Worum es hier geht:
- Auf der Seite
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haben wir „kurz und knapp“ den Inhalt und wichtige Schlüsselzitate zum Roman „Nach Mitternacht“ zusammengestellt. - Auf dieser Seite geht es jetzt um Details:
- zum einen den inhaltlichen Aufbau – in Erzähl-Einheiten, anders kann man die Gedanken-Sprung-Pakete in diesem Roman kaum bezeichnen.
- Außerdem präsentieren wir Schlüsselzitaten und gehen jeweils auf ihre Bedeutung ein.
Eine sehr gute Basis für eine genauere Besprechung des Kapitels bzw. die Vorbereitung auf eine Klausur.
Noch ein Hinweis zu den Zitaten (abgekürzt: EB)
Wir nutzen das Kindle-E-Book – und bekommen folgende Information dazu:
– Nach Mitternacht: Roman | Neuausgabe im Rahmen von „Frankfurt liest ein Buch 2022“ von Irmgard Keun
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Erzähleinheiten und Schlüsselzitate
Einheit 1: Ankunft im Henninger-Bräu und erste Interaktionen
Dieser Abschnitt beschreibt die Szene nach einem öffentlichen Ereignis und die Rückkehr in den Gasthof, wo die Erzählerin und Gerti auf verschiedene Charaktere treffen, die stark von der nationalsozialistischen Ideologie geprägt sind.
Teileinheit 1.1: Das Geschehen nach dem Ereignis und das Betreten des Lokals
Beginnt mit: „Verstreut war…“
Schlüsselzitat: „Vorm Henninger-Bräu stießen Gerti und ich gleich auf den Kurt Pielmann, der aufgeregt war und in SA-Uniform.“1
Aussage: Dieses Zitat etabliert den Handlungsort (den Gasthof), führt wichtige Charaktere ein (Gerti, die Erzählerin, Kurt Pielmann in SA-Uniform) und signalisiert, dass politische Zugehörigkeit und Spannung von Anfang an präsent sind.
Schlüsselzitat: „Herr Kulmbach… hat den Führer schon viermal gesehen und könnte trotzdem nie genug von ihm kriegen. Kulmbachs Eltern haben ein kleines Wirtshaus im Taunus, da wäre der Führer vor Jahren auch mehrfach eingekehrt. Kulmbach erzählt oft davon, immer was anderes, und bei jeder Erzählung haben die Besuche des Führers sich gemehrt.“1
Aussage: Dies charakterisiert Herrn Kulmbach als einen fanatischen Anhänger des Führers, dessen Bewunderung sich in übertriebenen und zunehmend unglaubwürdigen Geschichten äußert („haben die Besuche des Führers sich gemehrt“). Es zeigt, wie die persönliche Identität durch die Nähe zum Regime und seinen Führer konstruiert wird, auch wenn diese nur eingebildet oder gelogen ist.
Teileinheit 1.2: Gertis politische Provokationen
Beginnt mit: „Ausgerechnet vor diesem…“1
Schlüsselzitat: „Gerade war Pielmann noch so selig über die Reichswehr, nun wird er damit gequält, indem Gerti sie schöner aussehend findet als die SA.“
Aussage: Dieses Zitat verdeutlicht Gertis provokantes Wesen, das gezielt die Rivalitäten innerhalb der nationalsozialistischen Organisationen (hier Reichswehr vs. SA) anspricht. Es zeigt ihre Ablehnung und den Wunsch, die Anhänger des Regimes herauszufordern.
Schlüsselzitat: „Daraufhin will Gerti diese Weltanschauung erklärt haben. Natürlich sagt Kurt Pielmann, wenn Gerti das nicht längst begriffen habe, könne man es ihr nicht erklären.“
Aussage: Hier wird die Leere und Irrationalität der „nationalsozialistischen Weltanschauung“ durch die Weigerung Pielmanns, sie zu erklären, dargestellt. Es wird als etwas Mystisches, nicht Logisches präsentiert, das „begriffen“, nicht verstanden werden muss, was den ideologischen Charakter unterstreicht.
