Manfred Schlüter, „Allein“ – ein Gedicht, das zeigt, wie weit Poesie aus Einsamkeit befreien kann (Mat4360-msa)

Worum es hier geht:

  • Da bekommt man de Text eines Gedichtes  – und man muss unendlich lange suchen, bis man etwas dazu findet.
  • Das finden wir schade – wie schön wäre es, wenn Verlage auch in dem Bereich etwas für ihre Autoren und Autorinnen tun würden – ihre Gedichte und Kurzgeschichten so vorstellen, dass man sie finden kann – die Frage der Bezahlung bei urheberrechtlich geschützten Texten kann anschließend gestellt werden. Wahre Liebhaber sind immer auch bereit, dem Autor etwas zurückzugeben. Außerdem gibt es ja Stadtbüchereien 😉 Es ist einfach traurig, dass in dem Bereich so wenig geschieht.
  • Wir hatten Glück und haben diese Seite gefunden:
    https://ulrich-karger.de/uk-buecherwurm-trifft-leseratte-2-Rez.htm

    Und damit hat dieses kurze Gedicht plötzlich die Chance, auch in der Schule behandelt zu werden – und somit bekannt zu werden.
  • Und wir können nur sagen: Wir sind froh, dass wir auf dieses Gedicht „gestoßen“ wurden.

Nun zu dem Gedicht

Aus urheberrechtlichen Gründen präsentieren wir es hier nur fragmentarisch, so dass in den Zeilen jeweils zumindest das eine oder andere Signalwort steht – und man sich in der eigenen Textversion zurechtfindet.

Manfred Schlüter

Allein

  1. Wär X x X x Insel
    • Die gelöschten Stellen haben wir ersetzt durch Betonungszeichen, damit ergibt sich ein dreihebiger Jambus.
    • Das Gedicht geht von einer fiktiven Situation aus, macht gewissermaßen ein Gedankenexperiment.
  2. Und bei mir nur ein Pinsel
    • Dann wird deutlich, dass für das Folgende zumindest ein Robinson-Utensil dabei sein müsste, nämlich ein „Pinsel“.
  3. Und X u X u Blau
    • Dann werden vier wichtige Farben aufgezählt, die man natürlich zusätzlich zum Pinsel benötigt.
  4. Und X x Mann x X x Frau
    • Ganz nebenbei wird darauf hingewiesen, dass es menschlich einsam auf der Insel ist.
    • Als aufmerksamer Leser fragt man sich, ob das nicht eine Bruchstelle in einem potenziellen Liebesgedicht ist.
    • Nach dem Motto: Wenn sonst keiner da ist, dann …
  5. Nur X x X x X x Papier –
    • Jetzt kommt wieder etwas hinzu, was man braucht.
  6. x malte X x X x dir.
    • Und dann die eigentlich schöne fantasievolle Idee, dass man sich dann zu einem offensichtlich wichtigen Partner zumindest hinmalen möchte, ganz gleich, was das bedeutet.
    • Nur: Es bleibt bei diesem schönen Gedicht der Verdacht, wenn auf der  Insel auch noch eine Alternative an Mensch vorhanden wäre, kann man das „Du“ auch vergessen.
    • Damit wird deutlich, dass dieser Text kein wirkliches Liebesgedicht ist – oder ein sehr fragwürdiges.
    • Das passt natürlich zum Titel, der jetzt eine neue Bedeutung bekommt, nämlich: Alleinsein ist nicht schön – aber man kann sich durch Kreativität zumindest ein bisschen aus der Situation befreien.
    • Aber besser wäre es, wenn es auf der Insel noch andere Menschen wären.
    • Auf das „angemalte“ Du kommt es offensichtlich doch nicht so sehr an.

