Goethe, „Die Leiden des jungen Werther“ – 4. – 30. Mai Übersicht über den Inhalt mit Schlüsselzitaten (Mat2220)

Worum es hier geht:

  • Briefroman des jungen Goethe aus dem Jahre 1774 – typisch für die Zeit des „Sturm und Drang“ – allerdings vor allem für seine gefühlsintensive Seite
  • Das im selben Jahr entstandene Drama „Götz von Berlichingen“ zeigt stattdessen ein starkes Individuum, das den Kampf mit seiner Zeit und ihren Verhältnissen aufnimmt.

Wir benutzen die E-Book-Ausgabe des Reclam-XL-Heftes, zum Beispiel hier zu bekommen.

Dort ist der Text auf den Seiten 3 bis 153 zu finden. Ggf. kann man so unsere Zitat-Seitenhinweise einfach umrechnen.

Ansonsten ist der Text des Romans auch im Internet zu finden, vor allem gut für die Suche nach Textstellen und ihrem Umfeld.

  • Brief vom 4.Mai: Bemühen um Vergessen in schöner Natur
  • Werther ist froh, seine Heimatstadt verlassen zu haben,
  • wo er u.a. eine junge Frau verlassen hat, die ihn mehr liebte, als ihm recht war.
  • Äußerer Grund ist die Regelung einer Erbschaftsfrage, bei der er bei einer Tante meint, gut vorangekommen zu sein.
  • Er genießt die Natur und äußert Distanz zur Stadt.
  • „Die Stadt selbst ist unangenehm, dagegen rings umher eine unaussprechliche Schönheit der Natur.“ (6)
  • „Die Einsamkeit ist meinem Herzen köstlicher Balsam in dieser paradiesischen Gegend, und diese Jahrszeit der Jugend wärmt mit aller Fülle mein oft schauderndes Herz. Jeder Baum, jede Hecke ist ein Strauß von Blüten, und man möchte zum Maienkäfer werden, um in dem Meer von Wohlgerüchen herumschweben und alle seine Nahrung darin finden zu können.“ (6)
  • Ein interessantes Schlüsselzitat, über dessen Wert und Unwert man gut diskutieren kann:
    „ich will das Gegenwärtige genießen, und das Vergangene soll mir vergangen sein“ (5)
  • Brief vom 10.Mai:
  • Werther schildert sein Glück in der Natur:
    „Eine wunderbare Heiterkeit hat meine ganze Seele eingenommen, gleich den süßen Frühlingsmorgen, die ich mit ganzem Herzen genieße. Ich bin allein und freue mich meines Lebens in dieser Gegend, die für solche Seelen geschaffen ist wie die meine. Ich bin so glücklich, mein Bester, so ganz in dem Gefühle von ruhigem Dasein versunken, daß meine Kunst darunter leidet. Ich könnte jetzt nicht zeichnen, nicht einen Strich, und bin nie ein größerer Maler gewesen als in diesen Augenblicken.“ (7)
  • Wichtig ist hier, wie wohl sich Werther in dieser Umgebung fühlt.
  • Interessant dass er sich als Maler fühlt, obwohl seine Kunst gerade leidet.
  • Wahrscheinlich ist damit gemeint, dass er vor allem sieht, aber aktuell zu entspannt ist, um sich den Herausforderungen der Kunst zu stellen.
  • 12. Mai: Werther erlebt an einem Brunnen Situationen, in denen „die patriarchalische Idee“ zum Beispiel der griechischen Sagenwelt in ihm lebendig wird.
  • 13. Mai:
  • Hier äußert sich Werther zum einen kritisch im Hinblick auf Bücher: „Ich will nicht mehr geleitet, ermuntert, angefeuert sein, braust dieses Herz doch genug aus sich selbst“. (9)
  • Außerdem äußert er sich über die einfachen Leute: „Ich weiß wohl, dass wir nicht gleich sind, noch sein können; aber ich halte dafür, dass der, der nötig zu haben glaubt, vom so genannten Pöbel sich zu entfernen, um den Respekt zu erhalten, ebenso tadelhaft ist als ein Feiger, der sich vor seinem Feinde verbirgt, weil er zu unterliegen fürchtet.“