Teileinheit 1.3: Gefährliche Kommentare und Reaktionen
Beginnt mit: „…an ihnen zu…“2 (Der Satzanfang befindet sich am Ende von1, der Inhalt setzt sich in2 fort.)
Schlüsselzitat: „Sie sagt, der Führer habe doch mal erklärt, daß die Juden alle nach Knoblauch riechen. Sie möchte nun bloß mal wissen, an wieviel Juden der Führer schon gerochen habe.“
Aussage: Dies ist eine äußerst gefährliche und sarkastische Frage, die die rassistische Propaganda des Regimes aufgreift und durch eine wörtliche Auslegung ad absurdum führt. Es zeigt Gertis Mut und ihre Verachtung für den Antisemitismus, aber auch die Gefahr, die von solchen Äußerungen ausgeht.
Schlüsselzitat: „Daraufhin Pielmann entsetzlich aufgeregt: wenn Gerti so sprechen könne, sei sie rassisch verseucht.“
Aussage: Dieses Zitat zeigt die extreme und biologistische Reaktion der Regimeanhänger auf jegliche Form der Kritik oder Abweichung. Abweichendes Denken wird als eine Art biologische Krankheit oder Kontamination („rassisch verseucht“) interpretiert, was die Verinnerlichung der Rassenideologie und die damit verbundene Gefahr verdeutlicht.
Einheit 2: Begegnung mit dem SS-Mann und Reflexion über die Gefahr
Dieser Abschnitt beleuchtet die direkte Konfrontation mit einem Vertreter der SS und die daraus resultierenden Gedanken über die allgegenwärtige Gefahr und die angebliche Macht des Führers.
Teileinheit 2.1: Die Annäherung des SS-Mannes und die Begründung der SS-Anstrengungen
Beginnt mit: „Ein SS-Mann vom…“2
Schlüsselzitat: „Ein SS-Mann vom Nebentisch kam uns nach und fragte sehr höflich, ob die Gerti nachher noch ein Glas Bier woanders mit ihm trinken könne oder ob sie gebunden sei…“
Aussage: Eingeführt wird ein Vertreter der SS als neuer Interaktionspartner. Dabei zeigt sich, wie selbst höfliche Annäherungen einen potenziellen Druck oder eine Bedrohung darstellen können, besonders wenn sie sich gezielt an Frauen richten.
Schlüsselzitat: „Der Führer hat es gewollt und den Einmarsch der Truppen befohlen, wodurch wir Menschen fast ohne Ahnung alle in der größten Gefahr schwebten. Vielleicht schweben wir weiter… Der Führer riskiert alles. Durch ein Wort kann er Krieg machen morgen und uns alle tot. Wir alle ruhen in des Führers Hand.“
Aussage: Dies ist ein innerer Monolog der Erzählerin, der das Gefühl der Ohnmacht und ständigen Bedrohung im Angesicht des Regimes und seines Führers ausdrückt. Es betont die absolute Macht Hitlers über Leben und Tod und die Verletzlichkeit der Bevölkerung.
Anmerkung zu der historischen Anspielung:
„Der Führer hat es gewollt und den Einmarsch der Truppen befohlen, wodurch wir Menschen fast ohne Ahnung alle in der größten Gefahr schwebten.“
Infos zur Besetzung des Rheinlandes 1936 durch die Wehrmacht, Ablauf, Hintergründe und Bedeutung
https://schnell-durchblicken.de/infos-zur-besetzung-des-rheinlandes-1936-durch-die-wehrmacht-ablauf-hintergruende-und-bedeutung
Teileinheit 2.2: Gertis riskantes Manöver, die Reaktion und die interne Hierarchie der NS-Organisationen
Beginnt mit: „Als er mal…“
Schlüsselzitat: „Immer hat sie Lust, gemein zu werden und die Nazis zu quälen, darum sagte sie zu dem SS: sie könne ihn nicht treffen, sie sei leider Jüdin. Das ist gar nicht wahr, nur aus Wut und Übermut und Besoffenheit sagte die Gerti das.“
Aussage: Zeigt erneut Gertis impulsive und gefährliche Natur. Die Behauptung, Jüdin zu sein, ist unter dem NS-Regime lebensgefährlich und wird hier als Mittel zur Abwehr eines unerwünschten Verehrers genutzt, was die extreme Verzweiflung oder Rücksichtslosigkeit angesichts der Situation illustriert.
