Worum es hier geht:
Das Gedicht von Rose Ausländer ist mehr als nur eine „biographische Notiz“ – es zeigt nämlich deutlich, wie eine furchtbare Vergangenheit mit Heimatverlust noch im Bewusstsein ist, man deshalb nicht mehr „wohnen“, wohl aber „leben“ kann.
Das Besondere ist der Unterschied zwischen „wohnen“ und „leben“, der am Schluss angedeutet wird.
Das Gedicht haben wir hier gefunden.
- Der Titel deutet etwas Doppeltes an: Zum einen geht es um Biografisches, also einen Rückblick auf das Leben. Zum anderen geht es nur um eine Notiz, also nichts Vollständiges, aber etwas, das man schon mal festhalten will.
— - Die erste Zeile passt dann nicht ganz zu einer Notiz, sondern geht darüber hinaus. Es geht um Rede, also etwas, das auf Öffentlichkeit angelegt ist, aber auch etwas, was möglicherweise raus muss.
— - Wenn von einer „brennenden Nacht“ die Rede ist, hilft der etwas später auftauchende „gelbe Stern“, das Gedicht in einen thematischen Kontext einzuordnen: Es geht offensichtlich um die Bewältigung der NS-Zeit und der damit verbundenen Verfolgung vor allem für Juden. Man kann in Deutschland an die brennenden Synagogen denken, auch wenn der biografische Kontext mehr nach Südosten auf den Balkan verweist.
Siehe dazu:
https://www.zukunft-braucht-erinnerung.de/heimat-im-wort-zur-lyrik-von-rose-auslaender/
Wir wollen hier aber erste mal versuchen, das Gedicht selbst „auszuleuchten“.
— - Aber es brennt nicht nur etwas, es wird auch gelöscht und zwar von einem Fluss, der biografisch zur Heimat der Dichterin gehört. Er steht hier möglicherweise für die große Natur, die auch einen solchen Brand übersteht.
— - Dann ist von „Trauerweiden“ und „Blutbuchen“ die Rede, was genau die Natur begrifflich mit dem Leiden der Menschen verbindet.
— - Aber auch von „verstummtem Nachtigallsang“ ist die Rede – d.h. das Schöne, das zur Natur gehört, verschwindet.
— - Dann aber wird – wie schon angedeutet worden ist – Klartext gesprochen:
— - Es ist vom „gelben Stern“ die Rede, dem Zeichen für die Juden, deren Leben jederzeit unter der Nazidiktatur und in den von ihr beherrschten oder beeinflussten Gebieten bedroht war.
— - Interessant ist, dass das Zeichen des gelben Sterns hier zu einem Ort wird, „auf dem wir / stündlich starben / in der Galgenzeit“.
Damit wird das Zeichen zur Beschreibung der gesamten Existenz mit seiner tödlichen Perspektive und relativen Hofflungslosigkeit.
— - Ab Zeile 12 dann eine große Veränderung: Weiterhin wird nicht „über Rosen“, also über das Schöne des Lebens gesprochen,
— - aber es wird eine Situation angedeutet, die wieder viel mit dem Leben und Überleben der Autorin zu tun hat:
Sie kann fliegen und sich damit über das Elend auf der Erde erheben. Der konkrete Bezug sind ihre Flugreisen, die sie zwischen Europa und Amerika machen konnte.
— - Die wären ihr zwar fast zum Verhängnis geworden, als Jüdin in Amerika, die in das Nazi-Europa zurückkehrt.
— - Aber rückblickend erscheint es ihr wie eine „Luftschaukel“, also etwas Spielerisches, das in die Welt der Kindheit zurückverweist.
— - Am Ende dann das Fazit dieser Notiz, nämlich die Unterscheidung zwischen Wohnen und Leben. Letzteres ist ihr geblieben – und dafür scheint das Lyrische Ich wie wohl auch die Autorin dankbar zu sein. Aber es gibt keine Heimat mehr, in der man wirklich wohnen kann.
Aussagen / Intentionalität des Gedichtes:
Das Gedicht zeigt:
- im Rückblick die Schrecken jüdischen Lebens in der Zeit der Nazi-Diktatur,
- aber auch die Erinnerung an etwas, das zwar gewissermaßen beschädigt wurde, aber stärker war als Verfolgung und Tod, nämlich der Fluss als Sinnbild der Natur,
- die Teil-Bewältigung dieser Vergangenheite in dem erhaltenen und damit gewissermaßen auch geschenkten Luftweg-Leben zwischen Amerika und Europa,
- am Ende dann aber doch die Unterscheidung zwischen gerettetem Leben und verloren gegangenem Wohnen – im Sinne von Heimat.
Sprachlich-künstlerische Mittel
Die Intentionalität wird unterstützt durch:
- den besonderen Titel, der das Besondere, aber auch das Vorläufige, Begrenzte dieses Rückblicks auf das Leben deutlich macht. Am Ende wird aber erkennbar, dass damit etwas ganz Bestimmtes verbunden ist, ein Einfall, der festgehalten werden soll.
- Es geht nämlich um den Gegensatz bzw. den Unterschied zwischen „leben“ und „wohnen“.
- Ein weiterer Gegensatz ist mit „brennen“ und „löschen“ gegeben.
- Dazu kommen die aussagekräftigen bzw. bedeutungsstarken Bezeichnungen der Bäume.
- Die Veränderung des „gelben Sterns“ von einem Zeichen zu einem Ort.
- Der Neologismus „Galgenzeit“.
- Das Bild der „Luftschaukel“, das zum einen Abstand signalisiert, aber eben auch ständige Bewegung, keine Ruhe, kein Bleiben.
Weitere Infos, Tipps und Materialien
- Reisegedichte – unterwegs sein
https://textaussage.de/reisegedichte-themenseite
— - Thema Reisegedichte Teilthema Heimat und Fremde
https://textaussage.de/thema-reisegedichte-teilthema-heimat-und-fremde
—
- Infos, Tipps und Materialien zu weiteren Themen des Deutschunterrichts
https://textaussage.de/weitere-infos
—