Der Mensch der Klassik zwischen Individualität und Auflösung im Unendlichen
Wir stellen hier ein Gedicht von Goethe vor, das u.a. hier zu finden ist:
Quelle: Johann Wolfgang von Goethe: Berliner Ausgabe. Poetische Werke [Band 1–16], Band 1, Berlin 1960 ff, S. 540-541.
Permalink: http://www.zeno.org/nid/20004842863
Goethe
Eins und Alles
- Im Grenzenlosen sich zu finden,
- Wird gern der Einzelne verschwinden,
- Da löst sich aller Überdruß;
- Statt heißem Wünschen, wildem Wollen,
- Statt läst’gem Fordern, strengem Sollen
- Sich aufzugeben ist Genuß.
- In der ersten Strophe beschreibt das lyrische Ich den Wunsch des Individuums, sich im Grenzenlosen aufzulösen.
- Es präsentiert die Idee, dass der Einzelne bereit ist, seine Individualität aufzugeben, um Teil von etwas Größerem zu werden.
- Dieser Prozess wird als befreiend dargestellt, da er von allen Belastungen des individuellen Daseins erlöst.
- Statt persönlicher Wünsche, Begierden und Verpflichtungen wird die Selbstaufgabe als Genuss empfunden.
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- Weltseele, komm, uns zu durchdringen!
- Dann mit dem Weltgeist selbst zu ringen
- Wird unsrer Kräfte Hochberuf.
- Teilnehmend führen gute Geister,
- Gelinde leitend, höchste Meister,
- Zu dem, der alles schafft und schuf.
- Die zweite Strophe ruft die „Weltseele“ an und beschreibt den Wunsch, mit dem „Weltgeist“ in Verbindung zu treten.
- Das lyrische Ich sieht es als höchste Berufung an, mit dieser kosmischen Kraft zu ringen oder in Wechselwirkung zu treten.
- Es stellt vor, wie gute Geister und höchste Meister den Menschen sanft zu dem Schöpfer allen Seins führen.
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- Und umzuschaffen das Geschaffne,
- Damit sich’s nicht zum Starren waffne,
- Wirkt ewiges lebendiges Tun.
- Und was nicht war, nun will es werden
- Zu reinen Sonnen, farbigen Erden,
- In keinem Falle darf es ruhn.
- In der dritten Strophe präsentiert das lyrische Ich die Idee einer ständigen Umwandlung und Neuschöpfung.
- Es beschreibt einen ewigen Prozess des Wandels und der Erneuerung, der notwendig ist, um Stagnation zu verhindern.
- Dieser schöpferische Prozess wird als unaufhörlich dargestellt, der ständig Neues hervorbringt – von Sonnen bis zu farbigen Erden.
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- Es soll sich regen, schaffend handeln,
- Erst sich gestalten, dann verwandeln;
- Nur scheinbar steht’s Momente still.
- Das Ewige regt sich fort in allen:
- Denn alles muß in Nichts zerfallen,
- Wenn es im Sein beharren will.
- Die letzte Strophe führt den Gedanken der ständigen Bewegung und Veränderung weiter.
- Das lyrische Ich betont, dass alles sich regen, gestalten und verwandeln muss.
- Es präsentiert die paradoxe Idee, dass selbst scheinbarer Stillstand nur eine Illusion ist.
- Die Strophe gipfelt in der Erkenntnis, dass alles vergänglich sein muss, um im Sein zu verharren – eine tiefgründige Reflexion über die Natur der Existenz und des Wandels.
Zusammenfassung / Intention
Das Gedicht zeigt…
- die Sehnsucht des Individuums, sich im Unendlichen aufzulösen und Teil eines größeren Ganzen zu werden.
- den Kontrast zwischen den Begrenzungen des individuellen Daseins und der Freiheit, die in der Vereinigung mit dem Universum liegt.
- die Vorstellung einer alles durchdringenden Weltseele, mit der der Mensch in Verbindung treten möchte.
- den ewigen Kreislauf von Schöpfung, Wandel und Vergänglichkeit als fundamentales Prinzip des Universums.
- die paradoxe Natur der Existenz, in der Beständigkeit nur durch ständige Veränderung erreicht werden kann.
- die philosophische Idee, dass wahre Erfüllung in der Aufgabe des Selbst und der Verschmelzung mit dem Kosmos liegt.
- die Überzeugung, dass alles Sein einem ständigen Prozess der Umgestaltung und Erneuerung unterworfen ist.
- die Vorstellung, dass selbst scheinbarer Stillstand nur eine Illusion ist und alles in ständiger Bewegung bleibt.
- die tiefe Verbundenheit zwischen dem Einzelnen, der Natur und dem gesamten Universum.
- die Auffassung, dass das Streben nach Vereinigung mit dem Weltgeist die höchste Berufung des Menschen ist.
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