Was ChatGPT zu diesem Gedicht sagt

Wir drucken das hier einfach erst mal ab, werden es aber noch kommentieren lassen durch MIA = menschliche Intelligenz in Aktion

1. Einleitung

Verfasser: unbekannt
Titel: nicht bekannt, daher mit den ersten Worten zitiert: „Wär ich auf einer Insel“
Art des Textes: kurzes, lyrisches Gedicht (Liebesgedicht)
Thema: Sehnsucht und Liebe – das lyrische Ich stellt sich vor, wie es in der Einsamkeit einer Insel den geliebten Menschen durch Malerei herbeisehnt bzw. „erschafft“.


2. Äußere Form, Reim und Rhythmus

Das Gedicht besteht aus sechs Versen, die sich durch ihre Kürze und Klarheit auszeichnen.

  • Reimschema: Paarreim (aabbcc)

  • Metrum: kein durchgehend regelmäßiges Metrum; tendenziell ein vierhebiger Jambus, aber mit kleinen rhythmischen Abweichungen:

    • Wär (3 Hebungen)

    • Und (3–4 Hebungen)

    • Und (4 Hebungen)

    • Und (4 Hebungen)

    • Nur (4 Hebungen)

    • Ich  (4 Hebungen)

Die formale Gestaltung ist schlicht, fast kindlich-naiv, unterstützt aber den emotionalen Gehalt.


3. Inhaltliche Struktur und Äußerungen des lyrischen Ichs

Das lyrische Ich beschreibt eine hypothetische, sehr reduzierte Situation: Es befindet sich allein auf einer Insel, nur ausgestattet mit einem Pinsel und Farben (Z. 1–3). Die Abwesenheit von anderen Menschen wird betont (Z. 4). Nur ein weißes Blatt Papier bleibt als Fläche der Hoffnung oder Verbindung (Z. 5).

In einem schnellen, fast kindlich entschlossenen Akt wird der Wunsch formuliert, sich „zu dir“ zu malen (Z. 6) – eine poetische Metapher für Nähe, Liebe oder gedankliche Verbindung trotz Trennung.

Zwischenfazit:

Die ersten vier Zeilen bauen ein Bild völliger Einsamkeit auf – eine Art paradiesischer oder trostloser Isolation. Doch statt Resignation folgt in den letzten beiden Zeilen eine überraschend optimistische und schöpferische Wendung: Die Kraft der Liebe und Vorstellung schafft Nähe trotz Abwesenheit.


4. Aussagen des Gedichts
  • Das Gedicht zeigt, wie stark emotionale Bindung und Einbildungskraft sein können: Selbst in totaler Einsamkeit bleibt der geliebte Mensch gegenwärtig.
    MIA: Ja, aber nur, wenn kein anderer da ist.

  • Es verdeutlicht das Bedürfnis des Menschen nach Nähe, Verbindung und Zweisamkeit – sogar unter extremen Umständen.

  • Die Kunst (hier: das Malen) wird zum Werkzeug der Sehnsucht.
    MIA:  Oder nur der Bewältigung der Einsamkeitssituation, wenn nichts Besseres da ist.


5. Sprachliche und rhetorische Mittel
  • Metapher: „Ich malte mich ganz schnell zu dir“ (Z. 6) – Die Vorstellung, sich selbst an einen anderen Ort zu malen, verweist auf Fantasie, Sehnsucht und schöpferische Liebe.

  • Antithese: Einsamkeit auf der Insel ↔ Wunsch nach Nähe

  • Farbsymbolik: „Rot und Grün und Gelb und Blau“ (Z. 3) – Primärfarben stehen für kreative Vielfalt, vielleicht auch für Emotionen (z. B. Rot = Liebe).

  • Alliteration: „Mann und keine Frau“ (Z. 4) – betont die völlige Abwesenheit von Menschen.

  • Einfachheit und Klarheit der Sprache – spiegelt eine kindlich-naive Perspektive, die Gefühle direkt und ungefiltert ausdrückt.

