat.
- Die letzte Strophe macht einen besonders nachdenklich.
- Es ist unheimlich, wie bereitwillig das lyrische Ich sterben will.
Tja, hier hätte Mia noch dem „Unheimlichen“ etwas mehr nachspüren sollen. Das wäre dann die Einsicht in das wirkliche Aussagepotenzial des Gedichtes gewesen. - Ich finde gut, dass das Gedicht nicht klar sagt: Krieg ist gut oder schlecht.
Nun ja, das kann man auch wirklich anders sehen.
Allenfalls hätte man das so formulieren können:
Gut ist, dass man selbst drauf kommen muss, dass Kriegsbegeisterung hier jeder Boden entzogen wird. - Es eignet sich gut, um über heutige Kriege zu sprechen.
- Ich könnte mir vorstellen, das Gedicht als Theater-Szene nachzustellen.
Ja, vor allem, wenn der angesprochene Kamerad immer mehr blass wird und von hinten ein wütender Offizier heranstürmt, um den Redner zum Schweigen zu bringen und ihn wahrscheinlich in eine Arrestzelle zu bringen oder vors Kriegsgericht für etwas, was bei Hitler als „Wehrkraftzersetzung“ ein todeswürdiges Verbrechen war.
Weitere Infos, Tipps und Materialien
- Gedichte zum Thema Krieg
https://textaussage.de/politische-lyrik-thema-krieg
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