Günter Kunert, „Stiefel“ – Vorstellung und Interpretation einer satirischen Kurzgeschichte (Mat7393)

Kunerts Kurzgeschichte und wir heute


Zunächst unsere Vorüberlegungen

Auf diese sehr interessante parabelartige Geschichte sind hier hier gestoßen.

Günter Kunert, “Stiefel”: Satirische Kurzgeschichte über einen Mann, der genagelte Stiefel trägt und von ihnen dazu gebracht wird, ständig zu marschieren. Dabei tritt er anderen nicht nur auf die Füße, sondern verletzt oder tötet sie sogar. Als er schließlich zur Verantwortung gezogen wird, behauptet er, an den Untaten seien nur die Stiefel schuld. Schließlich lässt man ihn laufen, als er darauf hinweist, dringend die Fußbekleidung zu brauchen und sie ab jetzt auch zu kontrollieren. Bald entdeckt man aber wieder ein zertretenes Kind und fragt sich, wie es umgekommen sein könnte. Dabei taucht die Überlegung auf, es könnte ein weiterer Mann sein Unwesen treiben, der seinen Stiefeln hilflos ausgeliefert ist.
Die naheliegende Frage, ob der erste Mann sein Versprechen nicht halten konnte, stellt man nicht.
Ganz offensichtlich bezieht sich die Geschichte auf alle gewalttätigen Aktionen, bei denen Menschen umkommen – wohl vor allem im Krieg. Interessant ist der Hinweis am Anfang, der sich mit einer “sagendunklen Historie von den roten Schuhen” beschäftigt”, ‘”die ihre Trägerin zu unaufhörlichem Tanz zwangen”. Das kann eine Anspielung auf eine rote Revolution im Sinne von Karl Marx sein, der ja die Verhältnisse “zum Tanzen” bringen wollte.
Letztlich wird kritisiert, dass man solche Menschen einfach mit dem Hinweis davon kommen lässt, sie seien nicht schuld und andere hätten so etwas auch schon gemacht, so dass sie ihr Unwesen weiter treiben können.

Dann eine ausführliche Übersicht über wichtige Aspekte

Einleitung

Günter Kunerts Kurzgeschichte „Stiefel“ thematisiert auf satirische und kritische Weise die Verantwortung des Individuums für sein Handeln und dessen Neigung, Schuld auf äußere Umstände abzuwälzen. Sie spiegelt gesellschaftliche und historische Mechanismen wider, insbesondere im Kontext von Gewalt, Macht und moralischer Verantwortung.


Inhaltsangabe

  • Ein junger Mann trägt genagelte Stiefel, die ihn zu unaufhörlichem Marschieren zwingen.
  • Sein Weg führt ihn durch verschiedene Regionen Europas und darüber hinaus, wo er mit seinen Stiefeln großen Schaden anrichtet.
  • Er verletzt Menschen schwer, indem er ihnen auf die Köpfe tritt und Schädel zermalmt.
  • Nachdem er eingefangen wird, behauptet der junge Mann, die Stiefel seien schuld an seinen Taten, nicht er selbst.
  • Er distanziert sich von den Stiefeln und verurteilt sie scharf, um sich von der Verantwortung zu befreien.
  • Dennoch erklärt er, dass er barfuß nicht weitergehen könne und darum wieder auf die Stiefel angewiesen sei.
  • Mit einem erneuten Versprechen, die Stiefel verantwortungsvoll zu nutzen, bekommt er sie zurück.
  • Kurz darauf wird ein Kind auf einer Landstraße tot aufgefunden, wobei ein Zusammenhang mit den Stiefeln des Mannes vermutet wird.

Aussagen der Geschichte und sprachliche Mittel

  1. Die Geschichte verdeutlicht die Neigung des Menschen, Verantwortung auf äußere Umstände abzuwälzen.
    • Der junge Mann behauptet, dass allein die Stiefel für die begangenen Taten verantwortlich seien.
    • Sprachliches Mittel: Ironie – seine scheinbar reuige Rede und die Aussage „Nieder mit den bösen Sohlen!“ betonen seine Verlogenheit.
  2. Die Geschichte kritisiert blinden Gehorsam und den Missbrauch von Macht.
    • Der Protagonist marschiert unentwegt und fügt anderen Leid zu, ohne innezuhalten. Dies symbolisiert das Folgen von Befehlen oder Ideologien ohne moralische Reflexion.
    • Sprachliches Mittel: Symbolik – Die Stiefel stehen für militärischen Zwang und Gewalt.
  3. Die Geschichte zeigt die Gefahr von leeren Versprechungen und mangelnder Reue.
    • Der junge Mann erhält die Stiefel zurück, nachdem er scheinbar Einsicht gezeigt hat, setzt aber seine zerstörerische Handlungsweise fort.
    • Sprachliches Mittel: Paradoxon – Obwohl der Mann gelobt, die Stiefel kontrollieren zu können, geschieht erneut ein Unglück.
  4. Die Erzählung warnt vor der Verantwortungslosigkeit der Gesellschaft.
    • Indem der Mann wieder in die Stiefel schlüpfen darf, zeigt sich die Blindheit oder Bequemlichkeit seiner Mitmenschen.
    • Sprachliches Mittel: Gesellschaftskritische Metapher – Die Erlaubnis, die Stiefel wieder zu tragen, steht für das Versagen sozialer Kontrolle.
  5. Die Geschichte reflektiert das wiederkehrende Wesen von Gewalt und Unterdrückung.
    • Das Kind am Ende deutet darauf hin, dass die zerstörerischen Mechanismen weitergehen, möglicherweise sogar durch andere.
    • Sprachliches Mittel: Offenes Ende – Die letzte Andeutung bleibt unklar, was die Unausweichlichkeit der Thematik verstärkt.

Interpretation

Kunerts „Stiefel“ kann als Allegorie auf historische und gesellschaftliche Verfehlungen gelesen werden, insbesondere auf totalitäre Regime, Krieg und das Nachwirken ideologischer Gewalt.

Bedeutung für Schüler und Schülerinnen:

  • Die Kurzgeschichte regt dazu an, über persönliche Verantwortung und Schuld nachzudenken, auch im Alltag.
  • Sie verdeutlicht die Konsequenzen von blindem Gehorsam und unreflektiertem Handeln.
  • Sie sensibilisiert dafür, wie leicht man sich von äußeren Umständen oder Gruppenzwängen beeinflussen lässt, anstatt eigenständig moralisch zu handeln.
  • Das offene Ende lädt dazu ein, über die Verantwortung der Gesellschaft nachzudenken und wie jeder Einzelne zu einer besseren Gemeinschaft beitragen kann.

Abschließende Kurzbemerkung zur Bedeutung der Geschichte

Kunerts Botschaft bleibt somit universell und zeitlos – ein Aufruf zur Selbstreflexion und Wachsamkeit gegenüber den eigenen Handlungen und ihrer Wirkung auf andere.

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