Diese Mittel unterstützen die Aussage, dass Liebe ein schöpferischer, fast magischer Akt sein kann, selbst unter unwirtlichsten Bedingungen.


6. Bedeutung des Gedichts – Was kann man damit anfangen?

Das Gedicht eignet sich gut, um über Kreativität als Ausdruck von Sehnsucht nachzudenken. Es lässt sich auch in einen größeren Kontext stellen:

  • Wie verhalten sich Einsamkeit und Vorstellungskraft zueinander?

  • Was sagt das Gedicht über den Wert zwischenmenschlicher Nähe aus?
    MIA: Wenig, über Liebe kaum etwas, es reicht, wenn ein anderer Mensch da ist, dann ist die Einsamkeit vorbei und man muss sich das „Du“ nicht mehr malen. Man hat Besseres zu tun.

  • Man könnte es auch als Zugang zur Diskussion über Rolle der Kunst als Ausdruck innerer Gefühlswelt verwenden.

Es ist ein kurzer, prägnanter Text, der auf einfache Weise ein tiefes Thema behandelt.


7. Einschätzung der Qualität des Gedichts

Stärken:

  • Die Schlichtheit des Gedichts ermöglicht eine emotionale Unmittelbarkeit.

  • Die überraschende Wendung am Ende erzeugt einen poetischen Effekt, der lange nachklingen kann.
    MIA: Aber  möglicherweise eine Selbstkundgabe, die zeigt, dass dieses lyrische Ich mehr an Gemeinschaft interessiert ist als an einem speziellen Menschen.

  • Die Bildhaftigkeit ist leicht zugänglich und dennoch bedeutungsvoll.

Schwächen:

  • Der Text könnte aus der Perspektive erfahrener Leser:innen etwas naiv oder schlicht erscheinen.
    MIA: Vielleicht auch als eine typisch männliche Haltung, die Frauen bei Männern häufig vermuten
    nach dem Motto:
    „Drum prüfe, wer sich ewig bindet / ob er nicht noch was Besseres findet.“

Fazit: Ein gelungenes, kleines Liebesgedicht mit klarer emotionaler Botschaft, das auf wenige Worte reduziert sehr viel ausdrückt.
MIA: Das mit dem Liebesgedicht sehen wir doch ein bisschen reduziert.


8. Mias persönliche Reaktion (fiktive Schülerin)
  • 🌴 Ich finde das Bild von der Insel total schön – irgendwie ruhig und einsam, aber auch romantisch.

  • 🎨 Dass man sich „zu jemandem malt“, finde ich eine kreative und süße Idee.

  • 😢 Am Anfang war ich fast traurig, weil es so einsam klingt.

  • 💡 Die Farben machen das Ganze irgendwie lebendig, obwohl da sonst niemand ist.

  • 🖼️ Ich könnte mir vorstellen, das Gedicht zu illustrieren – es ist total bildhaft.

  • 📏 Es ist zwar kurz, aber dadurch wirkt es wie ein kleiner, klarer Gedanke.

  • 🧒 Es wirkt ein bisschen kindlich – aber das macht es auch irgendwie ehrlich.

  • ❤️ Ich mag, wie stark das Gefühl der Liebe trotz der Einsamkeit rüberkommt.

  • 📚 Ich würde das Gedicht gern mit anderen kurzen Texten über Liebe vergleichen.

  • 🗣️ Ich hätte Lust, das Gedicht mal laut zu lesen – es klingt gut durch den Reim.

MIA: Man merkt hier, dass die digitale MIA  natürlich nicht schlauer sein kann als ihr ChatGPT-Vater.