    Also: Wohl unterschiedliche Schichten in der Bevölkerung, aber keine Verachtung der einfachen Menschen, nur um die eigene Sonderstellung zu sichern.
  • Das macht Werther am Beispiel eines Mädchens klar, dem er am Brunnen hilft, sich das Wassergefäß auf den Kopf zu setzen.
  • 17. Mai:
  • Eine interessante Feststellung, die Anlass gibt, über den Unterschied nachzudenken.
    „Ich habe allerlei Bekanntschaft gemacht, Gesellschaft habe ich noch keine gefunden.“
  • Dann eine kritische Bemerkung über die Menschen in seiner Umgebung, aber auch allgemein:
    „Wenn du fragst, wie die Leute hier sind, muss ich dir sagen: wie überall! Es ist ein einförmiges Ding um das Menschengeschlecht. Die meisten verarbeiten den größten Teil der Zeit, um zu leben, und das bisschen, das ihnen von Freiheit übrig bleibt, ängstigt sie so, dass sie alle Mittel aufsuchen, um es los zu werden. O Bestimmung des Menschen!“
    Das kann man sicher kritisch sehen, wenn man bedenkt, wie sehr dieser junge Mann in den Tag hinein lebt, während andere um ihr täglich Brot kämpfen müssen.
  • Am Beispiel eines jungen Mannes namens V. macht Werther klar, dass es nicht reicht, auf Akademien „hübsche Kenntnise“ (11) erworben zu haben. Nachdem der andere alles aufgezählt hat, worin er sich jetzt meint auszukennen, merkt Werther nur lakonisch an: „Ich ließ es gut sein.“
  • Dann kommt Werther auf einen „fürstlichen Amtmann“ zu sprechen, in dessen Umfeld man „viel Wesens von seiner ältesten Tochter“ macht. Bald wird der Leser erfahren, dass es sich um die zweite Hauptperson des Romans handelt.
  • 22. Mai:
  • Hier äußert sich Werther, wieso er das Gefühl hat, das Leben sei ein Traum:
  • „Wenn ich die Einschränkung ansehe, in welcher die tätigen und forschenden Kräfte des Menschen eingesperrt sind;
  • wenn ich sehe, wie alle Wirksamkeit dahinaus läuft, sich die Befriedigung von Bedürfnissen zu verschaffen, die wieder keinen Zweck haben, als unsere arme Existenz zu verlängern,
  • und dann, dass alle Beruhigung über gewisse Punkte des Nachforschens nur eine träumende Regignation ist, da man sich die Wände, zwischen denen man gefangen sitzt, mit bunten Gestalten und lichten Aussichten bemalt—
  • das alles, Wilhelm, macht mich stumm.
  • Ich kehre in mich selbst zurück, und finde eine Welt! Wieder mehr in Ahnung und dunkler Begier als in Darstellung und lebendiger Kraft. Und da schwimmt alles vor meinen Sinnen, und ich lächle dann so träumend weiter in die Welt.
  • Es folgt ein Lob der Kinder und ihres Blicks auf das Leben und die Welt:
  • So glaubt er, „dass diejenigen die Glücklichsten sind, die gleich den Kindern in den Tag hinein leben“ (12).
  • Anschließend werden die Lebenskonzepte von zwei Gruppen vorgestellt:
  • „Auch denen ist’s wohl, die ihren Lumpenbeschäftigungen oder wohl gar ihren Leidenschaften prächtige Titel geben und sie dem Menschengeschlechte als Riesenoperationen zu dessen Heil und Wohlfahrt anschreiben.—Wohl dem, der so sein kann!“
