Lars Krüsand, „Intelligenz und Bildung schützen nicht vor jeder Dummheit“ (Mat721-ibd)

Lars Krüsand

Intelligenz und Bildung schützen nicht vor jeder Dummheit

Dietrich Bonhoeffer, der Theologe und Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime, erkannte in seinen Haftbriefen eine erschreckende Wahrheit: Die größte Gefahr für die Menschheit liegt nicht in der Bosheit, sondern in einer Form der Dummheit, die sich mit Überzeugung, ja sogar Stolz, als richtig empfindet – und gerade deshalb so gefährlich ist.

Diese Art von Dummheit hat nichts mit mangelnder Intelligenz zu tun. Bonhoeffer sah sie bei hochgebildeten Menschen, die fähig waren, komplexe Sachverhalte zu verstehen – und sich doch freiwillig einer vereinfachten Sichtweise unterwarfen. Es handelt sich um eine Art freiwilliger Blindheit gegenüber unbequemen Wahrheiten.

Kennzeichen dieser gefährlichen Dummheit können sein:

  • Eine feste Überzeugung, dass nur die anderen irren – nie man selbst.
  • Die Unfähigkeit oder der Unwille, andere Meinungen überhaupt zu prüfen.
  • Eine starke Orientierung an Gruppenmeinungen – oft aus Angst vor Ausgrenzung.
  • Die Verwendung von Bildung und Argumentation nicht zur Erkenntnis, sondern zur Selbstbestätigung.
  • Der Verlust des Gespürs für Wahrheit als etwas Prüfbares – ersetzt durch bloße Gefolgschaft.

Aber es gibt Wege, sich zu schützen. Bonhoeffer selbst sprach von innerer Unabhängigkeit, von Integrität und dem Mut, sich der Wahrheit auch dann zu stellen, wenn sie unbequem ist. Hilfreich sind: persönliche Reflexion, echte Diskussionen, das bewusste Einüben von Perspektivwechseln – und nicht zuletzt Gemeinschaften, in denen das Nachdenken über die Welt geschätzt wird. Wer Fragen ernst nimmt und sich nicht vorschnell zufrieden gibt, ist schon auf einem guten Weg.

Mögliche Aufgaben zu diesem Text

Aufgabenbereich A: Verstehen und strukturieren
  1. Markiere im Text die Stellen, in denen deutlich wird, dass Dummheit für Bonhoeffer kein intellektuelles, sondern ein moralisches Problem ist.

  2. Fasse mit eigenen Worten zusammen, warum Bonhoeffer Bildung allein nicht für ausreichend hielt, um vor gefährlicher Dummheit zu schützen.

  3. Erkläre mithilfe der Stichpunkte im mittleren Abschnitt, was mit „freiwilliger Blindheit“ gemeint sein könnte.

  4. Erstelle eine Mindmap, in der du die Ursachen, Erscheinungsformen und Folgen der beschriebenen Form von Dummheit übersichtlich darstellst.

  5. Formuliere eine These, die die Hauptaussage des Textes in einem prägnanten Satz zusammenfasst. Begründe deine Wahl.


Aufgabenbereich B: Nachdenken und übertragen
  1. Denk an eine Situation, in der du selbst erlebt hast, dass Menschen sich einer unbequemen Wahrheit verweigert haben – im Alltag, in der Schule oder in den Medien. Beschreibe sie knapp und erkläre, wie sie zu Bonhoeffers Überlegungen passt.

  2. Gibt es Gruppen, Trends oder Kommunikationsformen, bei denen du das Gefühl hast, dass Nachdenken eher verhindert als gefördert wird? Sammle Beispiele und bewerte sie im Hinblick auf Bonhoeffers Sicht.

  3. Überlege, was dich persönlich davor schützt, vorschnell einer Meinung zu folgen, nur weil viele sie vertreten. Welche Rolle spielen Freunde, Familie, Schule – oder du selbst?

  4. Stell dir vor, du gründest eine „Gemeinschaft der Vernunft“ in deiner Schule. Was wären deren Regeln? Wer dürfte mitmachen? Was wäre das Ziel?

  5. Beziehe Stellung: Findest du Bonhoeffers Gedanken eher übertrieben – oder gerade heute besonders wichtig? Schreibe ein kurzes Statement (ca. 150 Wörter).

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