Arno Geiger, „Unter der Drachenwand“ – Kap 23-26 – Analyse und Lektüretipps (Mat2786-23-26)

Arno Geiger, „Unter der Drachenwand“ – Analyse der Kapitel und Lektüretipps

  • 23: EB252: Die Leiche des Mädchens Annemarie Schaller
    • Am Anfang: Polizeibericht über den Leichenfund
    • Veit erinnert sich an das Mädchen und ist erschüttert:
      „Grauen erfasst du mich bei dem Gedanken, dass mit ausgepackten Augen die nicht mehr als Nalli Schaller erkennbare Leiche in der Leichenkammer lag, ohne Schlaf und ohne Gedanken.“ (252)
    • Später erinnert er sich noch ziemlich an das Besondere an diesem Mädchen („Ich erinnerte mich an Nanni …“ (253) bis „war unter anderen Gesetzen gestanden“ (254)
    • Lesevorschlag und Anregung: Mal drüber nachdenken, welche Menschen man selbst kennt, die „unter andren Gesetzen“ zu stehen scheinen als die Menschen, die man einfach nur als normal wahrnimmt.
    • Für Veits Onkel ist der Fall abgeschlossen.
    • Nanni wird auf Kosten der Gemeinde beerdigt.

    24: EB262ff Es ist immer noch hell genug zum Schreiben

    • Die kleine Lilo, Margots Tochter, ist erstmals selbstständig gelaufen.
    • Darauf reagiert auch ihr Mann, der an der Front ist und seine Frau ermahnt, ihm treu zu sein.
    • Veit dazu: „Aber für mich war Margot seit Jahren der erste erfolgreiche Versuch, mein Glück zu korrigieren, und da wollte ich nicht schüchtern sein. Naja, was kann man ändern?“ (263)
    • Interessantes Zitat zur Schreib-Situation: (EB262):
    • „Das habe ich so gern, wenn sie neben mir sitzt,
    • aber schreiben kann ich dann nicht mehr, da werden mir alle Striche schief.
    • Sie saß neben mir, und ich sprach oft zu ihr, entweder ich fragte sie etwas, oder ich sagte, das muss ich noch aufnotieren.
    • Und sie sagte, dass ich ruhig sein und schreiben solle,
    • und sie sagte, vergiss nicht zu erwähnen, dass Lilo gehen kann. /
    • ‚Ich habe es schon erwähnt‘, sagte ich. / ‚Dann ist es gut.'“
    • Als einige Zeit später der Mann der Quartiersfrau wieder auftaucht, kommt es zu Streitigkeiten mit deren Bruder, dem Brasilianer. Der lässt sich schließlich dazu hinreißen, sich lautstark gegen Rassismus und Herrenmenschentum auszusprechen. Um Kopf und Kragen redet er sich endgültig, als er im Hinblick auf Hitler feststellt, dass „der dem grausigen Europäertum den letzten Ansporn zu Gewalt und Unvernunft gegeben hat“ (268).
    • Er zieht für sich daraus die Konsequenz zu verschwinden: „… er wusste, dass sein Leben jetzt keinen Pfifferling mehr wert war, es schien ihn aber nicht im erwarteten Ausmaß zu bekümmern. Frei als Einzelner zu sterben, sei besser, als ein Sklavendasein zu führen, sagte er und stapfte los mit dem Sack über der Schulter und mit flatternden Hosenbeinen. Ein weiterer Flüchtling.“ (270)

