Arno Geiger, „Unter der Drachenwand“ – Kap 10-16 – Analyse und Lektüretipps (Mat2786-10-16)

Arno Geiger, „Unter der Drachenwand“ – Analyse der Kapitel und Lektüretipps

  • 10: (EB101ff) Den ganzen Tag Schneegestöber
    • In diesem Kapitel geht es zunächst um die Schwester des Soldaten Hilde, deren Geburtstag sich jährt, wozu ihr Grab geschmückt werden soll.
    • Außerdem ist Veit zum einen ganz glücklich, mit dem Brasilianer jemanden zu haben, bei dem der “Hebel zur Gleichschaltung nicht umgelegt worden” (104) ist.
    • Anderseits warnt er ihn aber auch vor zu radikalen regimekritischen Äußerungen. Interessant dabei, dass Veit selbst sich von der Anfangsbegeisterung für Hitler noch nicht ganz hat lösen können.
    • Am Ende erleidet er auf eine Wanderung im Bereich von Schwarzindien einen traumatischen Anfall. Nanni Schallter versucht, ihm zu helfen und liest ihm dabei einen harten Brief ihrer Mutter vor. Die droht nun auch Konsequenzen an für den Fall, dass die Liebesbeziehung zu Kurt fortgesetzt wird. Veit soll sich für sie einsetzen, was dieser aber ablehnt.
    • Was ihn an dem Mädchen fasziniert:
    • “dass ein so brutal eingeschüchteres Kind die Kraft besaß, weiterhin seine Interessen zu vertreten” (111)
    • “Sie schien völlig frei, ohne Berechnung, schien gar nicht zu verstehen, was die von den Erwachsenen vorgebrachten Vernunftgründe zur Sache beitragen konnten, fest überzeugt, dass Kurt und sie füreinander bestimmt seien.” (112)

    • Lektüretipp: Gespräch mit dem „Brasilianer“
    • von EB103: „Am Mittag des darauffolgenden Tages zog der Brasilianer mit einem an einer Stange befestigten Brett“
      bis
    • EB EB107: „die Aussichten stünden gar nicht so schlecht.“

    • Lektüretipp: Zusammenbruch in Schwarzindien und Gespräch mit Nanni
    • Von EB108: „Noch zweihundert Meter vom Lager entfernt“
    • bis EB112: „es sah aus, als gehe sie durch einen Graben mit Schlamm“

    • Lektüretipp: Brief von Nannis Mutter an ihre Tochter mit seltsamen Erziehungsvorstellungen
      (anscheinend aus der Erinnerung des Ich-Erzählers erzählt, seltsam – so ein Gedächtnis. Ist das ein schriftstellerischer Kunstfehler, hätte es nicht direkt mit dem Lesevorgang am See in Nannis Gegenwart verbunden werden müssen?)
    • Von EB113 „Nanni! Du hast mir großes Leid zugefügt.“
    • Bis EB114: „Also, du hast zu wählen! / Es grüßt dich deine Mutter!

    11: (EB115ff ) Der März war ungewöhnlich

    • Problem mit einem angeblich verwundeten Piloten, der Mädchen dazu auffordert, ihm beim Pinkeln zu helfen.
    • Große Politik: Zerstörung Frankfurts durch Bombenangriffe und Einmarsch der Deutschen in Ungarn
    • Ansonsten geht es in diesem Kapitel vor allem um das Verschwinden von Nanni Schaller. Ihr wird unterstellt, dass sie mit ihrem 17-jährigen Freund Kurt durchgebrannt ist und möglicherweise nach Indien will.
    • Das Kapitel endet mit einem erneute Angstanfall des Soldaten, wogegen er Pervitin einsetzt. Dabei handelt es sich um ein Aufputschmittel, das von der deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg vielfach eingesetzt wurde, um Soldaten zu Höchstleistungen zu veranlassen.
      https://www.mdr.de/zeitreise/pervitin-soldaten-krieg-droge-hitler-deutsches-reich100.html

    12: (EB128ff) Der Elternbesuchstag

    • Sorgen der anderen Eltern wegen des Verschwindens von Nanni Schaller
    • Die Lehrerin äußert sich erstmals in einem vertraulichen Ton gegenüber Veit. Dabei geht es um sein angeblich schlechtes Aussehen, an dem er arbeiten solle.
    • In Schwierigkeiten kommt der Brasilianer, als er gegenüber den Mädchen, die ihn besuchen, sich kritisch über die NS-Rassentheorie äußert.
    • „Manchmal streute der Brasilianer unvorsichtige Bemerkungen ein: ‚In Brasilien vermissen sich die Rassen ganz selbstverständlich. Dort gibt es viele Mischlinge, das ist dort normal. Wer bei der Einschätzung von Menschen Rasse zur obersten Kategorie erhebt, höher als jede andere menschliche Eigenschaft, Intelligenz, Geist, Takt, Talent, gibt keinen Beweis seiner Überlegenheit.‘“  (136)
    • Noch gefährlicher wird es für ihn, als er in einer Kneipe eine Radioansprache des Propagandaministersso kommentiert:
      „Für den Ziegenfuß [Anspielung auf den Klumpfuß des NS-Ministers Goebbele] findet sich hoffentlich bald einige gestrenge und gut gebaute Krankenschwester, die ihm eine für Geisteskranke gemachte Jacke anziehe.“ (137)
    • Lektüretipp: Die Einstellung des Brasilianers gegenüber dem „Räuber- und Kriegskontinent“ Europa und seine gefährliche Kritik an Nazigrößen
    • Von EB135 „Die Existenzgrübelei des Brasilianers“
    • Bis EB 137 „gehöre der Minister für Öffentlichkeitsarbeit eher noch zu den leichten Fällen.“

