Anders Tivag, „Fehler sind menschlich, aber …“

Lehrer sind auch nur Menschen – nur: Wie gibt man ihnen Gelegenheit, das zu zeigen?

Anders Tivag,

Fehler sind menschlich, aber …

  • Eigentlich war Herr Müller ganz in Ordnung. Vor allem war er sehr einfallsreich. Leider war er das manchmal auch bei Klausuren.
  • Und jetzt war’s wieder geschehen. Sie hatten sich ausführlich mit der deutschen Geschichte zwischen Napoleon und der Revolution von 1848 beschäftigt. Sie hatten sich gefreut darüber, dass die Menschen damals ein gemeinsames Bewusstsein entwickelten. Dann waren sie enttäuscht gewesen, dass die wichtigsten Wünsche der Menschen damals nach dem Sieg über Napoleon nicht erfüllt wurden. Wofür hatten sie eigentlich gekämpft?
  • Und dann die Klausur. Was kam dran? Ein Text von Büchner, ein Auszug aus der Flugschrift „Der hessische Landbote“, in der vor allem die sozialen Verhältnissen um 1834 kritisiert wurden. Dann ging es auch noch um Alleinherrschaft des Fürsten im Land, aber von Nationalbewegung weit und breit keine Spur.
  • Ben war der erste, der nach der Klausur auf stöhnte: Wieso hab ich gestern Abend überhaupt gelernt, wenn es jetzt vor allem um soziale Probleme und weniger um die politische Entwicklung.
  • Jana stimmte ihm zu. „Die Überschrift war ja noch in Ordnung“: „Friede den Hütten, Krieg den Palästen. Aber dann ging es um Steuern und wie unterschiedlich die reichen und die armen Leute leben. Nichts mit Nationalbewegung oder so. Immer das gleiche, der Mann weiß irgendwie nicht mehr, was er mit uns gemacht hat. Dann sitzt er abends, sucht sich was Schönes aus, leider nur für ihn und nicht für uns.
  • Als Ben mit seiner Familie abends beim Abendbrot saß und immer noch unglücklich guckte, fragte sein Vater ihn, was los sei.
  • Ben erzählte alles und wartete gespannt darauf, was er zu hören bekommen würde. Denn immerhin waren beide Eltern Rechtsanwälte und kannten sich mit solchen Problemen aus.
  • Aber ihr Sohn hatte sich getäuscht, eigentlich hatte er auch gar nicht erwartet, dass sein Vater gleich sagen würde, dem Mann schicke ich morgen ein Schreiben von unserer Kanzlei.
  • Stattdessen die Antwort: „Es ist wie immer, meistens hat man zwei Möglichkeiten.“
  • Ben guckte seinen Vater gespannt an, war dann aber doch ziemlich enttäuscht, denn der sagte nur:
    „Ihr könnt das einfach hinnehmen und an das kluge Wort eines Schriftstellers denken, der hat wohl gesagt: ‚Wir hatten schlechte Lehrer, das war eine gute Schule.‘ Oder aber ihr tut was dagegen.
  • Ben war sofort Feuer und Flamme: „Genau das denke ich auch, wir gehen morgen direkt zum Direktor und beschweren uns.“
  • Der Vater lächelte nur und meinte: „Das wird aber ein kurzer Besuch.“
  • Als Ben damit nichts anfangen konnte, fügte sein Vater noch hinzu: „Der wird natürlich verlangen, dass ihr das erst mit eurem Lehrer besprecht.“
  • Während Ben noch nachdachte, klingelte das Telefon. Man merkte gleich, dass es um irgendeinen Fall aus der Kanzlei ging. Sein Vater war beschäftigt und die Mutter hatte sich mit einer Freundin verabredet, musste auch schnell los. Bens Schwester hatte wie meistens keine Lust auf das Thema Schule.
  • Ben beschloss, die Sache mit Jana zu besprechen, immerhin war sie Kurssprecherin. Und er hatte Glück, ihr Vater, selbst Lehrer, war auch da, hatte auch Zeit. Es wurde ein interessantes Gespräch.

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