Fontanes Roman „Effi Briest“ – Inhalt, Schlüsselzitate, Detail-Interpretation
- Fontanes Roman „Effi Briest“ ist 1896 als Buch erschienen, also inzwischen weit mehr als 100 Jahre alt.
- Dennoch gilt er immer noch als Klassiker, also als ein Werk, das nicht nur in seiner Zeit herausragend war, sondern auch für spätere Generationen noch eine große Bedeutung hat.
- Das bekommen auch Schüler zu spüren, weil dieser Roman immer wieder mal im Pflichtprogramm auftaucht – oder zumindest empfohlen wird – nach dem Motto: „Wie wäre es mit einem Referat dazu?“
- So etwas haben wir hier zwar nicht vor, dennoch wollen wir einen möglichst schnellen Überblick über den Inhalt und interessante Textstellen bieten.
- Dann kann man schon mal mitreden – und sich auch die Passagen und Gesichtspunkte heraussuchen, die man für sich noch genauer klären möchte.
Kap1:
- EB5ff: Effi präsentiert sich im Garten des Hauses ihrer Eltern noch recht kindlich. Das zeigt besonders die folgende Textstelle, die sich auf ihre Turnübungen bezieht. Ihre Mutter dazu:
- „‚Effi, eigentlich hättest du doch wohl Kunstreiterin werden müssen. Immer am Trapez, immer Tochter der Luft. Ich glaube beinah, dass du so was möchtest.“
- (E:) ‚Vielleicht, Mama.
- (E:) Aber wenn es so wäre, wer wäre schuld? Von wem hab ich es? Doch nur von dir.
- (E:) Oder meinst du von Papa? Da musst du nun selber lachen.
- (E:) Und dann, warum steckst du mich in diesen Hänger, in diesen Jungenskittel? Mitunter denk ich, ich komme noch wieder in kurze Kleider. Und wenn ich die erst wieder habe, dann knicks ich auch wieder wie ein Backfisch, und wenn dann die Rathenower herüberkommen, setze ich mich auf Oberst Goetzes Schoß und reite hopp, hopp. Warum auch nicht? Drei Viertel ist er Onkel und nur ein Viertel Courmacher.
- (E:) Du bist schuld. Warum kriege ich keine Staatskleider? Warum machst du keine Dame aus mir?‘
- (M:) ‚Möchtest du’s?‘
- (E:) ‚Nein.‘ Und dabei lief sie auf die Mama zu und umarmte sie stürmisch und küsste sie.
- (M:) ‚Nicht so wild, Effi, nicht so leidenschaftlich. Ich beunruhige mich immer, wenn ich dich so sehe…‘
- Und die Mama schien ernstlich willens, in Äußerung ihrer Sorgen und Ängste fortzufahren.“
- Aber dann kommen drei Freundinnen Effis, die Mutter geht und die Mädchen können sich über einiges austauschen:
- Effi informiert ihre Freundinnen, dass ein alter Freund der Mutter sich angesagt hat und erwartet wird.
- Mit ihm verbunden ist eine alte Liebesgeschichte, die zu „Entsagung“ geführt hat.
- Dazu ist es gekommen, weil Effis wirklicher Vater einfach mehr zu bieten hatte.
- Als Effi dann ins Haus gerufen wird, versenken die Mädchen noch feierlich die Obstreste im Teich und Effi fällt dabei ein: „… so vom Boot aus sollen früher auch arme unglückliche Frauen versenkt worden sein, natürlich wegen Untreue“
—
Fazit: Am Ende des Kapitels hat der Leser den Eindruck,
- dass diese Effi sich noch recht unbefangen, ja geradezu kindlich gibt,
- und man ahnt schon, dass der Besucher für sie noch wichtig werden wird.
- Die Anspielung auf unglückliche und dann ungetreue Frauen bekommt natürlich erst ihre Bedeutung, wenn man den weiteren Verlauf des Romans kennt.
EB14ff: Kap2:
- Effi wird von ihrer Mutter ins Haus gerufen,
- weil der Baron von Innstetten zu früh angekommen ist.
- Auf dem Weg wird ihr mitgeteilt, dass der Mann um ihre Hand angehalten hat.
- Während Effi noch mit ihrer Überraschung kämpft, macht die Mutter ihr deutlich:
- „‚… Ich muss dir nämlich sagen, Effi, daß Baron Innstetten eben um deine Hand angehalten hat.‘
- ‚Um meine Hand angehalten? Und im Ernst?‘
- ‚Es ist keine Sache, um einen Scherz daraus zu machen. Du hast ihn vorgestern gesehen, und ich glaube, er hat dir auch gut gefallen. Er ist freilich älter als du, was alles in allem ein Glück ist, dazu ein Mann von Charakter, von Stellung und guten Sitten, und wenn du nicht ›nein‹ sagst, was ich mir von meiner klugen Effi kaum denken kann, so stehst du mit zwanzig Jahren da, wo andere mit vierzig stehen. Du wirst deine Mama weit überholen.‘
- Effi schwieg und suchte nach einer Antwort. Aber ehe sie diese finden konnte, hörte sie schon des Vaters Stimme von dem angrenzenden, noch im Fronthause gelegenen Hinterzimmer her, und gleich danach überschritt Ritterschaftsrat von Briest, ein wohlkonservierter Fünfziger von ausgesprochener Bonhomie, die Gartensalonschwelle – mit ihm Baron Innstetten, schlank, brünett und von militärischer Haltung.