    13: (EB138ff) Der Brasilianer wurde nicht über Nacht

    • Der Brasilianer wird verhaftet. Veit verfolgt es mit „Herzklopfen“ (140) und muss sich erst mal dazu durchringen, der Bitte seines Freundes zu entsprechen, sich um seinen Hund und die Orchideen zu kümmern.
    • Das kommt bei vielen Leuten nicht gut an. Veits Onkel teilt ihm bald mit:
      „Er bat mich dann noch, ihn meine Beziehung zum Brasilianer zu erläutern. Es würden im Ort schon Beschwerden geäußert, ich wäre an der Front besser aufgehoben als hier.“ (144)

    14: (148ff) In den Dschungeln Schwarzindiens

    • Verschlechterung der Stimmung im Lager der Mädchen:
      „Das lag vor allem an Nanni und daran, dass kaum jemand anwesender ist als jemand spurlos Verschwundener. Das ganze Lager hatte Nanni schon satt, weil sie mehr Aufmerksamkeit bekam als alle Anwesenden zusammen.“ (148)
    • der Brasilianer überträgt Margot und Veit ganz offiziell die Verantwortung für den Orchideenbetrieb.
    • Die Lage an der Front wird schlechter.
    • Margot erzählt, wie sie ihren Mann auf originelle Art und Weise kennengelernt hat (Zettel mit Feldpostnummer aus dem Zug geworfen)
    • sie und Veit nähern sich immer mehr an und schließlich wird daraus eine Liebesbeziehung.

    15: (158ff) Da ich keine Beziehungserfahrung

    • Die Beziehung zu Margot tut Veit sehr gut:
      „Ich glaube, sie war der erste mir nahestehende Mensch, der nicht versuchte, mich zu erziehen. Das alles wusste ich nach vier oder fünf Tagen, und viel mehr konnte nicht mehr kommen. Ich war ganz erstaunt. Und ich bewegte mich mit einem davor nicht gekannten Selbstbewusstsein, in dem Gefühl, dass ich nichts versäumen konnte, dass alles an seinem Platz war.“ (158)
    • Wichtig für ihre Beziehung ist, dass sie ganz im Jetzt leben:
      „Wir schmiedeten keine Pläne für die Zukunft, ich glaube, das war mit ein Grund, warum wir diese Wochen so genossen.“ (160)

    • Lektüretipp: Veits Liebeserfahrung bei und mit Margot
    • Von EB 158 „Da ich keine Beziehungserfahrung besessen hatte“
    • Bis EB 161 „deshalb kam mir die kleine Zukunft gerade recht.“
    • Der Brasilianer hat Glück vor Gericht gehabt, er ist nur zu sechs Monaten Zuchthaus verurteilt worden, allerdings mit dem Hinweis, dass er beim nächsten Mal „nicht so glimpflich“ davonkommen werde. (161)
    • Was die militärische Lage angeht, verschlechtert sie sich zunehmend.
      „Die Wehrmachtsberichte waren so, dass die polnische Haushaltsgehilfin bei der Arbeit sang. Ich sagte ihr, nichts gegen ihre Singstimme, aber Ihrem eigenen Interesse, sie solle sich mit mehr Zurückhaltung freuen. Ihre Stunde wäre kommen.“ (162)
    • Ähnlich humorvoll werden die Reaktionen auf die Landung der Alliierten in der Normandie vom Erzähler wiedergegeben werden:
      „Die Optimisten interpretierten zwar selbst die Invasion in Frankreich als Verzweiflungstat der Anglo-Amerikaner, denen das Wasser bis zum Hals stehen müsse, andernfalls hätten sie weiterhin auf den General Zeit gesetzt.“ (162)
    • Veits Glück ist allerdings nicht ungetrübt. Als das Kind einmal vom Tisch fällt, bekommt er wieder einen Angstanfall. Der ist auch dadurch bedingt, dass er sich bald wieder auf seine Verwendungsfähigkeit untersuchen lassen muss.
    • Die Brutalität und Macht der neuen Herren wird deutlich, als der Mann der Quartiersfrau im Gewächshaus auftaucht und die Hündin einfach mal so nebenbei erschießt. Margot kommentiert das lakonisch mit dem Satz:
      „Es wäre an der Zeit, dass der Krieg mal zu Ende geht.“ (169)

    16: (171-181) In der Früh packte ich

    • Der Soldat fährt zur ärztlichen Untersuchung, die darüber entscheidet, ob er wieder an die Front muss.
    • Zu Hause wird auch die militärische Gesamtlage besprochen, der ständige Rückzug und die Landung der Alliierten in der Normandie
    • Lesevorschlag: 160ff: „Wir schmiedeten keine Pläne mehr“ bis kam mir die kleine Zukunft gerade recht“ (161)
    • Lesevorschlag: 162: „Rom war geräumt“ bis „Wie wird das wohl ausgehen“
      wie sich die Nazis die Niederlagen schön reden. Dabei auch eine schöne Stelle, die den Irrsinn des Feldzugs in Russland zeigt: „so leidlich unterhalten“
    • Der Soldat wird dann nur kurz untersucht und für feldtauglich erklärt, er kann es aber durchsetzen, dass er zu einem Facharzt kommt, der ihn zumindest für ein paar Wochen verschonen kann.
    • Zwischendurch werden die letzten gemeinsamen Stunden mit der todkranken Hilde geschildert.
Übersicht über alle Kapitel

Weitere Infos, Tipps und Materialien