Goethe – oder auch nicht ;-) „Wer nie sein Brot mit Tränen aß“ (Mat7372)

Goethe – oder nicht? Ein Gedicht in einem Roman

Wenn man nach einem Goethe-Gedicht sucht, kann man z.B. dieses finden:
https://www.aphorismen.de/gedicht/264

Und dann fängt man an zu analysieren. Was macht das lyrische Ich?

  1. Wer nie sein Brot mit Tränen aß,
  2. Wer nie die kummervollen Nächte
  3. Auf seinem Bette weinend saß,
  4. Der kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte.
    • In den ersten drei Zeilen geht sie auf Menschen ein, die so etwas wie Kummer, Not und Tränen nicht kennen.
    • Es folgt eine These, dass diese Leute angeblich die „himmlischen Mächte“ nicht kennen, die vom lyrischen Ich angeredet werden.
    • Als Leser ist man hier erst mal ratlos.
    • Ganz kluge Leute können darauf kommen, dass diese Mächte etwas mit der Not der anderen Leute zu tun haben.
    • Hoffen wir mal, dass sie eher hilfreich eingreifen – und damit ein Glaubens- und Vertrauensgefühl erzeugen, dass die Glücklichen nicht kennen.
  5. Ihr führt ins Leben uns hinein,
  6. Ihr laßt den Armen schuldig werden,
  7. Dann überlaßt ihr ihn der Pein,
  8. Denn alle Schuld rächt sich auf Erden.
    • Doch dann der Schock: Das lyrische Ich zählt drei Verhaltensweisen auf, die das lyrische Ich und ähnliche Leute, die wohl zu den Unglücklichen gezählt werden, den himmlischen Mächten zuordnet – und die alle mehr oder weniger negativ sind.
    • Das heißt: Die Erwartungshaltung war falsch – diese Mächte sind zwar für den Sprung ins Leben zuständig – aber die sehen einfach zu, wie die Armen unter ihnen „schuldig werden“ – und dann überlassen sie diese Menschen auch noch der „Pein“ – zwischen Schuldgefühl und Strafe.
    • Am Ende dann eine These, die eigentlich für alle Menschen gelten  sollte, wohl aber nur die Armen trifft.

Insgesamt ein Gedicht, das die himmlischen Mächte eher negativ sieht. Sie kümmern sich nicht um die Menschen, die sie ins Leben haben kommen lassen – und die Armen haben damit ein Problem, die Reichen (angeblich) nicht.

Man könnte dieses Gedicht gut erweitern durch eine Strophe, in der ein Glücklicher deutlich macht, dass auch sein Glück nicht so klar und dauerhaft ist, wie es aus der Perspektive der eindeutig Unglücklichen aussieht.

Wenn man sich die Aussage des Gedichtes ansieht, kann man es mit Goethes „Das Göttliche“ vergleichen. Denn die Interesse- und Mitleidlosigkeit der „himmlischen Mächte“ passen dort gut zum Schicksal. Denn von dem heißt es eindeutig:
https://textaussage.de/goethe-das-goettliche

13 Denn unfühlend
14 Ist die Natur:
15 Es leuchtet die Sonne
16 Über Bös und Gute,
17 Und dem Verbrecher
18 Glänzen wie dem Besten
19 Der Mond und die Sterne.

20 Wind und Ströme,
21 Donner und Hagel
22 Rauschen ihren Weg
23 Und ergreifen
24 Vorüber eilend
25 Einen um den andern.

26 Auch so das Glück
27 Tappt unter die Menge,
28 Fasst bald des Knaben
29 Lockige Unschuld,
30 Bald auch den kahlen
31 Schuldigen Scheitel.

Am Ende aber kommt dann doch das Klassische – denn der Mensch wird aufgefordert, „edel, hilfreich und gut“ zu sein – gewissermaßen das Göttliche als Gegenstück zum blinden Schicksal möglichst stark ins Leben einzubringen.

Ist Goethe hier nur negativ?

Wer dem Link hier unten gefolgt ist, hat schon gesehen, dass Goethe dieses Gedicht einer Figur in einem Roman in den Mund legt.

Wir zitieren hier mal in Auszügen perplexity.ai:

Die kompletten Fragen und Antworten gibt es hier:
https://www.perplexity.ai/search/es-geht-um-das-gedicht-wer-nie-HKpuOpapSBKlHuqCIpDPpg#1
und
https://www.perplexity.ai/search/es-geht-um-das-gedicht-wer-nie-HKpuOpapSBKlHuqCIpDPpg?login-source=oneTapThread#2
und
https://www.perplexity.ai/search/es-geht-um-das-gedicht-wer-nie-HKpuOpapSBKlHuqCIpDPpg#3

Die Kommunikationssituation des Gedichts „Wer nie sein Brot mit Tränen aß“ im Kontext von Goethes Roman „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ lässt sich folgendermaßen beschreiben:

Das Gedicht wird von der Figur des Harfenspielers vorgetragen, einer geheimnisvollen und tragischen Gestalt im Roman. Es handelt sich also um einen Gesang innerhalb der Erzählung, der die Gefühle und Erfahrungen dieser Figur zum Ausdruck bringt.

Der Harfner, auch als Harfenspieler [… ] bekannt, ist eine tragische Gestalt im Roman:

  • Er ist ein geheimnisvoller Wandermusiker, der mit seiner Harfe umherzieht.
  • Später stellt sich heraus, dass er der Vater von Mignon und der Bruder des Marchese Cipriani ist.
  • Er trägt eine schwere Schuld mit sich, da er unwissentlich eine inzestuöse Beziehung mit seiner Schwester hatte, aus der Mignon hervorging.
  • Diese Schuld und sein Schicksal haben ihn in den Wahnsinn getrieben.