    25: EB271: Ich schaute mich in den Zimmern um

    • Veit holt sich aus den Räumen des Brasilianers die dort versteckten Zigarren, bevor das Anwesen von Flüchtlingen übernommen wird.
    • Ansonsten melden sich bei ihm wieder die alten Muskelschmerzen: „Das Gift sickerte wieder in mich hinein. Einige Monate lang hatte ich versucht, die Illusion aufrecht zu erhalten, dass ich mit Margot bis zum Kriegsende ausharren könne, jetzt meldet sie sich die Wirklichkeit, und ich spürte, dass das Leben nicht mehr so bald in ruhige Bahnen zurückkehren würde.“ (272)
    • Sein Onkel macht sich Sorgen, er könnte auch noch an die Front müssen. Das führt bei Veit zu einigen Überlegungen:
    • Lesevorschlag „Der totale Krieg war ein totaler Betrug“ (274) bis „dass man Kriege nicht am Anfang gewinnt, sondern am Ende.“ (274)
    • Er muss dem Onkel dann zustimmen: „Wenn ich ehrlich war, hatte der Onkel recht, es war auch mein Krieg, ich hatte an diesen verbrecherischen Krieg mitgewirkt, und was immer ich später tun oder sagen mochte, es steckte in diesem Krieg auch immer mein Teil, etwas von mir gehörte auch immer dazu, und etwas vom Krieg gehörte auf immer zu mir, ich konnte es nicht mehr ändern.“ (276)
      Das kann man natürlich diskutieren, indem man auf viele Soldaten verweist, die ungewollt am Krieg teilnehmen mussten.
    • Interessant ist eine psychologische Überlegung im Hinblick auf seinen Onkel:
      „Man müsste sich einmal die Zeit nehmen und darüber nachdenken, ob nicht vielleicht Selbstmitleid und Verächtlichkeit die eigentlich fatalsten Gefühlsgeschwister sind im Leben der Menschen. Man müsste diese Frage einmal gründlich ausloten, ich selbst traue mir nicht zu, hier auf Grund zu stoßen. Nicht ich. Aber vielleicht ist‘s einem anderen vergönnt.“ (276)
      Schöner kann ein Roman sicher nicht dem Leser einen Vorschlag machen 😉
    • Es kommt dann noch einmal zu einer kurzen Begegnung mit der Lagerlehrerin, wobei zum zweiten Mal „so etwas wie Nähe“ (278) entsteht, aus dem aber wieder nichts wird.
    • Als Veit wieder bei Margot ist, sagt sie ihm, dass ihre Regel nach einiger Zeit doch wieder eingesetzt hat, so dass sie nicht schwanger sein kann. Beide sind froh, dass hier keine zusätzlichen Verwicklungen entstehen. Am Ende steht eine eindeutige Liebeserklärung Veits: „Ich werde nicht aufhören, dich zu lieben, bis der angeblich größte aller Liebenden uns trennt. Und das werde ich ihm übel nehmen.“ (282)

    26: EB283: Bald ein ganzes Jahr

    • Nachdem ein Jahr vergangen ist, macht die „ungewisse Situation“ (EB283) Veit immer häufiger zu schaffen. Er greift auch häufiger zum Pervitin. Auch Margot reagiert auf sein Verhalten zum Teil „befremdet“ (EB283).
    • Vor diesem Hintergrund ist er fast froht, als er wieder zu einer Nachuntersuchung nach Wien einbestellt wird.
    • Dabei macht er sich verständlicherweise wegen seiner gefälschten Papiere Sorgen.
    • Als er sich bei seinem Onkel eine Fahrgelegenheit besorgen will, ist der mit der Vorbereitung einer Verhaftung beschäftigt – und zwar des Brasilianers, wie sich herausstellt.
    • Veit entschließt sich, einzugreifen, nimmt die Pistole, die er von Margot bekommen hat, macht sich auf den Weg zum Lokal Schwarzindien, aus dem die Mädchen inzwischen ausgezogen sind, und erschießt seinen Onkel – wobei er das Gefühl hat, einer „Traumlogik“ (287) zu folgen. Dazu kommt das Rauschmittel Pervitin, das er vorsorglich einnimmt.
    • Der Brasilianer kann verschwinden und Veit nimmt wohl positiv auf, was er ihm zum Abschied sagt: „Ruhig wird das Herz erst, wenn wir geworden sind, was wir sein sollen.“ (291)
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