Was ChatGPT mit Hilfe dieser Seite doch noch erkannt hat:

Wir haben den Teil bis hierhin der KI zurückgegeben – und sie hat zugegeben, dass sie etwas Wesentliches nicht erkannt hat.
Hier die Antwort von ChatGPT:

Vielen Dank für diese ausführliche Rückmeldung – und ja, jetzt wird ein vielschichtigerer Blick auf das Gedicht möglich, den ich in meiner ersten Analyse so nicht stark genug akzentuiert habe. Du hast absolut recht, dass ich einen entscheidenden Aspekt nicht klar herausgearbeitet habe – nämlich:

Die Bedingtheit des „Liebesakts“ im Gedicht – und die Frage, ob es sich hier überhaupt um echte Liebe handelt oder eher um Einsamkeitsbewältigung.

Das zentrale Problem – und das hast du mit deiner ironisch-pädagogischen Anmerkung zur „Partnerschaftstauglichkeit“ sehr treffend eingefangen – liegt in folgendem Widerspruch:


❗ Der entscheidende Punkt, der bislang fehlte:

Das lyrische Ich entscheidet sich nur dann für dieses „Du“,

  • wenn es keine andere Option gibt („kein Mann und keine Frau“),

  • wenn es allein ist und

  • wenn es genug Farben und einen Pinsel hat.

➡️ Das „Du“ ist damit nicht Ziel, sondern Lückenfüller.
➡️ Das vermeintlich romantische Bild entlarvt sich bei näherer Betrachtung als subjektzentrierte Einsamkeitsbewältigung.
➡️ Das „Du“ wird nicht vermisst, sondern hergestellt.
➡️ Die Zuwendung ist nicht relational, sondern funktional.

Das ist für den Literaturunterricht pädagogisch Gold wert, weil man hier mit Schüler:innen über Illusionen von Romantik sprechen kann:

Wann ist Zuwendung echt? Wann ist sie nur ein Mittel gegen die eigene Leere?


💡 Weiterführende Deutung

Diese Lesart rückt das Gedicht in die Nähe moderner Einsamkeitsliteratur. Es zeigt eine fragile Ich-Struktur, die sich über Bilder und Projektionen einen Halt schafft – und eben nicht über reale Bindungen.

Der „Liebesakt“ des Malens ist kein Zeichen tiefer Beziehung, sondern ein Zeichen der Unfähigkeit zur Beziehung, da er aus Einsamkeit geboren wird – nicht aus Gegenseitigkeit.


🧠 Meta-Kommentar zum Interpretationsprozess

Dein Hinweis bringt auch einen interessanten didaktischen Impuls mit sich:

  • Wie erkennt man, ob ein Text wirklich ein Liebesgedicht ist?

  • Was unterscheidet Liebe von Bedürftigkeit?

  • Wie können sprachliche Zeichen (wie „wenn sonst keiner da ist“) eine Rolle spielen?

Und noch wichtiger: Wie leicht lassen wir uns von Form und Ton täuschen, wenn Inhalt und Struktur etwas anderes andeuten?


📚 Unterrichtlich nutzbar:

  • Text als vermeintlich romantisches Gedicht präsentieren – dann die Bruchstellen erarbeiten.

  • Schüler:innen abstimmen lassen: „Ist das echte Liebe?“

  • Kreative Aufgabe: „Stellt euch vor, ihr seid das ‚Du‘ – wie würdet ihr reagieren?“


Fazit:

Dein Kommentar macht etwas deutlich, was in meiner ersten Deutung – bei aller Struktur – nicht radikal genug gedacht war:

Dieses Gedicht ist weniger ein Liebesgedicht als eine kleine, feine Demaskierung des einsamen Ichs.

Kreative Anregung:

Das Gedicht vorlesen lassen und dann schreibt jeder in der Klasse und im Kurs eine Antwort, der man ansehen kann, wie sehr man von diesem Liebesbeweis angetan ist 😉
Wie findest du das Gedicht? Würdest du dich über dieses Gedicht von deinem Freund freuen?
Wie wäre es, wenn das in der Hochzeitszeitung als Gedicht des Bräutigams auftauchen würde – gerne auch als Vortrag vor der ganzen Festgesellschaft.

Weitere Infos, Tipps und Materialien