Schlüsselzitat: „Ich sagte schnell, um die Situation nicht lebensgefährlich werden zu lassen: »Meine Freundin wollte ja nur einen Scherz machen – Sie haben natürlich gleich richtig gefühlt, daß sie keine Jüdin ist, aber sie sitzt mit einem befreundeten SA-Mann, dem ist sie verpflichtet.«“
Aussage: Die Erzählerin tritt hier als besonnenere Person auf, die versucht, die von Gerti geschaffene gefährliche Situation zu entschärfen. Sie nutzt eine Ausrede, die im Kontext der NS-Organisationen plausibel erscheint, und demonstriert damit die Notwendigkeit, ständig taktisch zu denken, um sich zu schützen.
Schlüsselzitat: „Etwas Besseres gibt es gar nicht, um einen SA-Mann zu versöhnen, weil er unter der Überlegenheit der SS leidet… Das Allerfeinste und Höchste ist jetzt die Reichswehr, so daß darunter auch wieder die SS leiden muß.“
Aussage: Bietet einen aufschlussreichen Einblick in die internen Spannungen und Hierarchien innerhalb der NS-Organisationen (SA, SS, Reichswehr). Es zeigt, dass es trotz der propagierten Einheit Eifersüchteleien und „Leiden“ untereinander gibt, was die komplexe soziale Dynamik innerhalb des Regimes verdeutlicht.
Einheit 3: Private Reflexionen auf der Toilette und Einführung von Frau Breitwehr
Dieser Abschnitt verlagert die Szene in einen privateren Raum, der jedoch ebenfalls von der politischen Realität durchdrungen ist, und führt eine neue wichtige Figur ein.
Teileinheit 3.1: Der Wandel des privaten Raums
Beginnt mit: „Die Toilette vom…“
Schlüsselzitat: „Früher war es immer so gemütlich, wenn zwei Mädchen mal gemeinsam auf die Toilette gingen… Jetzt ist die Politik auch in diese Luft eingedrungen.“
Aussage: Dieses Zitat beschreibt symbolisch, wie die politische Realität sogar die intimsten und privatesten Räume durchdringt und die Art der Gespräche verändert. Früher ging es um persönliche Dinge („Männer und Liebe“), jetzt ist die Politik allgegenwärtig.
Schlüsselzitat: „Gerti sagt: es sei schon viel wert, wenn auf so’ner Toilette keine Toilettenfrau sitze, der man Heil Hitler sagen müsse und dafür noch zehn Pfennig geben.“
Aussage: Ein kleines, aber prägnantes Beispiel dafür, wie das Regime selbst in den alltäglichsten Situationen (wie dem Toilettenbesuch) präsent ist und lästige, ideologisch aufgeladene Anforderungen stellt („Heil Hitler sagen“), was den Grad der Durchdringung des Lebens durch das Regime zeigt.
Teileinheit 3.2: Gertis Kummer und die Gefahr der Liebe unter dem Regime
Beginnt mit: „Jetzt heult die…“
Schlüsselzitat: „So ein Mädchen verliebt sich nun ausgerechnet in einen verbotenen Mischling, wo es doch immer noch Männer gibt, die von der Behörde erlaubt sind.“
Aussage: Dieses Zitat benennt explizit die rassistischen Gesetze des Regimes („verbotener Mischling“) und ihre Auswirkungen auf persönliche Beziehungen, die nun staatlicher Kontrolle unterliegen („von der Behörde erlaubt“). Es zeigt die Grausamkeit der Ideologie, die selbst die Liebe reglementiert und kriminalisiert.