Wenn man das weiß, wird man verstehen, dass es sich hier eher um eine Anklage handelt, wie sie auch Prometheus dem antiken Gott Zeus entgegenschleudert.

Im Sinne des Gedichtes „Das Göttliche“ wird ihm aber im Roman freundlich begegnet. Das heißt er erfährt dort zumindest ansatzweise das „Edle, Hilfreiche und Gute.“

Fazit:

Wir haben hier den interessanten Fall eines Gedichtes, das zwar von Goethe stammt, das er aber einer Figur im Roman in den Mund legt. Aber man kann das Gedicht natürlich auch für sich allein nehmen – und dann wird man mit der negativen Sicht des Harfners auf die Welt konfrontiert und kann sich dazu eine eigene Meinung bilden – z.B. eine ergänzende Strophe bilden – die die einfache Glück-Unglück-Situation in Frage stellt.

Quelle:
Goethes Werke. Hamburger Ausgabe in 14 Bänden. Band 7, Hamburg 1948 ff, S. 136-139.
Permalink:

Zum Vergleich die Perplexity.ai-Interpretation des Gedichtes

Schauen wir uns abschließend jetzt noch an, wie die KI dieses Gedicht präsentiert, wenn es nur die Version ohne Kontext bekommt.

Frage:

Bitte analysiere das folgende Gedicht von Goethe: „Wer nie sein Brot mit Tränen aß, Wer nie die kummervollen Nächte Auf seinem Bette weinend saß, Der kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte. Ihr führt ins Leben uns hinein, Ihr laßt den Armen schuldig werden, Dann überlaßt ihr ihn der Pein, Denn alle Schuld rächt sich auf Erden.“

Antwort – Einleitung

Dieses Gedicht von Johann Wolfgang von Goethe, bekannt als „Wer nie sein Brot mit Tränen aß“, ist ein tiefgründiges Werk, das menschliches Leid und die Rolle höherer Mächte thematisiert. Lassen Sie uns das Gedicht näher betrachten:

Struktur und Form

Das Gedicht besteht aus zwei Strophen mit jeweils vier Versen. Es folgt einem regelmäßigen Reimschema (ABAB CDCD) und verwendet einen vierhebigen Jambus als Versmaß, was ihm einen rhythmischen, fast liedhaften Charakter verleiht.

Inhaltliche Analyse

Erste Strophe

Die erste Strophe beschreibt Menschen, die intensives Leid erfahren haben:

  • „Wer nie sein Brot mit Tränen aß“: Dies symbolisiert tiefe Traurigkeit, die sogar alltägliche Handlungen wie das Essen begleitet.
  • „Wer nie die kummervollen Nächte / Auf seinem Bette weinend saß“: Hier wird das Bild von schlaflosen, von Kummer erfüllten Nächten gezeichnet.

Der letzte Vers dieser Strophe, „Der kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte“, deutet an, dass nur diejenigen, die solches Leid erfahren haben, die wahre Natur der „himmlischen Mächte“ verstehen können.

Zweite Strophe

Die zweite Strophe wendet sich direkt an diese „himmlischen Mächte“:

  • „Ihr führt ins Leben uns hinein“: Die Mächte bringen uns ins Leben.
  • „Ihr laßt den Armen schuldig werden“: Sie lassen zu, dass Menschen Schuld auf sich laden.
  • „Dann überlaßt ihr ihn der Pein“: Die Mächte überlassen den Menschen dann seinem Schmerz.
  • „Denn alle Schuld rächt sich auf Erden“: Dies suggeriert eine Art kosmische Gerechtigkeit oder Karma.

Thematische Interpretation

Das Gedicht behandelt mehrere tiefgründige Themen:

  1. Leid als Erkenntnisweg: Goethe suggeriert, dass tiefes Leid notwendig ist, um die wahre Natur des Lebens und der göttlichen Ordnung zu verstehen.
  2. Ambivalenz der göttlichen Mächte: Die himmlischen Mächte werden nicht als rein gütig dargestellt, sondern als Kräfte, die Menschen sowohl ins Leben führen als auch leiden lassen.
  3. Schuld und Sühne: Das Gedicht thematisiert die Unvermeidbarkeit von Schuld im menschlichen Leben und die Konsequenzen, die daraus folgen.
  4. Existenzielle Einsamkeit: Die Darstellung des einsamen Leidens unterstreicht die fundamentale Einsamkeit des menschlichen Daseins.

Fazit

Goethes Gedicht ist eine eindringliche Betrachtung der menschlichen Existenz, die Leid als integralen Bestandteil des Lebens und als Weg zur tieferen Erkenntnis darstellt. Es hinterfragt traditionelle Vorstellungen von göttlicher Güte und präsentiert ein komplexeres Bild der Beziehung zwischen Mensch und höheren Mächten. Durch seine kraftvolle Sprache und tiefgründige Botschaft bleibt dieses Gedicht ein bedeutendes Werk der deutschen Literatur, das auch heute noch zum Nachdenken über die grundlegenden Fragen des menschlichen Daseins anregt.

Anmerkung dazu:

Man merkt deutlich, dass die KI sich wirklich nur auf diese Zeilen konzentriert und sie nicht einordnet in den größeren Zusammenhang des Romans.

Weitere Infos, Tipps und Materialien