Beispiel: Inhaltsangabe einer Novelle: Beispiel „Die Marquise von O…“ (Mat6082)

Worum es hier geht:

Immer wieder werden wir gefragt, wie man es schafft, zu einem längeren literarischen Text (Novelle, Roman, Drama) eine kurze Inhaltsangabe zu schreiben.

Unser Ansatz ist:

  • Nicht erst lang schreiben
  • und dann kürzen,
  • sondern mit der knappesten Fassung beginnen
  • und die dann ausbauen.

Wir probieren das selbst mal am Beispiel der „Marquise von O….“ aus, einer Novelle von Heinrich von Kleist, die in der Reclam-Ausgabe immerhin auf etwa 47 Seiten kommt.

Schritt 1: Die kürzeste Fassung

Zunächst die Handlungsstichwörter, die man einbringen will:

  1. Angriff auf eine Festung (S.3)
  2. Gefahr für die Marquise (S.4)
  3. Rettung durch den Grafen (S. 4)
  4. Ohnmacht (S. 4)
  5. Vergewaltigung durch den Retter (S. 4)
  6. Ahnungslosigkeit der Marquise
    Dank verschoben (S. 5)
  7. Hinrichtung der schuldigen Soldaten (S. 6)
  8. Nachricht vom angeblichen Tod des Grafen (S. 7)
  9. Erste Anzeichen der Schwangerschaft (S. 8)
  10. Erscheinen des Grafen und Heiratsantrag (S. 9)
  11. Abreise des Grafen nach Warte-Versprechen (S. 19)
  12. Untersuchungsergebnis des Arztes (S. 20)
  13. Untersuchungsergebnis der Hebamme (S. 23)
  14. Vertreibung aus dem Elternhaus (S. 25)
  15. Verteidigung der Kinder (S. 27)
  16. Annonce (S. 28)
  17. Abweisung des Grafen durch Marquise in V: (S. 31)
  18. Antwort-Annonce des Grafen (S. 32)
  19. Test-Plan der Mutter und Versöhnung(S. 35)
  20. Erscheinen des Grafen und Bekenntnis (S. 43)
  21. Abweisung durch die Marquise (S. 44)
  22. Vernunftehe (S. 46)
  23. anständiges Verhalten (S. 46)
  24. Annäherung (S. 46)
  25. zweites Ja-Wort (S. 46)
  26. gemeinsames Familienglück (S. 46)
  27. Klärung: Teufel – Engel (S. 46/7)

Und nun eine erste Ausformulierung:

  1. In der Novelle „Marquise von O….“ von Heinrich von Kleist geht es um eine Adlige,
  2. die von einem russischen Offizier, einen Grafen,
  3. der sie bei der Eroberung ihrer Festung vor Übergriffen durch Soldaten gerettet hat,
  4. im Zustand der Ohnmacht vergewaltigt wird,
  5. was sie aber nicht weiß oder wahrhaben will.
  6. Als sie schwanger wird
  7. und deswegen von ihren Eltern verstoßen wird,
  8. veröffentlicht sie eine Such-Anzeige
  9. und der Offizier meldet sich tatsächlich.
  10. Die Marquise ist aber so empört,
  11. dass sie erst nichts von ihm wissen will,
  12. dann aber doch in eine Vernunft-Ehe einwilligt,
  13. bei der der Adlige keine Rechte,
  14. sondern nur Pflichten hat.
  15. Da er sich dann aber als anständiger und liebevoller Mensch zeigt,
  16. gibt sie schließlich ein zweites Mal ihr Ja-Wort
  17. und beide werden glückliche Vater und Mutter einer wachsenden Familie.

 

Ausbaumöglichkeit:

  1. In der Novelle „Marquise von O….“ von Heinrich von Kleist geht es um eine Adlige,
  2. die von einem russischen Offizier, einen Grafen,
  3. der sie bei der Eroberung ihrer Festung vor Übergriffen durch Soldaten gerettet hat,
  4. im Zustand der Ohnmacht vergewaltigt wird,
  5. was sie aber nicht weiß oder wahrhaben will.
    1. Hier könnte man auf den überraschenden Besuch des angeblich toten Grafen eingehen
    2. und dessen überraschenden und sehr überstürzt wirkenden Heiratsantrag
      1. Hier könnte man noch auf die ursprüngliche Absicht der Marquise als Witwe eingehen,
      2. nicht wieder zu heiraten.
    3. der schließlich zu dem Kompromiss führt,
    4. dass die Marquise verspricht,
    5. während der dringend notwendigen Reise des Grafen
    6. keinem anderen ihr Ja-Wort zu geben.
  6. Als sie schwanger wird
    1. Hier könnte man noch auf den langen Weg zur Erkenntnis eingehen,
    2. zunächst Beschwerden
    3. dann der Arzt-Besuch
    4. und schließlich die Hebamme
  7. und deswegen von ihren Eltern verstoßen wird,
    1. Hier könnte man eingehen auf die zunehmende Selbstständigkeit der jungen Frau
    2. die ihre Kinder verteidigt
    3. sich einen eigenen Haushalt aufbaut
    4. gegenüber der erneuten Werbung des Grafen standhaft bleibt
  8. veröffentlicht sie eine Such-Anzeige
    1. die führt dann zu einer Art Test der Mutter,
    2. bei der sich herausstellt,
    3. dass die Marquise wirklich nicht weiß, wer der Vater ist,
    4. was zur Versöhnung zunächst mit der Mutter
    5. und dann auch mit dem Vater führt.
  9. und der Offizier meldet sich tatsächlich.
  10. Die Marquise ist aber so empört,
  11. dass sie erst nichts von ihm wissen will,
  12. dann aber doch in eine Vernunft-Ehe einwilligt,
  13. bei der der Graf keine Rechte,
  14. sondern nur Pflichten hat.
  15. Da er sich dann aber als anständiger und liebevoller Mensch zeigt,
    1. wird er wenigstens zur Taufe des Kindes eingeladen
    2. zeigt sich dort finanziell und testamentarisch sehr großzügig
    3. und kommt schließlich in einen immer engeren und innigeren Kontakt mit der Marquise
  16. gibt sie schließlich ein zweites Mal ihr Ja-Wort
  17. und beide werden glückliche Vater und Mutter einer wachsenden Familie.
    1. Hier könnte man noch auf den Schluss eingehen mit dem Engel-Teufel-Vergleich.

Wir hoffen, dass wir hier einiges zeigen konnten und wünschen viel Erfolg auch bei anderen Werken  🙂

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