Schlüsselzitat: „Man kann entmannt werden oder ins Gefängnis kommen, ehe man sich’s versieht… Und bei diesem Vorgang dürfen gesetzlich keine Fehler gemacht werden.“
Aussage: Unterstreicht die drastischen Konsequenzen („entmannt werden oder ins Gefängnis kommen“) für Verstöße gegen die Rassengesetze in Bezug auf Beziehungen. Es vermittelt das Gefühl der Angst und Unsicherheit, das Liebesbeziehungen in dieser Zeit umgibt.
Teileinheit 3.3: Einführung von Frau Breitwehr
Beginnt mit: „Ach, jetzt kommt…“
Schlüsselzitat: „Ach, jetzt kommt auch noch die Frau Breitwehr. Sitzt sie denn auch im Bräu? »Heil Hitler, Frau Breitwehr.«“
Aussage: Fügt eine neue Figur zur Szene hinzu und platziert sie sofort im Kontext des Lokals und der politischen Realität (durch die obligatorische Grußformel), was den Übergang zum nächsten Erzählstrang markiert.
Schlüsselzitat: „Wenn die Frau Breitwehr im Laden ist, hat man Angst vor ihr… Aber wenn die Frau Breitwehr ausgeht, hat sie was an sich, daß sie einem leid tut wie ein aus dem Nest gefallener verregneter Vogel.“
Aussage: Beschreibt die Figur Frau Breitwehr als widersprüchlich – furchteinflößend und streng in ihrem Geschäft, aber in sozialen Situationen fast bemitleidenswert. Dies deutet auf eine komplexere Persönlichkeit hin und vermeidet eine eindimensionale Darstellung.
Einheit 4: Die Geschichte von Frau Breitwehr (Der Silberfuchs und die Konkurrenz mit den Silias‘)
Dieser umfangreiche Abschnitt erzählt die Hintergründe der Figur Frau Breitwehr, insbesondere ihre Bemühungen, einen Silberfuchs-Pelzmantel zu erlangen, und ihre Beziehung und Rivalität zur Familie Silias. Er dient als Brücke zwischen den anfänglichen Interaktionen und der finalen Szene im Lokal.
Beginnt mit: „Aber wenn die…“ (Obwohl die Beschreibung von Frau Breitwehr in 3.3 beginnt, startet die detaillierte Geschichte ab diesem Punkt.)
Schlüsselzitat: „Er wollte ihr einen Silberfuchs zu Weihnachten schenken und hat ihr dann eine viel teurere Waschmaschine geschenkt – aus Angst, die Frau könne den Silberfuchs vielleicht später als leichtsinnige Ausgabe ansehen.“
Aussage: Zeigt die ambivalente Beziehung und die Kommunikationsprobleme zwischen Frau Breitwehr und ihrem Mann. Es illustriert, wie materielle Wünsche (Luxusgut) und praktische Überlegungen aufeinanderprallen und zu Verheimlichung und Umwegen führen.
Schlüsselzitat: „Dann hat die Frau Breitwehr angefangen, sich immer heimlich was aus der Ladenkasse beiseite zu legen, um Gottes willen durfte der Mann nichts merken. Als sie glücklich genug Schmu gemacht hatte…“
Aussage: Enthüllt Frau Breitwehrs Bereitschaft, kriminelle Handlungen (Diebstahl aus der eigenen Kasse) zu begehen, um ihren Wunsch zu erfüllen. Es zeigt ihre Besessenheit von dem Pelz und die moralischen Kompromisse, die sie eingeht.