- Effi, als sie seiner ansichtig wurde, kam in ein nervöses Zittern; aber nicht auf lange, denn im selben Augenblicke fast, wo sich Innstetten unter freundlicher Verneigung ihr näherte, wurden an dem mittleren der weit offenstehenden und von wildem Wein halb überwachsenen Fenster die rotblonden Köpfe der Zwillinge sichtbar, und Hertha, die Ausgelassenste, rief in den Saal hinein: ‚Effi, komm.‘
- Dann duckte sie sich, und beide Schwestern sprangen von der Banklehne, darauf sie gestanden, wieder in den Garten hinab, und man hörte nur noch ihr leises Kichern und Lachen.“
- Und dann der Sprung zu Beginn des dritten Kapitels, der deutlich macht, wie gering Effis Anteil an der Entscheidung zu dieser Ehe ist:
- „Noch an demselben Tage hatte sich Baron Innstetten mit Effi Briest verlobt.“
- Und anschließend geht es mehr um Vater Briest als das plötzlich zur Braut gewordene Mädchen.
- Instetten verschwindet dann auch schnell wieder, schreibt aber immerhin jeden Tag einen Brief und erwartet von Effi nur einen pro Woche.
- Dann geht es nach Berlin, um dort einiges für die Hochzeit einzukaufen.
- Interessant der Kommentar des Erzählers zu Effis scheinbarer Bescheidenheit:
- „Es waren himmlische Tage für alle drei, nicht zum wenigsten für den Vetter, der so wundervoll zu chaperonieren und kleine Differenzen immer rasch auszugleichen verstand. An solchen Meinungsverschiedenheiten zwischen Mutter und Tochter war nun, wie das so geht, all die Zeit über kein Mangel, aber sie traten glücklicherweise nie bei den zu machenden Einkäufen hervor. Ob man von einer Sache sechs oder drei Dutzend erstand, Effi war mit allem gleichmäßig einverstanden, und wenn dann auf dem Heimwege von dem Preise der eben eingekauften Gegenstände gesprochen wurde, so verwechselte sie regelmäßig die Zahlen. Frau von Briest, sonst so kritisch, auch ihrem eigenen geliebten Kinde gegenüber, nahm dies anscheinend mangelnde Interesse nicht nur von der leichten Seite, sondern erkannte sogar einen Vorzug darin. ‚Alle diese Dinge‘, so sagte sie sich, ‚bedeuten Effi nicht viel. Effi ist anspruchslos; sie lebt in ihren Vorstellungen und Träumen, und wenn die Prinzessin Friedrich Karl vorüberfährt und sie von ihrem Wagen aus freundlich grüßt, so gilt ihr das mehr als eine ganze Truhe voll Weißzeug.‘
- Das alles war auch richtig, aber doch nur halb. An dem Besitze mehr oder weniger alltäglicher Dinge lag Effi nicht viel, aber wenn sie mit der Mama die Linden hinauf und hinunter ging und nach Musterung der schönsten Schaufenster in den Demuthschen Laden eintrat, um für die gleich nach der Hochzeit geplante italienische Reise allerlei Einkäufe zu machen, so zeigte sich ihr wahrer Charakter. Nur das Eleganteste gefiel ihr, und wenn sie das Beste nicht haben konnte, so verzichtete sie auf das Zweitbeste, weil ihr dies Zweite nun nichts mehr bedeutete. Ja, sie konnte verzichten, darin hatte die Mama recht, und in diesem Verzichtenkönnen lag etwas von Anspruchslosigkeit; wenn es aber ausnahmsweise mal wirklich etwas zu besitzen galt, so mußte dies immer was ganz Apartes sein. Und darin war sie anspruchsvoll.“
- Diese vertiefte Einsicht hätte man auch einer Figur zuordnen können, aber sie wird hier ganz eindeutig außerhalb des Geschehenshorizontes vom Erzähler eingebracht.
EB24ff: 4. Kapitel:
- Effi und ihre Mutter sind aus Berlin zurückgekehrt.
- Wichtig ist ein Gespräch zwischen den beiden, in denen Effis Grundeinstellung zur Liebe, aber auch zum Leben sehr deutlich wird:
- (M:) „‚Nun, Effi, kein Wort? Du strahlst nicht und lachst nicht einmal. Und er schreibt doch immer so heiter und unterhaltlich und gar nicht väterlich weise.‘
- E:) ‚Das würd ich mir auch verbitten. Er hat sein Alter, und ich habe meine Jugend. Und ich würde ihm mit dem Finger drohen und ihm sagen: ‚Geert, überlege, was besser ist.“
- (M:) „“Und dann würde er dir antworten: “Was du hast, Effi, das ist das Bessere.“ Denn er ist nicht nur ein Mann der feinsten Formen, er ist auch gerecht und verständig und weiß recht gut, was Jugend bedeutet. Er sagt sich das immer und stimmt sich auf das Jugendliche hin, und wenn er in der Ehe so bleibt, so werdet ihr eine Musterehe führen.‘
- E:) ‚Ja, das glaube ich auch, Mama. Aber kannst du dir vorstellen, und ich schäme mich fast, es zu sagen, ich bin nicht so sehr für das, was man eine Musterehe nennt.‘
- (M:) „“Das sieht dir ähnlich. Und nun sage mir, wofür bist du denn eigentlich?‘
- (E:) ‚Ich bin… nun, ich bin für gleich und gleich und natürlich auch für Zärtlichkeit und Liebe. Und wenn es Zärtlichkeit und Liebe nicht sein können, weil Liebe, wie Papa sagt, doch nur ein Papperlapapp ist (was ich aber nicht glaube), nun, dann bin ich für Reichtum und ein vornehmes Haus, ein ganz vornehmes, wo Prinz Friedrich Karl zur Jagd kommt, auf Elchwild oder Auerhahn, oder wo der alte Kaiser vorfährt und für jede Dame, auch für die jungen, ein gnädiges Wort hat. Und wenn wir dann in Berlin sind, dann bin ich für Hofball und Galaoper, immer dicht neben der großen Mittelloge.‘
- (M:) „“Sagst du das so bloß aus Übermut und Laune?‘
- (E:) „“Nein, Mama, das ist mein völliger Ernst. Liebe kommt zuerst, aber gleich hinterher kommt Glanz und Ehre, und dann kommt Zerstreuung – ja, Zerstreuung, immer was Neues, immer was, daß ich lachen oder weinen muß. Was ich nicht aushalten kann, ist Langeweile.'“
- Etwas später geht es um die Liebe:
- „Effi faltete den Brief wieder zusammen, um ihn in das Couvert zu stecken.
