Der Streit um den „Tod der Literatur“ um 1970 (Mat7348)

Der Tiefpunkt im Ansehen der „schöngeistigen“ Literatur um1970?

  1. Die sogenannte „Studentenbewegung“ von 1968 stellte vieles in Frage, was bis dahin klar zur bürgerlichen Kultur gehörte.
  2. Das ging sogar so weit, dass es eine weit verbreitete Diskussion über den „Tod der Literatur“ gab.
  3. Diese Diskussion war geprägt von einer kritischen Auseinandersetzung mit traditionellen literarischen Formen und einer Hinwendung zu neuen, politisch engagierten Ausdrucksweisen.

  4. Die traditionelle sogenannte „bürgerliche Literatur“ wurde als Stütze des bestehenden – aus der Sicht vieler Studenten – kapitalistischen Systems betrachtet.
  5. Dementsprechend sprach man provozierend vom notwendigen „Tod“ dieser Literatur“ und wollte sie durch neue, wirkungsvollere Formen ersetzen.
  6. Diese neuen Formen umfassten Dokumentarliteratur und sozialkritische Reportagen, die als zeitgemäßer und relevanter betrachtet wurden. Es bildete sich auch eine regelrechte Arbeiterliteratur heraus.
  7. Dabei darf nicht vergessen werden, dass für viele Studenten damals die DDR fortschrittlicher erschien, was die Rechte von Arbeitern anging – die Einschränkungen von Freiheiten wurden ausgeklammert.
  8. Eine interessante Quelle ist das „Kursbuch 15“, wo der „Tod der Literatur“ thematisiert wurde. Autoren wie Hans Magnus Enzensberger waren zurückhaltender und forderten lediglich, dass die Literatur eine direkte Entsprechung zur politischen Aktion haben müsse. Das hätte natürlich die Abkehr von fiktionalen und traditionellen literarischen Formen bedeutet.
  9. Interessante ergänzende Infos findet man hier:
    https://www.deutschlandfunkkultur.de/1968-wie-die-literatur-von-der-revolte-profitierte-100.html
  10. Auch sehr interessant ist der kritische Rückblick eines wichtigen Teilnehmers und Beobachters der Zeit. Da wird wieder einmal deutlich, dass nichts genauso ist, wie es in Geschichtsbüchern steht:
    https://www.fcdelius.de/widerreden/wider_kursbuch_15.html

Wir haben perplexity.ai mal gebeten, die Hauptpunkte des Verfassers zusammenzustellen. Dabei ist Folgendes herausgekommen (zitiert in kursiver Schrift).

  • Klischees der 68er-Bewegung: Der Verfasser kritisiert die vereinfachte und klischeehafte Darstellung der 68er-Bewegung in den Medien. Er betont, dass die Bewegung viel widersprüchlicher, mehrdeutiger und spielerischer war, als es oft dargestellt wird. Die mediale Aufbereitung neigt dazu, die extremsten und plakativsten Aspekte zu zeigen, während die vielfältigen und ambivalenten Facetten der Bewegung vernachlässigt werden
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  • Mythos vom „Tod der Literatur“: Der Verfasser widerspricht der Vorstellung, dass das „Kursbuch 15“ den „Tod der Literatur“ ausgerufen habe. Er argumentiert, dass die Vielfalt der literarischen Beiträge in diesem Heft die Lebendigkeit der Literatur zeigt, anstatt sie zu begraben. Der Verfasser sieht die Behauptung vom Tod der Literatur als Missverständnis und betont, dass die Literatur in ihren verschiedenen Formen und Möglichkeiten gefeiert wurde
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  • Kritik an der Ideologisierung: Der Verfasser kritisiert die Tendenz, jede Ideologisierung mit einer neuen Gegenidee zu bekämpfen, was zu einem endlosen Kreislauf von Thesen und Gegenthesen führte. Diese Dynamik führte seiner Meinung nach zu einer Legendenbildung, die die Komplexität der 68er-Bewegung simplifiziert
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  • Rolle der Literaturkritik: Der Verfasser hebt hervor, dass die Literaturkritik in Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche unter Druck steht, sich zu rechtfertigen. Er sieht den Druck als notwendig für die Kunst, um sich mit nie eindeutig zu beantwortenden Fragen auseinanderzusetzen, wie der Rolle der Kunst als Widerstand oder ihrer affirmativen und integrativen Funktion
  • ….

Insgesamt plädiert der Verfasser für eine differenzierte Betrachtung der 68er-Bewegung und der literarischen Entwicklungen dieser Zeit, die über vereinfachte Mythen und Klischees hinausgeht.

Dazu ein Kommentar von Lars Krüsand – im Stil der Schlegelschen Fragment. Es sind Denkanstöße, nichts absolut Fertiges, aber hoffentlich anregend.

Wieder mal: Notwendigkeit der Revision

Da beschäftigt man sich mit der These vom Tod der Literatur im Rahmen der Achtundsechziger-Bewegung. Und dann stößt man auf die Eröffnungsrede eines Beteiligten bei einer späteren Ausstellung zu dieser Zeit.
https://www.fcdelius.de/widerreden/wider_kursbuch_15.html
Kaum hat man angefangen, diese Rede zu lesen, wird mal wieder deutlich, dass nichts so war, wie es in in den  Kurzfassungen der Geschichtsbücher steht. Man muss wohl Immanuel Kants Forderung im Zusammenhang mit der Aufklärung auch auf diese Informationsquellen ausdehnen. Es ist seltsam, dass die Lebenserfahrung von Richtern, dass Zeugen-Aussagen sehr unterschiedlich sein können, nicht auch auf andere Lebensbereiche übertragen wird. Die Frage ist immer: wer hat sich beim Marsch in die Geschichtsbücher durchgesetzt und warum.

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