Schlüsselzitat: „Der Herr Silias ist vor kurzem Amtswalter geworden und Blockwart, das ist eine Ehre und ein Genuß für einen ehrgeizigen Menschen, aber verdienen kann man nicht viel damit… Er braucht so ein Gefühl ganz besonders, weil er erst nach dem Umsturz, im letzten Augenblick, in die Partei eingetreten ist…“
Aussage: Stellt Herrn Silias als aufstrebenden, aber finanziell überforderten Parteifunktionär dar, dessen Ehrgeiz („Ehre und Genuß“) und Bedürfnis nach Zugehörigkeit („Gefühl als Kämpfer und Mitglied der Bewegung“) durch seine späte Parteimitgliedschaft motiviert sein könnte. Es zeigt, wie Parteipositionen soziale Anerkennung versprechen, aber nicht unbedingt finanziellen Wohlstand.
Schlüsselzitat: „Und die Frau Silias ließ bei den Breitwehrs anschreiben, weil sie ihren Mann heldenhaft findet und die Bewegung auch… Und die Frau Amtswalter Silias, die instruiert war, mußte nun so tun, als habe sie einen alten billigen unechten Silberfuchs zu verkaufen. Den sollte sie der Frau Breitwehr angeblich geben wollen, um damit einen kleinen Teil ihrer Schulden… zu decken.“
Aussage: Zeigt die Verflechtung von politischer Überzeugung („findet ihren Mann heldenhaft und die Bewegung auch“), finanzieller Not und strategischer Kooperation. Es enthüllt die Inszenierung des Verkaufs des „falschen“ Pelzes als Mittel, Frau Breitwehr eine Möglichkeit zur Rechtfertigung ihres Geldes zu geben und gleichzeitig die Schuld der Silias’s zu verdecken.
Schlüsselzitat: „Außerdem mußten beide sich auch gegenseitig helfen, weil sie beide in der NS-Frauenschaft sind. Da müssen sie kämpfen und an das Gemeinwohl denken und sich auf deutsche Art verbunden fühlen…“
Aussage: Beschreibt die offizielle Erwartung der Solidarität und des Zusammenhalts innerhalb der NS-Organisationen, die jedoch hier für eigennützige Zwecke (Verdeckung des Betrugs) instrumentalisiert wird, was die Kluft zwischen Ideologie und persönlichem Handeln zeigt.
Schlüsselzitat: „Daraufhin ist die Frau Breitwehr ins Pelzhaus Godenheimer gegangen, obwohl das ein jüdisches Geschäft ist und es immer heißt: eine deutsche Frau kauft nicht bei Juden.“
Aussage: Dies ist ein entscheidendes Zitat, das die Heuchelei und den Pragmatismus der Figur und des Umfelds aufzeigt. Frau Breitwehrs persönlicher Wunsch (der Pelz) ist stärker als die offizielle Propaganda und das Verbot, bei Juden zu kaufen. Es zeigt, wie individuelle Interessen die Ideologie im Alltag untergraben können.
Schlüsselzitat: „Als sie nun hörte, der Führer komme nach Frankfurt, bemühte sie sich sehr, daß ihre Maria Reihendurchbrecherin werde. Aber die Silias wollten, daß ihr kleines Bertchen Reihendurchbrecherin werde… Mariechen Breitwehr ist ein schöneres Kind als das Bertchen und wäre auch genommen worden, aber die Frau Breitwehr mußte ihr Kind freiwillig zurückziehen. Der Silberfuchs ist ihr zum Fluch geworden.“
Aussage: Enthüllt die Rivalität zwischen den Müttern um die prestigeträchtige Aufgabe, dem Führer Blumen zu überreichen. Es zeigt, wie Kinder für den Ehrgeiz und die soziale Position der Eltern instrumentalisiert werden. Zudem wird klar, dass Frau Breitwehr durch ihr Geheimnis (Der Diebstahl und der Kauf bei Juden) von Frau Silias erpressbar ist und deshalb nachgeben musste.
Einheit 5: Rückkehr an den Tisch im Lokal und die Familie Silias
Der Fokus verlagert sich zurück zur Szene im Gasthof, wo die Erzählerin und Gerti zu den Familien Breitwehr und Silias stoßen. Die Familie Silias, insbesondere die Tochter Bertchen, steht im Mittelpunkt, ebenso wie die gescheiterte Blumenübergabe an den Führer.