- (M:) ‚Das ist ein sehr hübscher Brief‘, sagte Frau von Briest, ‚und dass er in allem das richtige Maß hält das ist ein Vorzug mehr.‘
- (E:) ‚Ja, das rechte Maß, das hält er.‘
- (M:) ‚Meine liebe Effi, laß mich eine Frage tun; wünschtest du, daß der Brief nicht das richtige Maß hielte, wünschtest du, daß er zärtlicher wäre, vielleicht überschwenglich zärtlich?‘
- (E:) ‚Nein, nein, Mama. Wahr und wahrhaftig nicht, das wünsche ich nicht. Da ist es doch besser so.‘
- (M:) ‚Da ist es doch besser so. Wie das nun wieder klingt. Du bist so sonderbar. Und dass du vorhin weintest. Hast du was auf deinem Herzen? Noch ist es Zeit. Liebst du Geert nicht?‘
- (E:) ‚Warum soll ich ihn nicht lieben? Ich liebe Hulda, und ich liebe Bertha, und ich liebe Hertha. Und ich liebe auch den alten Niemeyer. Und daß ich euch liebe, davon spreche ich gar nicht erst. Ich liebe alle, die’s gut mit mir meinen und gütig gegen mich sind und mich verwöhnen. Und Geert wird mich auch wohl verwöhnen. Natürlich auf seine Art. Er will mir ja schon Schmuck schenken in Venedig. Er hat keine Ahnung davon, daß ich mir nichts aus Schmuck mache. Ich klettre lieber, und ich schaukle mich lieber, und am liebsten immer in der Furcht, daß es irgendwo reißen oder brechen und ich niederstürzen könnte. Den Kopf wird es ja nicht gleich kosten.‘
— - Anschließend geht es um den Vergleich zwischen dem Vetter Briest und Instetten:
- „‚Und liebst du vielleicht auch deinen Vetter Briest?‘
- ‚Ja, sehr. Der erheitert mich immer.‘
- ‚Und hättest du Vetter Briest heiraten mögen?‘
- ‚Heiraten? Um Gottes willen nicht. Er ist ja noch ein halber Junge. Geert ist ein Mann, ein schöner Mann, ein Mann, mit dem ich Staat machen kann und aus dem was wird in der Welt. Wo denkst du hin, Mama.‘
- ‚Nun, das ist recht, Effi, das freut mich. Aber du hast noch was auf der Seele.‘
- Anmerkung: Hier zeigt sich, dass Effi von ihrer Mutter viel übernommen hat. Denn genau das hat sie ihr ja als Vorteil genannt, wenn sie sich auf die Ehe mit Innstetten einlässt.
- ‚Vielleicht.‘
- ‚Nun, sprich.‘
- ‚Sieh, Mama, dass er älter ist als ich, das schadet nichts, das ist vielleicht recht gut: er ist ja doch nicht alt und ist gesund und frisch und so soldatisch und so schneidig. Und ich könnte beinah sagen, ich wäre ganz und gar für ihn, wenn er nur… ja, wenn er nur ein bißchen anders wäre.‘
- ‚Wie denn, Effi?‘
- ‚Ja, wie. Nun, du darfst mich nicht auslachen. Es ist etwas, was ich erst ganz vor kurzem aufgehorcht habe, drüben im Pastorhause. Wir sprachen da von Innstetten, und mit einem Male zog der alte Niemeyer seine Stirn in Falten, aber in Respekts- und Bewunderungsfalten, und sagte: ›Ja, der Baron! Das ist ein Mann von Charakter, ein Mann von Prinzipien.‹‘
- ‚Das ist er auch, Effi.‘
- ‚Gewiß. Und ich glaube, Niemeyer sagte nachher sogar, er sei auch ein Mann von Grundsätzen. Und das ist, glaub ich, noch etwas mehr. Ach, und ich… ich habe keine. Sieh, Mama, da liegt etwas, was mich quält und ängstigt. Er ist so lieb und gut gegen mich und so nachsichtig, aber… ich fürchte mich vor ihm.‘
EB37ff: Kapitel 5:
Dieses Kapitel ist besonders interessant, weil sie das, was vorher auf die Schnelle entschieden worden ist, jetzt genauer prüft.
Das geschieht vor allem in einem Gespräch zwischen Briest und seiner Frau.
Dort wird eigentlich schon festgestellt, dass Effi und ihr Mann nur zur Hälfte zusammenpassen – und die fehlende Hälfte sich verhängnisvoll auswirken kann:
Effi könnte sich langweilen
und dann könnte sie etwas „Rabiates“ rauslassen, was sie bei aller Kindlichkeit auch hat.
Aber schauen wir uns die Einzelheiten und die wichtigsten Textstellen mal genauer an:
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- Effi ist mit Innstetten auf Hochzeitsreise in Italien.
