Worum es hier geht:
Immer wieder werden wir gefragt, wie man es schafft, zu einem längeren literarischen Text (Novelle, Roman, Drama) eine kurze Inhaltsangabe zu schreiben.
Unser Ansatz ist:
- Nicht erst lang schreiben
- und dann kürzen,
- sondern mit der knappesten Fassung beginnen
- und die dann ausbauen.
Wir probieren das selbst mal am Beispiel der „Marquise von O….“ aus, einer Novelle von Heinrich von Kleist, die in der Reclam-Ausgabe immerhin auf etwa 47 Seiten kommt.
Schritt 1: Die kürzeste Fassung
Zunächst die Handlungsstichwörter, die man einbringen will:
- Angriff auf eine Festung (S.3)
- Gefahr für die Marquise (S.4)
- Rettung durch den Grafen (S. 4)
- Ohnmacht (S. 4)
- Vergewaltigung durch den Retter (S. 4)
- Ahnungslosigkeit der Marquise
Dank verschoben (S. 5) - Hinrichtung der schuldigen Soldaten (S. 6)
- Nachricht vom angeblichen Tod des Grafen (S. 7)
- Erste Anzeichen der Schwangerschaft (S. 8)
- Erscheinen des Grafen und Heiratsantrag (S. 9)
- Abreise des Grafen nach Warte-Versprechen (S. 19)
- Untersuchungsergebnis des Arztes (S. 20)
- Untersuchungsergebnis der Hebamme (S. 23)
- Vertreibung aus dem Elternhaus (S. 25)
- Verteidigung der Kinder (S. 27)
- Annonce (S. 28)
- Abweisung des Grafen durch Marquise in V: (S. 31)
- Antwort-Annonce des Grafen (S. 32)
- Test-Plan der Mutter und Versöhnung(S. 35)
- Erscheinen des Grafen und Bekenntnis (S. 43)
- Abweisung durch die Marquise (S. 44)
- Vernunftehe (S. 46)
- anständiges Verhalten (S. 46)
- Annäherung (S. 46)
- zweites Ja-Wort (S. 46)
- gemeinsames Familienglück (S. 46)
- Klärung: Teufel – Engel (S. 46/7)
Und nun eine erste Ausformulierung:
- In der Novelle „Marquise von O….“ von Heinrich von Kleist geht es um eine Adlige,
- die von einem russischen Offizier, einen Grafen,
- der sie bei der Eroberung ihrer Festung vor Übergriffen durch Soldaten gerettet hat,
- im Zustand der Ohnmacht vergewaltigt wird,
- was sie aber nicht weiß oder wahrhaben will.
- Als sie schwanger wird
- und deswegen von ihren Eltern verstoßen wird,
- veröffentlicht sie eine Such-Anzeige
- und der Offizier meldet sich tatsächlich.
- Die Marquise ist aber so empört,
- dass sie erst nichts von ihm wissen will,
- dann aber doch in eine Vernunft-Ehe einwilligt,
- bei der der Adlige keine Rechte,
- sondern nur Pflichten hat.
- Da er sich dann aber als anständiger und liebevoller Mensch zeigt,
- gibt sie schließlich ein zweites Mal ihr Ja-Wort
- und beide werden glückliche Vater und Mutter einer wachsenden Familie.
Ausbaumöglichkeit:
- In der Novelle „Marquise von O….“ von Heinrich von Kleist geht es um eine Adlige,
- die von einem russischen Offizier, einen Grafen,
- der sie bei der Eroberung ihrer Festung vor Übergriffen durch Soldaten gerettet hat,
- im Zustand der Ohnmacht vergewaltigt wird,
- was sie aber nicht weiß oder wahrhaben will.
- Hier könnte man auf den überraschenden Besuch des angeblich toten Grafen eingehen
- und dessen überraschenden und sehr überstürzt wirkenden Heiratsantrag
- Hier könnte man noch auf die ursprüngliche Absicht der Marquise als Witwe eingehen,
- nicht wieder zu heiraten.
- der schließlich zu dem Kompromiss führt,
- dass die Marquise verspricht,
- während der dringend notwendigen Reise des Grafen
- keinem anderen ihr Ja-Wort zu geben.
- Als sie schwanger wird
- Hier könnte man noch auf den langen Weg zur Erkenntnis eingehen,
- zunächst Beschwerden
- dann der Arzt-Besuch
- und schließlich die Hebamme
- und deswegen von ihren Eltern verstoßen wird,
- Hier könnte man eingehen auf die zunehmende Selbstständigkeit der jungen Frau
- die ihre Kinder verteidigt
- sich einen eigenen Haushalt aufbaut
- gegenüber der erneuten Werbung des Grafen standhaft bleibt
- veröffentlicht sie eine Such-Anzeige
- die führt dann zu einer Art Test der Mutter,
- bei der sich herausstellt,
- dass die Marquise wirklich nicht weiß, wer der Vater ist,
- was zur Versöhnung zunächst mit der Mutter
- und dann auch mit dem Vater führt.
- und der Offizier meldet sich tatsächlich.
- Die Marquise ist aber so empört,
- dass sie erst nichts von ihm wissen will,
- dann aber doch in eine Vernunft-Ehe einwilligt,
- bei der der Graf keine Rechte,
- sondern nur Pflichten hat.
- Da er sich dann aber als anständiger und liebevoller Mensch zeigt,
- wird er wenigstens zur Taufe des Kindes eingeladen
- zeigt sich dort finanziell und testamentarisch sehr großzügig
- und kommt schließlich in einen immer engeren und innigeren Kontakt mit der Marquise
- gibt sie schließlich ein zweites Mal ihr Ja-Wort
- und beide werden glückliche Vater und Mutter einer wachsenden Familie.
- Hier könnte man noch auf den Schluss eingehen mit dem Engel-Teufel-Vergleich.
Wir hoffen, dass wir hier einiges zeigen konnten und wünschen viel Erfolg auch bei anderen Werken 🙂
Weitere Infos, Tipps und Materialien
- Infos, Tipps und Materialien zur Novelle „Die Marquise von O….“
https://textaussage.de/kleist-die-marquise-von-o
— - Youtube-Playlist
https://www.youtube.com/playlist?list=PLNeMBo_UQLv1JuXpFFKiznWO3yD8anyBY
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