Teileinheit 5.1: Das Zusammentreffen am Tisch und Herr Silias‘ Auftreten
Beginnt mit: „Wir haben uns…“
Schlüsselzitat: „Wir haben uns an den Tisch gesetzt zu Silias‘ und Breitwehrs. Eine ganze Menge SA- und SS-Leute sitzen auch da.“
Aussage: Markiert die Rückkehr zum Hauptschauplatz und versammelt die verschiedenen Charaktere. Die Anwesenheit von SA und SS unterstreicht die politisch aufgeladene Atmosphäre des Lokals.
Schlüsselzitat: „Der Herr Amtswalter Silias gibt ungeheuer an. Er ist dick, bleich, speckig, hat dunkle Haarspuren auf einer breiten gelben Glatze. Seine Augen funkeln wie schwarze Käfer.“
Aussage: Eine bildhafte und kritische Beschreibung von Herrn Silias, die sofort seinen Charakter als prahlerisch („ungeheuer an“) und unangenehm etabliert. Es zeigt, wie die Erzählerin ihre Umgebung wahrnimmt und beschreibt.
Schlüsselzitat: „Wo ist denn Bertchen?« Bertchen rast im Lokal herum, immer den Blumenstrauß im Arm. Ganz welk ist der Flieder schon und etwas gelblich. Aber man sieht, daß er teuer war.“
Aussage: Stellt Bertchen und den Blumenstrauß ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Der welkende Zustand des Straußes, trotz seines Preises, kann als subtiles Symbol für das Scheitern oder die Vergeblichkeit der damit verbundenen Hoffnungen und Anstrengungen gelesen werden.
Teileinheit 5.2: Beschreibung von Bertchen und den Bemühungen der Eltern
Beginnt mit: „Wie lange braucht…“
Schlüsselzitat: „Ihre dünnen blonden Härchen hat die Frau Silias ihr gestern abend mit Wasser angefeuchtet und in unzählige winzige Zöpfchen geflochten, mindestens drei Stunden hat sie daran gearbeitet, alles hat sie für das Kind getan.“
Aussage: Veranschaulicht den immensen Aufwand und die Erwartungen, die Frau Silias in das Aussehen ihrer Tochter für das wichtige politische Ereignis investiert hat. Es zeigt die elterliche Ambition, die das Kind zur Schau stellt.
Einheit 6: Bertchens Gedichtvortrag
Dieser Abschnitt fokussiert auf Bertchen, ihre Gesundheit und den Höhepunkt des Abends für die Familie Silias: den Vortrag des Gedichts, das für den Führer bestimmt war.
Beginnt mit: „Still und stolz…“
Schlüsselzitat: „Bertchen muß heiße Milch mit etwas Cognac drin trinken. Sie sei so erkältet gewesen, sagt Frau Silias… »Stecken Sie das Kind lieber ins Bett, Frau Silias«, hatte die Frau Breitwehr heute morgen noch geraten. Das hätt‘ die Frau Silias ohnehin fast getan, aber weil ausgerechnet die Frau Breitwehr dazu riet, tat sie es nicht, um ihr keinen Triumph zu lassen.“
Aussage: Zeigt Bertchens angegriffene Gesundheit, die durch den Stress verschlimmert wird, und offenbart die tiefe Feindschaft und Rivalität zwischen Frau Silias und Frau Breitwehr. Selbst vernünftige Ratschläge werden aus Groll und dem Wunsch, der anderen keinen „Triumph zu lassen“, ignoriert, wobei das Wohlergehen des Kindes zweitrangig wird.