- Vater Briest unterhält sich mit seiner Frau darüber und stellt fest:
- „Innstetten ist ein vorzüglicher Kerl, aber er hat so was von einem Kunstfex, und Effi, Gott, unsere arme Effi, ist ein Naturkind. Ich fürchte, daß er sie mit seinem Kunstenthusiasmus etwas quälen wird.“
- Kurz darauf dann ein sehr weitgehender Hinweis des Mannes zu seiner Frau:
„Und dann sind auch die Menschen so verschieden. Du, nun ja, du hättest dazu getaugt. Überhaupt hättest du besser zu Innstetten gepaßt als Effi. Schade, nun ist es zu spät.“ - Dann äußert sich Briest zu seinem Eindruck vom Verhältnis Effis und Instettens:
„Gefiel dir Effi? Gefiel dir die ganze Geschichte? Sie war so sonderbar, halb wie ein Kind, und dann wieder sehr selbstbewußt und durchaus nicht so bescheiden, wie sie’s solchem Manne gegenüber sein müßte. Das kann doch nur so zusammenhängen, daß sie noch nicht recht weiß, was sie an ihm hat. Oder ist es einfach, daß sie ihn nicht recht liebt? Das wäre schlimm. Denn bei all seinen Vorzügen, er ist nicht der Mann, sich diese Liebe mit leichter Manier zu gewinnen.“ - Frau von Briest schweigt erst mal, dann gibt sie zu:
„Was du da sagst, Briest, ist das Gescheiteste, was ich seit drei Tagen von dir gehört habe, deine Rede bei Tisch mit eingerechnet. Ich habe auch so meine Bedenken gehabt. Aber ich glaube, wir können uns beruhigen.“ - Anschließend berichtet sie von ihrem Gespräch mit Effi über die Liebe und in dem Zusammenhang auch über den Vetter und stellt abschließend fest:
- „Da hättest du sie sehen sollen. Ihre nächste Antwort war ein schnippisches Lachen. Der Vetter sei doch eigentlich nur ein großer Kadett in Leutnantsuniform. Und einen Kadetten könne sie nicht einmal lieben, geschweige heiraten. Und dann sprach sie von Innstetten, der ihr mit einem Male der Träger aller männlichen Tugenden war.“
- „Und wie erklärst du dir das?“
- „Ganz einfach. So geweckt und temperamentvoll und beinahe leidenschaftlich sie ist, oder vielleicht auch, weil sie es ist, sie gehört nicht zu denen, die so recht eigentlich auf Liebe gestellt sind, wenigstens nicht auf das, was den Namen ehrlich verdient. Sie redet zwar davon, sogar mit Nachdruck und einem gewissen Überzeugungston, aber doch nur, weil sie irgendwo gelesen hat, Liebe sei nun mal das Höchste, das Schönste, das Herrlichste. Vielleicht hat sie’s auch bloß von der sentimentalen Person, der Hulda, gehört und spricht es ihr nach. Aber sie empfindet nicht viel dabei. Wohl möglich, dass es alles mal kommt, Gott verhüte es, aber noch ist es nicht da.“
- „Und was ist da? Was hat sie?“
- „Sie hat nach meinem und auch nach ihrem eigenen Zeugnis zweierlei: Vergnügungssucht und Ehrgeiz.“
- „Nun, das kann passieren. Da bin ich beruhigt.“
- „Ich nicht. Innstetten ist ein Karrieremacher – vom Streber will ich nicht sprechen, das ist er auch nicht, dazu ist er zu wirklich vornehm –, also Karrieremacher, und das wird Effis Ehrgeiz befriedigen.“
- „Nun also. Das ist doch gut.“
- „Ja, das ist gut! Aber es ist erst die Hälfte. Ihr Ehrgeiz wird befriedigt werden, aber ob auch ihr Hang nach Spiel und Abenteuer? Ich bezweifle. Für die stündliche kleine Zerstreuung und Anregung, für alles, was die Langeweile bekämpft, diese Todfeindin einer geistreichen kleinen Person, dafür wird Innstetten sehr schlecht sorgen. Er wird sie nicht in einer geistigen Öde lassen, dazu ist er zu klug und zu weltmännisch, aber er wird sie auch nicht sonderlich amüsieren. Und was das schlimmste ist, er wird sich nicht einmal recht mit der Frage beschäftigen, wie das wohl anzufangen sei. Das wird eine Weile so gehen, ohne viel Schaden anzurichten, aber zuletzt wird sie’s merken, und dann wird es sie beleidigen. Und dann weiß ich nicht, was geschieht. Denn so weich und nachgiebig sie ist, sie hat auch was Rabiates und läßt es auf alles ankommen.“ (EB42/43)
EB45ff: Kapitel 6:
- Nach dem Ende der Hochzeitsreise geht es über Berlin in das neue Zuhause in Kessin.
- Die Vorstellung des Ortes, der Umgebung und der Menschen kommt bei Effi gut an, das wendet sich dann aber schnell in Richtung schauerlich bzw. unheimlich und löst bei der romantischen jungen Frau gewisse Ängste aus. Zunächst stellt sie fest:
- „‚Aber das ist ja entzückend, Geert. Du sprichst immer von Nest, und nun finde ich, wenn du nicht übertrieben hast, eine ganz neue Welt hier. Allerlei Exotisches. Nicht wahr, so was Ähnliches meintest du doch?‘
- Er nickte.