  • „Wer aber in seiner Demut erkennt, wo das alles hinausläuft, wer da sieht, wie artig jeder Bürger, dem es wohl ist, sein Gärtchen zum Paradiese zuzustutzen weiß, und wie unverdrossen auch der Unglückliche unter der Bürde seinen Weg fortkeucht, und alle gleich interessiert sind, das Licht dieser Sonne noch eine Minute länger zu sehn—ja, der ist still und bildet auch seine Welt aus sich selbst und ist auch glücklich, weil er ein Mensch ist. Und dann, so eingeschränkt er ist, hält er doch immer im Herzen das süße Gefühl der Freiheit, und dass er diesen Kerker verlassen kann, wann er will.“
    Der Schluss macht deutlich, dass Werther schon hier den Tod als eine Fluchtmöglichkeit sieht, wenn man seine Freiheit nicht anders bewahren kann.
  • 26. Mai:
  • Werther stellt Wahlheim als ein „Plätzchen“ vor, „das mich angezogen hat“ (13).
  • Hier gelingt es ihm auch wieder etwas zu zeichnen. Es geht um den Anblick eines Jungen, der sich um ein halbjähriges Geschwisterkind kümmert.
  • Und nachdem er einiges aus der Umgebung hinzgefügt hat: „…und fand nach Verlauf einer Stunde, daß ich eine wohlgeordnete, sehr interessante Zeichnung verfertiget hatte, ohne das mindeste von dem Meinen hinzuzutun. Das bestärkte mich in meinem Vorsatze, mich künftig allein an die Natur zu halten. Sie allein ist unendlich reich, und sie allein bildet den großen Künstler.“
  • Dann geht es um die Frage der Regeln, wie sie ja vor allem im Barock und in der Aufklärung in der Literatur eine große Rolle gespielt haben – und jetzt macht man sich im Sturm und Drang von ihnen frei. Interessant zunächst die Zustimmung zu Regeln bei Werther, dann aber auch eine Einschränkung und letztlich ihre Infragestellung.
  • „Man kann zum Vorteile der Regeln viel sagen, ungefähr was man zum Lobe der bürgerlichen Gesellschaft sagen kann.
  • Ein Mensch, der sich nach ihnen bildet, wird nie etwas Abgeschmacktes und Schlechtes hervorbringen, wie einer, der sich durch Gesetze und Wohlstand modeln lässt, nie ein unerträglicher Nachbar, nie ein merkwürdiger Bösewicht werden kann;
  • dagegen wird aber auch alle Regel, man rede was man wolle, das wahre Gefühl von Natur und den wahren Ausdruck derselben zerstören!“
  • Was wird dann am Beispiel der Liebe genauer erläutert mit dem Ergebnis: „mit seiner Liebe ist’s am Ende.“ (15)
  • 27. Mai
  • Hier liefert Werther mit der Tochter des Schulmeisters und ihren Kindern, die für ihn auf eine überzeugende Weise eine einfache, harmonische Lebensweise präsentieren:
  • „Ich sage dir, mein Schatz, wenn meine Sinne gar nicht mehr halten wollen, so lindert all den Tumult der Anblick eines solchen Geschöpfs, das in glücklicher Gelassenheit den engen Kreis seines Daseins hingeht, von einem Tage zum andern sich durchhilft, die Blätter abfallen sieht und nichts dabei denkt, als daaa der Winter kommt.“ (16)
  • 30. Mai:
  • Hier geht es um die aufrichtige Liebe eines Bauernburschen zu seiner Herrin, einer älteren Witwe: Werther sieht hier „die reine Neigung, die Liebe und Treue“ (18) eines Menschen.
  • Interessant die Bemerkung, dass Werther sich das Liebesbild dieser Frau nicht durch eigenes Kennenlernen verderben möchte:
    „Ich will nun suchen, auch sie ehstens zu sehn, oder vielmehr, wenn ich’s recht bedenke, ich will’s vermeiden. Es ist besser, ich sehe sie durch die Augen ihres Liebhabers; vielleicht erscheint sie mir vor meinen eigenen Augen nicht so, wie sie jetzt vor mir steht, und warum soll ich mir das schöne Bild verderben?“
    Auch das wieder ein Beispiel, wieviele Lebenserfahrung bereits in diesem Jugendwerk eines späteren Dichterfürsten steckt.