Büchner, „Woyzeck“ – Einordnung in die Literaturgeschichte (Mat7247-woyzeck)

Worum es hier geht:

  • Wir wollen an wichtigen literarischen Werken zeigen, dass sie
    • natürlich rein zeitlich in eine bestimmte Epoche der Literaturgeschichte gehören,
    • dass sie aber durchaus zusätzlich Merkmale weiterer Epochen aufweisen können.
  • Man könnte auch sagen:
    • Mit den Epochen der Literaturgeschichte ist es wie bei den Modeströmungen:
    • Irgendwann taucht eine zum ersten Mal auf,
    • nimmt dabei häufig auch Elemente früherer Zeiten auf
    • verschwindet dann aus dem „Mainstream“ der Moden
    • und kehrt irgendwann auch wieder
      • entweder als eine abgewandelte Neuauflage
      • oder als bewusste Wiederaufnahme. („Retro„)

Nun zu Büchners „Woyzeck“

Die Zitate in Kursivschrift aus:

Quelle: Georg Büchner: Sämtliche Werke und Briefe. Band 1–2, Band 1, Reinbek 1967–1971, bzw. München 21974, S. 144. Entstanden: 1836/37. Erstdruck: In: Neue Freie Presse (Wien), Nov. 1875.
  • Büchners „Woyzeck“ ist 1836/1837
    • als Fragment entstanden, weil der Verfasser noch während der Arbeit am Werk gestorben ist.
    • Veröffentlicht wurde es erst im Jahre 1879.
  • Von der Zeit her gehört es also zum sogenannten „Vormärz“, also der Zeit nach dem Ende der Epoche der Weimarer Klassik (Goethes Tod 1832)
    • Diese Epoche ist geprägt von der Kritik an den herrschenden politischen und sozialen Verhältnissen.
    • Bezeichnend ist die Antwort Woyzecks auf moralische Vorwürfe des Hauptmanns:
      „HAUPTMANN. Woyzeck, Er ist ein guter Mensch, ein guter Mensch – aber Mit Würde. Woyzeck, Er hat keine Moral!“
    • WOYZECK. Ja Herr Hauptmann, die Tugend! ich hab’s noch nicht so aus. Sehn Sie, wir gemeine Leut, das hat keine Tugend, es kommt einem nur so die Natur, aber wenn ich ein Herr wär und hätt ein Hut und eine Uhr und eine anglaise und könnt vornehm reden, ich wollt schon tugendhaft seyn. Es muß was Schöns seyn um die Tugend, Herr Hauptmann. Aber ich bin ein armer Kerl.
  • Typisch für diese Zeit ist auch, dass traditionelle Vorstellungen des Idealismus, bsd. der Klassik, in Frage gestellt werden.
    Das wird besonders deutlich an den Phänomenen Determinismus, Fatalismus bis hin zum Nihilismus – was sich beim Hauptmann und besonders beim Doktor.
  • Man könnte allerdings sogar so weit gehen, diese beiden Figuren in ihrer Ichbezogenheit und Haltung ohne jede echte Grundorientierung mit der Postmoderne in Verbindung zu bringen.
  • Die Moderne war ja eine Fortsetzung dessen, was in der Aufklärung begannt. Man wollte die Herrschaft über die Natur und daraus wurde immer mehr auch eine Herrschaft über den Menschen, bsd. in der sich entwickelnden Massenkultur des 19. Jhdts.
  • Im 20. Jhdt ging es dann bis zur massenhaften Vernichtung all der Menschen, die der herrschenden Ideologie aus irgendeinem Grunde im Wege standen.
  • In dem Zusammenhang könnte man auf die „Dialektik der Aufklärung“ verweisen, eine Schrift von Adorno und Horkheimer, die während des II. Weltkrieges nach einer Erklärung für die Kriege und Verbrechen ihrer Zeit suchten. Und sie sahen den Keim bereits in der Aufklärung. Die „befreite“ die Menschen von traditionellen Vorstellungen, die nicht immer menschlich waren (Inquisition), aber einen gewissen Halt mit der dazugehörigen Moral vermittelten.
  • Und sie wollte die Menschen auch aus der Abhängigkeit von der Natur befreien – und die sich daraus entwickelnde Wissenschaft hatte einen Januskopf: Viel Fortschritt, aber auch das Gegenteil, wenn man an die Maschinengewehre, das Giftgas und schließlich die Bombenangriffe des II. Weltkrieges denkt.
  • Und wenn man die zunehmende Entwicklung von Genetik, aber auch Biowaffen denkt, muss man befürchten, dass der Menschheit das Schlimmste noch bevorsteht, wenn es keine Gegenbewegung gibt.
  • Und damit schließlich sich der Kreis von Büchners Drama bis zur Gegenwart. Im Märchen der Großmutter wird ja symbolisch gezeigt, was aus der Welt und der Welt in ihm werden kann.

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