- ‚Eine ganz neue Welt, sag ich, vielleicht einen Neger oder einen Türken oder vielleicht sogar einen Chinesen.‘
- ‚Auch einen Chinesen. Wie gut du raten kannst. Es ist möglich; daß wir wirklich noch einen haben, aber jedenfalls haben wir einen gehabt; jetzt ist er tot und auf einem kleinen eingegitterten Stück Erde begraben, dicht neben dem Kirchhof. Wenn du nicht furchtsam bist, will ich dir bei Gelegenheit mal sein Grab zeigen; es liegt zwischen den Dünen, bloß Strandhafer drum rum und dann und wann ein paar Immortellen, und immer hört man das Meer. Es ist sehr schön und sehr schauerlich.‘
- ‚Ja, schauerlich, und ich möchte wohl mehr davon wissen. Aber doch lieber nicht, ich habe dann immer gleich Visionen und Träume und möchte doch nicht, wenn ich diese Nacht hoffentlich gut schlafe, gleich einen Chinesen an mein Bett treten sehen.‘
- ‚Das wird er auch nicht.‘
- ‚Das wird er auch nicht. Höre, das klingt ja sonderbar, als ob es doch möglich wäre. Du willst mir Kessin interessant machen, aber du gehst darin ein bißchen weit. Und solche fremde Leute habt ihr viele in Kessin?‘
- ‚Sehr viele. Die ganze Stadt besteht aus solchen Fremden, aus Menschen, deren Eltern oder Großeltern noch ganz woanders saßen.‘
- ‚Höchst merkwürdig. Bitte, sage mir mehr davon. Aber nicht wieder was Gruseliges. Ein Chinese, find ich, hat immer was Gruseliges.‘
- ‚Ja, das hat er‘, lachte Geert. ‚Aber der Rest ist, Gott sei Dank, von ganz anderer Art, lauter manierliche Leute, vielleicht ein bißchen zu sehr Kaufmann, ein bißchen zu sehr auf ihren Vorteil bedacht und mit Wechseln von zweifelhaftem Wert immer bei der Hand. Ja, man muß sich vorsehen mit ihnen. Aber sonst ganz gemütlich.'“
- Etwas später dann die Inbesitznahme ihres Zimmers und erste Regelungen:
- „Sie setzte sich ohne Besinnen auf ein kleines Ecksofa. ‚Heute bleiben wir hier, heute bist du bei mir zu Gast. Oder lieber so: den Tee regelmäßig bei mir, das Frühstück bei dir; dann[53] kommt jeder zu seinem Recht, und ich bin neugierig, wo mir’s am besten gefallen wird.‘
- ‚Das ist eine Morgen- und Abendfrage.‘
- ‚Gewiß. Aber wie sie sich stellt oder, richtiger, wie wir uns dazu stellen, das ist es eben.‘
- Und sie lachte und schmiegte sich an ihn und wollte ihm die Hand küssen.
- ‚Nein, Effi, um Himmels willen nicht, nicht so. Mir liegt nicht daran, die Respektsperson zu sein, das bin ich für die Kessiner. Für dich bin ich…‘
- ‚Nun was?‘
- ‚Ach lass. Ich werde mich hüten, es zu sagen.‘
- Hier merkt man zum einen die Zurückhaltung beim Umgang mit Offenheit und Gefühlen. Man kann das aber auch so verstehen, dass Innstetten eben keine Klarheit schaffen will und damit verschafft bzw. erhält er sich eine gewisse Überlegenheit.
EB56ff: Kapitel 7:
- Hier ist das Gespräch am nächsten Morgen interessant. Effi hat lange geschlafen, Innstetten ist schon unterwegs gewesen. Sie betritt sein Zimmer:
- und entschuldigt sich erst mal für ihr spätes Aufstehen.
- Innstetten stimmt ihr zu, dass seine „süße Effi“ von ihren Eltern insgesamt gut erzogen worden sei.
- Sie ist für ihn vor allem ein „entzückendes, liebes Geschöpf“. (EB61)
- Dann ist ihm vor allem wichtig, dass sie ihn nicht überlebt: „Freilich, wenn ich dann stürbe, nähme ich dich am liebsten mit. Ich will dich keinem andern lassen; was meinst du dazu?“
Effi kann hier nur ausweichen und darum bitten, lieber erst mal vom Leben zu reden. - Als Effi dann auf das unheimliche Rascheln über ihrem Schlafzimmer zu sprechen kommt, macht Innstetten am Ende deutlich, dass man sie doch besser nicht abschneidet. Viel Rücksicht und Verständnis zeigt er hier nicht.
EB64: Kap 8:
- Effi besichtigt mit ihrem Mann das Haus.
- Ein Stuhl mit einem aufgeklebten Chinesen beunruhigt sie.
- Sie bekommt Besuch vom Apotheker Gieshübler, der sie verehrt und dessen Freundschaft sie gerne annimmt.
EB71: Kap 9:
- Antrittsbesuche bei den Adligen der Umgebung.
- Als sie eine Nacht allein ist, hat sie den Eindruck, es spuke, was sie sehr belastet.
EB84ff: Kap 10:
- Innstetten weigert sich nach seiner Rückkehr, mit seiner Frau in ein anderes Haus zu ziehen.
- Dafür bekommt sie von Gieshübler die Einladung zu einem Konzert, die sie gerne annimmt.
- Anschließend will ihr Mann ihr eine Freude machen und fährt mit ihr durch die Gegend.
- Dabei kommen sie an der Grabstelle des Chinesen vorbei. Innstetten erzählt seiner Frau dessen Geschichte, was sie noch mehr in Unruhe versetzt.
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- Wichtiges Zitat, das deutlich macht, dass es eine erste ernste Verstimmung zwischen Effi und ihrem Mann gibt, weil der zu wenig auf sie und ihre Ängste eingeht:
- „‚… Und dann, Effi, kann ich hier nicht gut fort, auch wenn es möglich wäre, das Haus zu verkaufen oder einen Tausch zu machen. Es ist damit ganz wie mit einer Absage nach Varzin hin. Ich kann hier in der Stadt die Leute nicht sagen lassen, Landrat Innstetten verkauft sein Haus, weil seine Frau den aufgeklebten kleinen Chinesen als Spuk an ihrem Bette gesehen hat. Dann bin ich verloren, Effi. Von solcher Lächerlichkeit kann man sich nie wieder erholen.‘
- ‚Ja, Geert, bist du denn so sicher, dass es so was nicht gibt?‘
- ‚Will ich nicht behaupten. Es ist eine Sache, die man glauben und noch besser nicht glauben kann. Aber angenommen, es gäbe dergleichen, was schadet es? Dass in der Luft Bazillen herumfliegen, von denen du gehört haben wirst, ist viel schlimmer und gefährlicher als diese ganze Geistertummelage. Vorausgesetzt, daß sie sich tummeln, daß so was wirklich existiert. Und dann bin ich überrascht, solcher Furcht und Abneigung gerade bei dir zu begegnen, bei einer Briest. Das ist ja, wie wenn du aus einem kleinen Bürgerhause stammtest. Spuk ist ein Vorzug, wie Stammbaum und dergleichen, und ich kenne Familien, die sich ebensogern ihr Wappen nehmen ließen als ihre ›Weiße Frau‹, die natürlich auch eine schwarze sein kann.‘
- Effi schwieg.
