Schullektüren – oder das Elend des Allein-gelassen-Werdens
- Schullektüren sind ein normaler Bestandteil des Unterrichts, besonders im Fach Deutsch.
- Immer noch wird Schülern die Aufgabe gestellt, bis zu einem bestimmten Termin zum Beispiel einen Roman oder ein Drama komplett zu lesen.
- Das stellt eine große Herausforderung dar, denn häufig sind es Texte, an die man sich erst gewöhnen muss. Dementsprechend verlieren viele Schüler schon kurz nach dem Aufschlagen des Buches die Lust.
- Sie wenden sich dann einem der vielen Hilfsangebote im Internet zu.
- Häufig ist es eine reine Inhaltsangabe,
- manchmal eine Zusammenfassung des Inhalts mit Interpretationsansätzen,
- selten aber etwas, was wirklich die Anfangshürden überspringt und zum eigenen Weiterlesen motiviert.
Der Versuch einer Alternative – erst Interesse wecken und sich dann langsam anfreunden mit der Lektüre
- Deshalb wollen wir hier einen anderen Weg gehen.
- Es geht darum möglichst schnell Interesse an dem Werk zu wecken.
- Das geht am besten, indem man ein paar spannende Fragen oder Textstellen herausgreift und das nötige Drumherum einfach mal schnell erklärt.
- Wir wollen mal am Beispiel des Romans von Arno Geiger mit dem Titel „Unter der Drachenwand“ ausprobieren, wie das gehen könnte.
- Als erstes sollte man immer ein bisschen Werbung machen – nur ist das unserer Meinung nach bei diesem Roman besonders schwierig.
- Denn der Autor hat zehn Jahre lang Briefe und Tagebücher aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs gelesen und dann versucht, daraus eine eigene Geschichte zu machen.
- Nun interessieren sich die meisten jungen Menschen heute für den zweiten Weltkrieg entweder gar nicht oder eher für den Angriff der Japaner auf Paul Harbour, die Schlacht bei Midway oder vielleicht den Luftkrieg um England.
- Davon ist der Roman weit entfernt, denn er präsentiert uns die Erlebnisse und Gefühle von einfachen Menschen aus der Schlussphase des Zweiten Weltkriegs in der Umgebung von Wien.
- Wir wollen hier deshalb nicht die Aufgabe des Lehrers oder eines guten Schulbuchs übernehmen zu erklären, warum man diesen Roman heute lesen soll.
- Stattdessen wollen wir mal ein paar Lichtungen in den Textdschungel schlagen, um in der ersten Stunde der Besprechung des Werkes einigermaßen mitreden zu können.
- Natürlich hilft das nicht den Schülern, die in der ersten Stunde mit einem Textkenntnistest konfrontiert werden, der neben wichtigen Sachen auch einige abwegige Details abfragt.
- Wir hoffen, dass es viele Lehrer gibt, die es erst mal im Guten versuchen. Das heißt, sie freuen sich, wenn Schüler
- von sich aus in der ersten Stunde etwas über den Roman zu sagen wissen
- oder interessante Fragen stellen.
Beispiel: Das erste Kapitel des Romans
In diesem Falle lohnt es sich, genauer auf das erste Kapitel einzugehen:
- Denn dort gibt es die ausführliche Schilderung der Verwundung eines Soldaten und seiner Erlebnisse im Lazarett.
- Kritisch könnte man hier fragen, ob das alles wirklich so ausführlich dargestellt werden muss.
- Aber es gibt eben auch ein paar bemerkenswerte Stellen, die man lobend hervorheben kann.
- Da geht es etwa um einen Arzt, der so überarbeitet ist, der fünf Streichhölzer abbricht, ohne sich die Zigarette anzünden zu können. Er braucht die Hilfe einer Rotkreuzschwester (5).
- Oder die Situationen, in denen die Verwundeten schachtelweise Schokolade u.ä. in den Waggon geworfen bekommen, weil angesichts des Rückzugs die Vorratslager geräumt werden müssen. (6)
- Oder ein Orden dafür, „dass ich mich im falschen Moment am falschen Ort aufgehalten hatte, ein Orden für drei Sekunden Pech und dafür, dass ich nicht abgekratzt war.“ Sein Beifahrer ist nämlich von der Granate, die ihn verletzt hat, getötet worden – kein Leben mehr und auch kein Orden. (10)
- Aber es gibt auch Stellen, die einem in unserer Zeit heute helfen können, ein bisschen Unannehmlichkeit oder gar Schmerzen zu ertragen.
So stellt der Soldat fest:
„Ich mag es, wenn die Krankenschwester eine in weiße Watte gewickelte Spritze aus der Schachtel nimmt: ‚Entspannen Sie sich‘, sagt sie, ‚denken Sie, der Schmerz ist nicht ihrer.'“
Kritischer Einfall
Wichtig ist, dass man möglichst früh auch problematische Dinge erkennt, die man diskutieren bzw. genauer prüfen kann:
- In diesem Falle kann einem Folgendes „einfallen“, wenn man ein bisschen was zum Umfeld des Romans bzw. seiner Entstehung gelesen hat:
Man muss sich mal überlegen, was dieser Schriftsteller macht. Er „stiehlt“ anderen Menschen die Realität, ihre Erlebnisse, und bastelt daraus etwas, was er für Realität hält. Es wäre äußerst interessant, mal zu prüfen, wie seine Arbeit konkret ausgesehen hat. - Andererseits ist er vielleicht auch nur ehrlicher als zum Beispiel die Verfasser historischer Romane, die sicherlich – zumindest teilweise – genauso vorgehen.
- Allerdings hat dieser Roman ja wohl einen höheren Anspruch, nämlich uns in das Denken und Fühlen die Menschen damals zu versetzen. Die Frage ist nur, ob eine Veränderung ihrer Texte nicht auch das verfälscht, was sie aussagen können.
- Auf jeden Fall interessante Fragen.
Diskussionsfragen, die man in der ersten Stunde schon ansprechen könnte:
- Die Wichtigste ist möglicherweise die, wie Veit damit umgeht, dass er immerhin einen Menschen, nämlich seinen Onkel ermordet hat. Er hat damit zwar den Brasilianer gerettet, aber es bleibt doch Mord.
Wir setzen das noch fort!
Bitte daran denken, dass sind hier erst mal Vorüberlegungen – am Ende soll eine kompakte Anleitung dastehen, wie man die erste Schulstunde mit diesem Roman optimal übersteht.
Weitere Infos, Tipps und Materialien
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- Infos, Tipps und Materialien zum Rroman „Unter der Drachenwand“
https://schnell-durchblicken.de/themenseite-roman-unter-der-drachenwand
— - Zu weiteren Themen des Deutschunterrichts
https://textaussage.de/weitere-infos
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