Anmerkungen zu dem Gedicht „Über die Heimat II“ von Nevfel Cumart

Anmerkungen zu dem Gedicht „Über die Heimat II“ von Nevfel Cumart

Aus urheberrechtlichen Gründen präsentieren wir das Gedicht hier nicht als Text. Es ist allerdings im Internet im Rahmen einer Unterrichtsskizze von QUA-LIS NRW am Schluss zu finden (2.12.2019-09.13 Uhr)
https://www.schulentwicklung.nrw.de/cms/upload/Faecher_Seiten/deutsch/Fremdheit_Lyrik_S_II.pdf

  • Das Gedicht beginnt mit der Feststellung, dass der Vater des lyrischen Ichs in die Türkei zurückkehrt – offensichtlich ist er ein Migrant, der in seine alte Heimat zurück will.
  • In den Zeilen 3 und 4 wird als Grund angegeben, dass er „nicht / in der fremde sterben“ möchte. Damit ist klar, dass sein aktueller Aufenthaltsort für ihn eben „fremde“ ist und die Türkei wohl immer noch Heimat.
  • Die zweite Strophe beginnt in einer Art Kreuzstellung (Chiasmus), weil hier als erstes vom lyrischen Ich der gleiche Grund angegeben wird – allerdings mit einer umgekehrten Konsequenz: Das lyrische Ich möchte in Bamberg bleiben.
  • Das Gedicht zeigt auf beeindruckende Art und Weise, wie ein Integrationserfolg innerhalb eines Generationenwechsels erfolgt ist.
  • Beide Menschen entscheiden sich für ein Land, das ihnen wohl aus Gründen einer dauerhaften bzw. nachwirkenden Verbundenheit am stärksten am Herzen liegt.
  • Vor dem Hintergrund dieser absoluten Entscheidungsnotwendigkeit: (Wo will ich sterben?) wird ein ganz neues Bild auf die Frage des Doppelpasses geworfen. Im Sinne des Gedichtes könnte man sagen: „Der Doppelpass hört da auf, wo es um die letzte, entscheidende Frage eines Menschenlebens geht, nämlich bei der Frage, wo man seine letzte Ruhe finden und damit für immer bleiben will.“
  • Dies ist keine Infragestellung des Doppelpasses an sich – sondern zeigt nur, dass es im Leben eines jeden Menschen Situationen gibt, in denen eine Doppel-Entscheidung, die eigentlich keine ist, nicht mehr möglich ist. Es geht hier nicht mehr um politische, sondern um existenzielle Fragen.
  • Schlussbemerkung des Autors dieser Anmerkungen: Es ist erstaunlich, wieviel Substanz gerade in der Kürze bzw. Verknappung eines Gedichtes sichtbar werden kann.
  • Noch ein Nachtrag:
    Was man schnell übersieht – in dem Gedicht steckt noch ein weiteres Highlight, nämlich die Veränderung von der Nennung eines Landes (Türkei) zur Nennung einer Stadt (Bamberg). Man kann das individuell deuten, dass nämlich die Integration der wahrscheinlich zweiten Generation von Einwanderern sich erst mal auf die unmittelbare Lebensumgebung erstreckt. Dort hat man ja schließlich Menschen und Orte entdeckt, zu denen man eine Beziehung aufgenommen hat.
    Man kann darin aber auch eine politische Botschaft sehen, dass nämlich die Orientierung vom Nationalstaat weg in Richtung Region geht. Auf jeden Fall ist ein ganzes Land immer im Bewusstsein eher ein Konstrukt, während eine Stadt, eine Landschaft sehr viel mehr konkrete Lebensbezüge aufweist.