- ‚Nun, Effi. Keine Antwort?‘
- ‚Was soll ich antworten? Ich habe dir nachgegeben und mich willig gezeigt, aber ich finde doch, dass du deinerseits teilnahmsvoller sein könntest. Wenn du wüsstest, wie mir gerade danach verlangt. Ich habe sehr gelitten, wirklich sehr, und als ich dich sah, da dacht ich, nun würd ich frei werden von meiner Angst. Aber du sagst mir bloß, daß du nicht Lust hättest, dich lächerlich zu machen, nicht vor dem Fürsten und auch nicht vor der Stadt. Das ist ein geringer Trost. Ich finde es wenig und um so weniger, als du dir schließlich auch noch widersprichst und nicht bloß persönlich an diese Dinge zu glauben scheinst, sondern auch noch einen adligen Spukstolz von mir forderst. Nun, den hab ich nicht. Und wenn du von Familien sprichst, denen ihr Spuk soviel wert sei wie ihr Wappen, so ist das Geschmackssache; mir gilt mein Wappen mehr. Gott sei Dank haben wir Briests keinen Spuk. Die Briests waren immer sehr gute Leute, und damit hängt es wohl zusammen.‘
- Der Streit hätte wohl noch angedauert und vielleicht zu einer ersten ernstlichen Verstimmung geführt, wenn Friedrich nicht eingetreten wäre, um der gnädigen Frau einen Brief zu überreichen. »Von Herrn Gieshübler. Der Bote wartet auf Antwort.«
- Aller Unmut auf Effis Antlitz war sofort verschwunden; schon bloß Gieshüblers Namen zu hören tat Effi wohl, und ihr Wohlgefühl steigerte sich, als sie jetzt den Brief musterte.“
- Als Innstetten Effi etwas von der Lebensgeschichte der Sängerin Trippelli erzählt, reagiert die ganz begeistert, was ihr eine Mahnung und dem Leser eine Vorausdeutung einträgt:
- „Ach, Geert, wie reizend ist das alles, und welch Alltagsleben habe ich doch in Hohen-Cremmen geführt! Nie was Apartes.‘
- Innstetten nahm ihre Hand und sagte: ‚So darfst du nicht sprechen, Effi. Spuk, dazu kann man sich stellen, wie man will. Aber hüte dich vor dem Aparten, oder was man so das Aparte nennt. Was dir so verlockend erscheint – und ich rechne auch ein Leben dahin, wie’s die Trippelli führt –, das bezahlt man in der Regel mit seinem Glück. Ich weiß wohl, wie sehr du dein Hohen-Cremmen liebst und daran hängst, aber du spottest doch auch oft darüber und hast keine Ahnung davon, was stille Tage, wie die Hohen-Cremmner, bedeuten.‘
- ‚Doch, doch‘, sagte sie. ‚Ich weiß es wohl. Ich höre nur gern einmal von etwas anderem, und dann wandelt mich die Lust an, mit dabeizusein. Aber du hast ganz recht. Und eigentlich hab ich doch eine Sehnsucht nach Ruh und Frieden.‘
- Innstetten drohte ihr mit dem Finger. ‚Meine einzig liebe Effi, das denkst du dir nun auch wieder so aus. Immer Phantasien, mal so, mal so.‘
EB96ff: Kap11:
- Auf der Spazierfahrt sieht Effi Züge, was bei ihr Heimweh auslöst.
- Beim Liederabend bewundert sie die Sängerin, Marietta Tripelli, wegen ihres Selbstbewusstseins.
- Effi wird aber über die Ballade vom Ritter Olaf mit dem Gespenstischen konfrontiert, das durchaus Realität sei, wie die Sängerin ihr versichert. Das verstärkt natürlich Effis Ängste, wenn die Trippelli ihr voraussagt:
EB104: „Überhaupt, man ist links und rechts umlauert, hinten und vorn. Sie werden das noch kennenlernen.“
EB104ff: Kap12
- Effi ist schwanger
- und hofft, dass sie mit dem Kind mehr Leben um sich hat.
EB112ff: Kap 13
- Der Winter geht ohne Höhepunkte vorbei.
- Nur der Apotheker bemüht sich in seiner bekannten Art um Effi.
- Außerdem wird der neue Landwehrbezirkskommandeur Crampas erwähnt, dem der Ruf als Frauenheld vorauseilt.
- Einziger Pluspunkt ist Roswitha, die Effi zufällig nach der Beerdigung ihrer bisherigen Arbeitgeberin kennenlernt und dann gleich für ihr Kind einstellt, mit dem sie schwanger ist.
EB127ff: Kap14
- Effi bringt „Lütt Annie“ zur Welt
- und freut sich auf eine Reise zu ihren Eltern nach Hohencremmen.
- Beim Taufmahl sitzt Effi neben Crampas, es kommt zu einem recht scherzhaften Gespräch.
EB131ff: Kap15
- Effi ist für sechs Wochen bei ihren Eltern und verbringt dort eine schöne Zeit.
- In einem Gespräch mit ihrem Vater beklagt Effi, dass Innstetten sich nicht zärtlich genug zeigt.
- Zurück in Kessin überrascht Crampas das frühstückende Ehepaar Innstetten und auch hier kommt es wieder zu einem angeregten Gespräch mit Effi.
