Goethe, „Die Zweifelnden – Die Liebenden“ – ein ungewöhnliches Sonett mit schöner Botschaft (Mat9412)

Goethe, „Die Zweifelnden – Die Liebenden“ …

– ein ungewöhnliches Sonett mit schöner Botschaft

Das Gedicht „Die Zweifelnden – Die Liebenden“ von Johann Wolfgang von Goethe behandelt das Thema des Widerspruchs zwischen emotionaler Ausdruckskraft und der formalen Bindung durch dichterische Regeln.

Den Text haben wir hier gefunden:

Goethe

Die Zweifelnden

  1. Ihr liebt und schreibt Sonette! Weh der Grille!
    u   B      u     B            u  B   u    B      u    B   u
    Fünfhebiger Jambus
  2. Die Kraft des Herzens, sich zu offenbaren,
  3. Soll Reime suchen, sie zusammenpaaren –
  4. Ihr Kinder, glaubt, ohnmächtig bleibt der Wille.
  • Ausgangspunkt: Feststellung den Kontrastes zwischen dem Schreiben und dem Lieben.
  • Kritik an den Reimzwängen,
  • die es letztlich mit anderen Vorgaben unmöglich machen, die „Kraft des Herzens“ sich deutlich werden zu lassen.
  • „offenbaren“ = Anspielung auf überirdische, göttliche Gabe
  1. Ganz ungebunden spricht des Herzens Fülle
  2. Sich kaum noch aus: sie mag sich gern bewahren;
  3. Dann Stürmen gleich durch alle Saiten fahren;
  4. Dann wieder senken sich zu Nacht und Stille.
  • Kontrast zwischen „des Herzens Fülle“ und dem Verlust der Ungebundenheit, also der Freiheit des Ausdrucks.
  1. Was quält ihr euch und uns, auf jähem Stege
  2. Nur Schritt vor Schritt den lästgen Stein zu wälzen,
  3. Der rückwärts lastet, immer neu zu mühen?
    • Beschreibung und Kritik des Dichtens unter erschwerten Bedingungen.

Die Liebenden

  1. Im Gegenteil, wir sind auf rechtem Wege!
  2. Das Allerstarrste freudig aufzuschmelzen
  3. Muß Liebesfeuer allgewaltig glühen.
    • Hinweis auf die eigene Gegenposition,
    • die „auf rechtem Wege“ sei.
      Es geht um das „Aufschmelzen“ auch der starrsten Dinge,
    • das steht also für Lebendigkeit in Freiheit.
    • Ergebnis: Am Ende ist auch im Gedicht ein gewaltiges „Liebesfeuer“ zu spüren.

Aussagen/Intentionalität: Das Gedicht zeigt

  • zwei gegensätzliche Perspektiven:

    • die, die sich nicht trauen, sich frei im Gedicht zu äußern und letztlich scheitern – zumindest, wenn es um das Thema Liebe geht.
    • Demgegenüber eine wohl auch von Goethe vertretene Wir-Position, die Liebe auch im Gedicht sichtbar macht und wirken lässt.

  • Goethes Gedicht regt zum Nachdenken über die Beziehung zwischen Gefühl und Kunst an.
  • Es stellt die Frage, ob Emotionen in künstlerische Formen gebannt werden können, ohne ihre Authentizität zu verlieren.
  • Die Kontraste zwischen Skeptikern und Liebenden symbolisieren verschiedene Herangehensweisen an Kunst und Leben: resignierte Ablehnung oder schöpferische Energie.

Sprachliche Mittel, die die Aussagen unterstützen

  1. Metaphern
  • „Die Kraft des Herzens“ (Z. 2) symbolisiert die emotionale Stärke.
  • „Stürmen gleich durch alle Saiten fahren“ (Z. 7) beschreibt die emotionale Unruhe durch das Bild eines Instruments.
  • „Den lästgen Stein zu wälzen“ (Z. 10) stellt die Mühsal der poetischen Arbeit dar.
  • „Das Allerstarrste […] aufzuschmelzen“ (Z. 13) ist eine Metapher für die verändernde Kraft der Liebe.
  1. Gegensätze und Kontraste
  •  Zwischen Skepsis (Z. 1–11) und Leidenschaft (Z. 12–14).
  •  „Nacht und Stille“ (Z. 8) gegen „Liebesfeuer […] glühen“ (Z. 14).
  1. Personifikationen
  • Das Herz als Akteur: „Sich gern bewahren“ (Z. 6).
  • Der Wille wird als „ohnmächtig“ (Z. 4) beschrieben.

Diese sprachlichen Mittel verstärken die zentrale Aussage, indem sie die widersprüchliche Natur der Emotionen und die verwandelnde Kraft der Liebe plastisch machen.

Einschätzung des Gedichtes

  • Dieses Gedicht macht sehr schön deutlich, dass Kunst sich zwischen Vorgaben und unmittelbarer Schöpfung bewegt.
  • Es verwendet die strenge Form des Sonetts – und bricht sie durch die Doppel-Überschrift wieder auf.

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