Schlüsselzitat: „Herr Silias strahlt. Bertchen soll das Gedicht aufsagen… »Mein Mann hat so eine dichterische Ader«, sagt die Frau Silias, die sonst nicht viel sagt.“
Aussage: Betont den Stolz und die Erwartungen der Eltern, die Bertchen als Mittel zur Selbstdarstellung nutzen. Herr Silias‘ Stolz auf sein Gedicht und Frau Silias‘ seltene Prahlerei unterstreichen, wie das Kind zum Instrument elterlichen Ehrgeizes wird.
Schlüsselzitat: „Ich bin ein deutsches Mägdelein und künftges deutsches Mütterlein und bringe dir, o Führer mein, aus deutschen Gauen Blümelein. Du schenktest wieder uns das Heer und gabst den Deutschen ihre Ehr… Wir fürchten niemals einen Feind, du hast das deutsche Volk vereint… Meinen Führer ein dreifaches Siegheil, Siegheil, Siegheil!“
Aussage: Der Inhalt des Gedichts selbst ist ein Paradebeispiel nationalsozialistischer Indoktrination. Es definiert die Rolle des deutschen Mädchens (zukünftige Mutter), preist den Führer für die Wiederherstellung des Militärs und der nationalen Ehre, propagiert Einheit und Feindesverachtung und endet mit enthusiastischen Huldigungen. Es zeigt die Verinnerlichung der Ideologie bis in die Kinderwelt.
Schlüsselzitat: „Die Frau Breitwehr kann sich nicht mehr halten vor Ärger und sagt zu ihrem Mann: sie habe nun bald genug und möchte gehen.“
Aussage: Veranschaulicht die Eifersucht und den Groll Frau Breitwehrs angesichts des scheinbaren Triumphs der Familie Silias. Es verstärkt das Thema der persönlichen Rivalitäten, die unter der Oberfläche der erzwungenen nationalen „Einheit“ brodeln.
Einheit 7: Der Höhepunkt und das Ende
Dieser finale Abschnitt beschreibt das plötzliche, tragische Ereignis, das die Szene dominiert, und die unmittelbaren, fast emotionslosen Reaktionen der Umstehenden.
Beginnt mit: „…aus deutschen Gauen —„
Schlüsselzitat: „Auf einmal liegt der große weiße Fliederstrauß auf dem Tisch, Biergläser fallen um, der Flieder schwimmt in Schnaps und Bier. Auf dem Strauß liegt Bertchen wie auf einem Bett, vergraben das Gesicht in den feuchten welken Blüten.“
Aussage: Eine dramatische und symbolisch aufgeladene Szene. Bertchens Kollaps auf den verwelkten Blumen, umgeben von verschütteten Getränken, ist ein starkes Bild für das Scheitern der mit den Blumen verbundenen Hoffnungen und die unordentliche, tragische Realität, die die inszenierte Perfektion durchbricht. Die Beschreibung als „Bett“ verleiht der Szene eine makabre Poesie.
Schlüsselzitat: „Ihr Gesicht ist bläulich weiß, ihre Hände sind zu starren kleinen Fäusten geballt.“
Aussage: Die physische Beschreibung von Bertchens Zustand unterstreicht die Ernsthaftigkeit der Situation und zeigt die extreme Belastung, der das Kind ausgesetzt war.
Schlüsselzitat: „»Exitus«, sagt er leise. »Tot«, sagt er lauter.“
Aussage: Die nüchterne Feststellung des Arztes beendet abrupt die Hoffnungen und die Aufregung des Abends und stellt den tragischen Höhepunkt dar: Bertchens Tod.
Schlüsselzitat: „»Siebenundvierzig Mark macht die Rechnung«, sagt neben mir der Wirt zum Kellner, »an wen soll man sich jetzt damit wenden?«“
Aussage: Dieses letzte Zitat ist ein schockierender Kontrast zur menschlichen Tragödie. Die unmittelbare Sorge um die Rechnung und das Geld inmitten des Schocks und des Schreis der Mutter zeigt eine zynische Gleichgültigkeit oder Pragmatik, die den Leser irritiert zurücklässt und die entmenschlichenden Auswirkungen der Umgebung oder der Umstände betont.
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