Dürrenmatt, „Der Besuch der alten Dame“ – anderer Schluss (Mat2122)

 

Anderer Schluss – wo kommt der her?

Dürrenmatts Theaterstück endet mit dem vollständigen Sieg der Milliardärin – sie hat den Tod ihres einstigen Geliebten verlangt – und sie hat ihn bekommen.

Wenn man sich überlegt, wie das Stück auch anders hätte enden können, dann braucht man dafür

  • eine Idee für das Eingreifen von irgend jemandem
  • einen Absprungpunkt
  • und eine Rede – denn alles geschieht auf einer Bühne durch Sprache -, die die Leute zur Einsicht bringt.
  • Allerdings muss man auch berücksichtigen, dass Ill seinen Tod akzeptiert hat.

Inzwischen gibt es ein Video zu dem Thema

Das Video kann unter der folgenden Adresse abgerufen werden:

https://youtu.be/Swq-i2dZeNY

Die kann die Dokumention heruntergeladen werden.

Darunter präsentieren wir die wichtigsten Seiten.

Mat2122 Der Besuch der alten Dame anderer Schluss



Dürrenmatts Theaterstück endet mit dem vollständigen Sieg der Milliardärin – sie hat den Tod ihres einstigen Geliebten verlangt – und sie hat ihn bekommen.

Wenn man sich überlegt, wie das Stück auch anders hätte enden können, dann braucht man dafür

1.eine Idee für das Eingreifen von irgend jemandem

2.einen Absprungpunkt

3.und eine Rede – denn alles geschieht auf einer Bühne durch Sprache -, die die Leute zur Einsicht bringt.

4.Allerdings muss man auch berücksichtigen, dass Ill seinen Tod akzeptiert hat.


Welche Figur käme in Frage?

 

•Der Pfarrer

oAuch er macht lange bei dem Lügenspiel mit.

oNach außen vertritt man menschliche Werte.

oIn Wirklichkeit aber verhält man sich so, als wäre Ill schon tot.

oDer Pfarrer hat schon eine neue Glocke auf Kredit angeschafft.

oAnsonsten präsentiert er dem verängsteten Ill erst mal auch nur Floskeln: “Man soll nicht die Menschen fürchten, sondern Gott.”

o—

oDoch dann fällt er plötzlich aus dieser Rolle.

ozu Ill: “Flieh! Wir sind schwach.”

o“Führe uns nicht in Versuchung, indem du bleibst.”

•Der Lehrer

obezeichnet sich als “Humanist”

oerkennt das Schauerliche, als Claire erscheint

oMit dem Doktor zusammen versucht er, mit Claire einen Deal zu machen: “ringen Sie sich zur reinen Menschlichkeit durch.”

owill der Presse die Wahrheit sagen

owird von Ill abgehalten

omerkt, wie er zum “Mörder” wird und säuft

oahnt, dass auch zu ihnen einmal eine “Dame” kommt

oHält dann die Lügen-Rede, die zum Tode Ills führt.


Pfarrer-Variante

 

•S. 129: Der Polizist zu Ill:“Steh auf du Schwein. Er reißt ihn in die Höhe.”

•Der Bürgermeister: “Polizeiwachtmeister, beherrschen Sie sich.”

•Der Polizist: “Verzeihung. Es ging mit mir durch.”

•—

•Hier könnte der Pfarrer eingreifen:

o“Halt, Stopp. Es reicht.

oIch hoffe, Ihr seid auch erschrocken.

oHier ist ein Mensch, ein Mitbürger von uns als “Schwein” bezeichnet worden.

oDas hat der Bürgermeister zu Recht kritisiert.

oGut, dass der Polizist um Verzeihung gebeten hat.

oAber es geht gar nicht um ihn.

oEigentlich war es sogar gut, dass mit dem Polizisten etwas “durchgegangen” ist.

oMit uns allen ist etwas durchgegangen.

o(…)


Lehrer-Variante

 

•           S. 120: Der Bürgermeister: “Ich gebe dem Lehrer das Wort.”

•           —

•           Dann die Rede,

o           Die alte Dame will Gerechtigkeit.

o           Das Gemeinwesen soll sich in ein gerechtes verwandeln.

o           Waren wir nicht gerecht?

o           “Wir duldeten ein Verbrechen.”

o           “Ein Fehlurteil”

o           “Meineid!”

•           Eine Frauenstimme: “Einen Schuft”.

•           Der Lehrer:

o           Halt, nicht “einen Schuft”.

o           Viele Schufte.

o           Einige sind schon bestraft worden. Ihr habt Toby und Roby gesehen.

o           Und wie viele von euch haben es gewusst oder zumindest geahnt.

o           Aber zu richtigen Schuften sind wir erst geworden, als das Angebot der alten Dame auf dem Tisch lag.

(…)


Beide Lösungen scheinen erst mal gut auszusehen:

Aber:

Es gibt zwei Probleme:

1.Ill hat sich zum Sterben entschlossen – an ihn müssten sich auch beide Redner wenden.

2.Dann gibt es das Problem mit den Schulden. Am besten lässt man die alte Dame früher eintreten als in der originalen Lösung. Sie kann dann erstaunt sein, dass ihr Wunsch noch nicht erfüllt worden ist.Dann könnte Ill auf sie zugehen uns sagen: Ich war entschlossen zu sterben – aber meine Mitbürger wollen es nicht mehr. Und ich möchte meinen Fehler von damals anders wieder gutmachen: Nimm mich mit nach Capri – da kann ich dir jeden Tag zeigen, dass es mir leid tut.


Zusammenfassung und Ratschlag für ähnliche Fälle:

1.Man muss erst mal schauen, was anders werden könnte.Hier: Kein einsamer Schuld-Tod und ein neues Verbrechen, das – wie der Lehrer gesagt hat, jeden auch einmal treffen kann.

2.Dann braucht man

1.eine Figur, die die Wende bringen kann hier: Pfarrer oder Lehrer

2.und eine Stelle, an der die Wende gelingen kann: hier die Beschimpfung des Polizisten oder die Rede des Lehrers.

3.Und man braucht ggf. eine Lösung für die Folgen, die sich ergeben: hier: Ill und Claire und die Schulden


Ab hier – die Vorstufe zu unserem Video

  • Die Idee könnte sein, dass entweder der Pfarrer oder der Lehrer eingreifen. Vielleicht kann man auch zwei Varianten entstehen lassen und dann vergleichen. Oder man lässt beide gemeinsam eingreifen.
  • Der Absprungpunkt wäre an der Stelle möglich, wo der Polizist zum zögernden Ill sagt: „Steh auf, du Schwein.“ Denn hier wird eine Grenze auch in der Rede überschritten, nicht nur in der Sache.
  • Der Pfarrer könnte aufstehen und laut rufen „Halt“.
  • Der Bürgermeister: „Hochwürden, was ist?“
  • Pfarrer: Es reicht – das war zuviel. Ill hat gesündigt – aber er ist kein Schwein. Er ist ein Mensch – und wir sind es nicht mehr. Hört mir zu: Ills Sünde liegt viele Jahre zurück – und sie kann nicht mehr gut gemacht werden – schon gar nicht dadurch, dass eine Sünde begangen wird. Und wir haben gesündigt – wir alle. Schaut auf eure Füße, diese neuen Schuhe. Auch ich habe sie genommen – aber jetzt ziehe ich sie aus und werfe sie einer Frau vor die Füße, die viel gelitten hat, aber dann auch selbst schuldig geworden ist.
  • Pfarrer zu Frau Claire Zachanassian:
    Das könnte jetzt eigenständig fortgesetzt werden 😉

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