Goethe, „Natur und Kunst …“ (Mat7416 )

Goethe: Natürliche Fähigkeiten werden durch harte Arbeit und Talent zu echter Kunst.

Goethe

Natur und Kunst, sie scheinen sich zu fliehen …

  1. Natur und Kunst, sie scheinen sich zu fliehen
  2. Und haben sich, eh man es denkt, gefunden;
  3. Der Widerwille ist auch mir verschwunden,
  4. Und beide scheinen gleich mich anzuziehen.
    • Das lyrische Ich beobachtet, wie Natur und Kunst zunächst gegensätzlich erscheinen, sich dann aber annähern.
    • Es erkennt, dass seine anfängliche Abneigung verschwindet und es sich nun von beiden gleichermaßen angezogen fühlt.
  5. Es gilt wohl nur ein redliches Bemühen!
  6. Und wenn wir erst in abgemeßnen Stunden
  7. Mit Geist und Fleiß uns an die Kunst gebunden,
  8. Mag frei Natur im Herzen wieder glühen.
    • Das lyrische Ich betont die Notwendigkeit ernsthaften Bemühens.
    • Es beschreibt, wie man sich durch diszipliniertes Arbeiten der Kunst widmet.
    • Das führt am Ende dazu dass die Natur im Herzen wieder frei aufblühen kann.
  9. So ist’s mit aller Bildung auch beschaffen:
  10. Vergebens werden ungebundne Geister
  11. Nach der Vollendung reiner Höhe streben.
  12. Wer Großes will, muß sich zusammenraffen;
  13. In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister,
  14. Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben.
    • Das lyrische Ich zieht Parallelen zur Bildung im Allgemeinen.
    • Es erkennt, dass Disziplin und Selbstbeschränkung notwendig sind, um Großes zu erreichen.
    • Es kommt zu dem Schluss, dass wahre Freiheit nur durch die Einhaltung von Regeln und Gesetzen erreicht werden kann.

Das Gedicht und die Klassik

  • Dieses Gedicht passt hervorragend zur Klassik, da es zentrale Ideale dieser Epoche verkörpert.
  • Erstens betont es die Harmonie zwischen scheinbaren Gegensätzen – hier Natur und Kunst –
  • was dem klassischen Streben nach Ausgleich und Ganzheit entspricht.
  • Zweitens vertritt das Gedicht die Idee der Selbstbildung und -vervollkommnung durch Disziplin und Regeln,
  • was dem klassischen Bildungsideal und dem Streben nach Vollendung entspricht,
  • während es gleichzeitig die für die Klassik typische Form des Sonetts verwendet, was die Einheit von Form und Inhalt unterstreicht.

Übertragung auf uns heute

  1. Man muss sich nur mal vorstellen, man will richtig gut in etwas werden, zum Beispiel in einem Sport oder bei einem Instrument.
  2. Goethe sagt in diesem Gedicht, dass es manchmal so aussieht, als würden natürliches Talent und harte Arbeit nicht zusammenpassen.
  3. Aber in Wirklichkeit braucht man beides!
  4. Am Anfang denkt man vielleicht, dass Regeln und Übungen nervig sind und einen einschränken.
  5. Aber Goethe meint, dass man gerade durch diese „Einschränkungen“ – also regelmäßiges Üben und das Befolgen bestimmter Techniken – wirklich gut wird und seine eigene Kreativität entfalten kann.
  6. Das Gleiche gilt für’s Lernen allgemein:
    1. Wer einfach drauflos lernt, ohne Plan und Struktur, wird es schwer haben, richtig gut zu werden.
    2. Stattdessen sollte man sich „zusammenraffen“, also diszipliniert sein und sich an Regeln halten.
    3. Das klingt zwar nach weniger Freiheit, aber Goethe sagt, dass man gerade dadurch am Ende mehr Freiheit gewinnt – weil man dann die Fähigkeiten hat, seine Ideen wirklich umzusetzen.
  7. Kurz gesagt: Talent ist super, aber ohne harte Arbeit und ein bisschen Disziplin wird man nicht weit kommen. Die Kombination aus beidem macht einen zum echten Meister!

Quelle:
Johann Wolfgang von Goethe: Berliner Ausgabe. Poetische Werke [Band 1–16], Band 2, Berlin 1960 ff, S. 89-90,121-122.

Weitere Infos, Tipps und Materialien