EB141ff: Kap16
- Es kommt zu gemeinsamen Ausritten, zunächst zu dritt, dann aber auch Effi und Crampas allein, wenn auch mit Bediensteten als Begleitern.
- Wichtig ist zunächst ein Gespräch noch zwischen Innstetten und Crampas, in dem es um ihre unterschiedlichen Charaktere geht.
- Dann präsentiert Crampas Effi in einem Zwiegespräch seine Sicht auf den zum Teil recht mystischen Innstetten, den er aus der gemeinsamen Militärzeit kennt. Darüber hinaus geht er sogar so weit, Innstettens Umgang mit dem Spuk im Haus als Teil eines Kontroll- und Erziehungsprogramms gegenüber seiner jungen Frau zu interpretieren. Das macht diese verständlicherweise sehr nachdenklich.
EBff149: Kap17
- Effi ist verständlicherweise irritiert und zum Teil auch empört über diese Art von Erziehung.
- Dann beruhigt sie sich aber wieder, im Bewusstsein, dass Crampas doch eine recht unzuverlässige Quelle ist.
- Auf einem weiteren Ausritt kommen sich Crampas und Effi noch näher. In dem Zusammenhang erzählt er ihr auch eine wilde Geschichte um einen Ritter, den der König wegen einer heimlichen Beziehung zur Königin genauso heimlich hinrichten lässt und dann bei einem Festmahl ganz unschuldigt tut. Die Wahrheit kommt aber dann ans Licht, weil der treue Hund des Ritters den abgeschlagenen Kopf seines Herrn mitten unter die Tafelgäste trägt.
- Zum Schluss nimmt Crampas noch das Glas mit, aus dem beim Picknick Effi getrunken hat. Bezeichnend für den aktuellen Stand ihrer seltsamen Beziehung ist der anschließende Dialog:
- „‚Behalten Sie das Glas, aber bitte, ziehen Sie nicht Schlüsse daraus, die mich kompromittieren. Ich werde Innstetten davon erzählen.‘
- ‚Das werden Sie nicht tun, meine gnädigste Frau.‘
- ‚Warum nicht?‘
- ‚Innstetten ist nicht der Mann, solche Dinge so zu sehen, wie sie gesehen sein wollen.‘
- Sie sah ihn einen Augenblick scharf an. Dann aber schlug sie verwirrt und fast verlegen die Augen nieder.“
EB159ff: Kap18
- Effi zieht sich von Crampas zurück.
- Sie lässt sich allerdings für ein Theaterstück begeistern, das Crampas aufführen lassen will.
- Das Stück ist ein Erfolg, allerdings wird deutlich, dass Crampas sich immer noch um Effi bemüht.
EB169ff: Kap19
- In der Oberförsterei findet eine Weihnachtsfeier statt.
- Auf dem Rückweg ergibt es sich, dass Crampas mit Effi allein in ihrem Schlitten ist.
- Diese wehrt sich nicht, als sie von ihm leidenschaftlich geküssst wird.
EB181ff: Kap20
- Am Tag drauf kommt es zu einer Auseinandersetzung zwischen Effi und Innstetten, weil der ihre damals als unangemessen empfundene gemeinsame Heimfahrt kritisiert,
- Auf dem Silvesterball kommt Effi im Gespräch mit einer Adligen in Schwierigkeiten.
- In der Folgezeit geht Effi viel allein spazieren, während Innstetten dienstlich unterwegs ist.
EB193ff: Kap21
- Effi ermahnt Roswitha, sich nicht mit dem Kutscher einzulassen.
- Diese erzählt ihr von ihren Erfahrungen mit Männern und einem unehelichen Kind, das man ihr weggenommen hat.
- Innstetten eröffnet Effi, dass er befördert wird und sie deshalb nach Berlin umziehen werden. Effi zeigt sich erleichtert, was Innstettens Misstrauen wieder weckt.
EB206ff: Kap22
- Ein Brief der Mutter gibt Effi die Gelegenheit, schon mal vorab nach Berlin zu reisen, um eine Wohnung auszusuchen.
- Sie schreibt an Crampas einen Abschiedsbrief, in dem sie die Schuld für ihre Annäherung auf sich nimmt.
- Ansonsten verabschiedet sie sich im Bewusstsein, nicht nach Kessin zurückkehren zu wollen.
EB214ff: Kap23
- In Berlin verlebt Effi mit Mutter und Cousin schöne Tage.
- Sie tut alles, um nicht nach Kessin zurückreisen zu müssen.
- Dabei ist ihr ein alter Arzt behilflich, den sie aus angeblichen Gesundheitsgründen aufsucht.
- Innstetten, der sehr auf sie gewartet hat, akzeptiert das.
EB227ff: Kap24
- Innstetten besucht Effi in Berlin und ist zufrieden mit der Wahl und Ausstattung der Wohnung.
- Gemeinsam machen beide eine Reise nach Rügen.
- Dort entdeckt Effi ein Ort namens „Crampas“, was sie beunruhigt, so dass sie ihren Mann zu einer Weiterreise nach Dänemark bewegt.
- Anschließend kann Effi noch ihre Eltern in Hohen-Cremmen besuchen.
- Die Eltern machen sich Sorgen, was die Beziehung zu Innstetten angeht.
- EB240: Von „Wie findest du Effi“
- „‘Wie findest du Effi?’
- ‘Lieb und gut wie immer. Wir können Gott nicht genug danken, eine so liebenswürdige Tochter zu haben. Und wie dankbar sie für alles ist und immer so glücklich, wieder unter unserm Dach zu sein.’
- ‘Ja’, sagte Briest, ‘sie hat von dieser Tugend mehr, als mir lieb ist. Eigentlich ist es, als wäre dies hier immer noch ihre Heimstätte. Sie hat doch den Mann und das Kind, und der Mann ist ein Juwel, und das Kind ist ein Engel, aber dabei tut sie, als wäre Hohen-Cremmen immer noch die Hauptsache für sie und Mann und Kind kämen gegen uns beide nicht an. Sie ist eine prächtige Tochter, aber sie ist es mir zu sehr. Es ängstigt mich ein bisschen. Und ist auch ungerecht gegen Innstetten. Wie steht es denn eigentlich damit?’
- ‘Ja, Briest, was meinst du?’
- ‘Nun, ich meine, was ich meine, und du weißt auch was. Ist sie glücklich? Oder ist da doch irgendwas im Wege? Von Anfang an war mir’s so, als ob sie ihn mehr schätze als liebe. Und das ist in meinen Augen ein schlimm Ding. Liebe hält auch nicht immer vor, aber Schätzung gewiss nicht. Eigentlich ärgern sich die Weiber, wenn sie wen schätzen müssen; erst ärgern sie sich, und dann langweilen sie sich, und zuletzt lachen sie.’
- ‘Hast du so was an dir selber erfahren?’
- ‘Das will ich nicht sagen. Dazu stand ich nicht hoch genug in der Schätzung. Aber schrauben wir uns nicht weiter, Luise. Sage, wie steht es?’
- ‘Ja, Briest, du kommst immer auf diese Dinge zurück. Da reicht ja kein dutzendmal, daß wir darüber gesprochen und unsere Meinungen ausgetauscht haben, und immer bist du wieder da mit deinem Alles-wissen-Wollen und fragst dabei so schrecklich naiv, als ob ich in alle Tiefen sähe. Was hast du nur für Vorstellungen von einer jungen Frau und ganz speziell von deiner Tochter? Glaubst du, daß das alles so plan daliegt? Oder daß ich ein Orakel bin (ich kann mich nicht gleich auf den Namen der Person besinnen) oder daß ich die Wahrheit sofort klipp und klar in den Händen halte, wenn mir Effi ihr Herz ausgeschüttet hat? Oder was man wenigstens so nennt.[225] Denn was heißt ausschütten? Das Eigentliche bleibt doch zurück. Sie wird sich hüten, mich in ihre Geheimnisse einzuweihen. Außerdem, ich weiß nicht, von wem sie’s hat, sie ist… ja, sie ist eine sehr schlaue kleine Person, und diese Schlauheit an ihr ist um so gefährlicher, weil sie so sehr liebenswürdig ist.’
- ‘Also das gibst du doch zu… liebenswürdig. Und auch gut?’
- ‘Auch gut. Das heißt voll Herzensgüte. Wie’s sonst steht, da bin ich mir doch nicht sicher; ich glaube, sie hat einen Zug, den lieben Gott einen guten Mann sein zu lassen und sich zu trösten, er werde wohl nicht allzu streng mit ihr sein.’
- ‘Meinst du?’
- ‘Ja, das mein ich. Übrigens glaube ich, daß sich vieles gebessert hat. Ihr Charakter ist, wie er ist, aber die Verhältnisse liegen seit ihrer Übersiedlung um vieles günstiger, und sie leben sich mehr und mehr ineinander ein. Sie hat mir so was gesagt, und, was mir wichtiger ist, ich hab es auch bestätigt gefunden, mit Augen gesehen.’
- ‘Nun, was sagte sie?’
- Sie sagte: ‘Mama, es geht jetzt besser. Innstetten war immer ein vortrefflicher Mann, so einer, wie’s nicht viele gibt, aber ich konnte nicht recht an ihn heran, er hatte so was Fremdes. Und fremd war er auch in seiner Zärtlichkeit. Ja, dann am meisten; es hat Zeiten gegeben, wo ich mich davor fürchtete.’
- ‚Nun also, sie gestand mir, dass dies Gefühl des Fremden sie verlassen habe, was sie sehr glücklich mache. Kessin sei nicht der rechte Platz für sie gewesen, das spukige Haus und die Menschen da, die einen zu fromm, die andern zu platt, aber seit ihrer Übersiedlung nach Berlin fühle sie sich ganz an ihrem Platz. Er sei der beste Mensch, etwas zu alt für sie und zu gut für sie, aber sie sei nun über den Berg. Sie brauchte diesen Ausdruck, der mir allerdings auffiel.‘
- ‚Wieso? Er ist nicht ganz auf der Höhe, ich meine, der Ausdruck. Aber…‘
- ‚Es steckt etwas dahinter. Und sie hat mir das auch andeuten wollen.‘
- ‚Meinst du?‘
- ‚Ja, Briest; du glaubst immer, sie könne kein Wasser trüben. Aber darin irrst du. Sie lässt sich gern treiben, und wenn die Welle gut ist, dann ist sie auch selber gut. Kampf und Widerstand sind nicht ihre Sache.‘
- Roswitha kam mit Annie, und so brach das Gespräch ab.“
- Bis EB: „und so brach das Gespräch ab“
- In Wirklichkeit bessert die sich aber.
- Allerdings bleibt bei Effi die Angst, dass die Beziehung zu Crampas ans Tageslicht kommen könnte.
- Sie verspürt aber keine Schuld.
EB246ff: Kap25
- Ab dem 2. Hochzeitstag werden Effi und ihr Mann immer mehr ein Teil des gesellschaftlichen Lebens in Berlin.
- Da lässt sich Kessin ganz gut vergessen.
- Dann gibt es einen Zeitsprung von sieben Jahren.
- Effi hat immer noch keinen Sohn geboren, Dr. Rumschüttel schickt sie in Kur nach Ems.
EB252ff: Kap26
- Effi ist schon einige Wochen in Kur.
- Dann kommt es zur Katastrophe.
- Ihre Tochter verletzt sich – es wird nach Verbandszeug gesucht.
- Dabei wird ein Schränkchene aufgebrochen
- und Innstetten findet beim Einsortieren ein Päckchen mit Briefen.
EBff258: Kap27
- Innstetten liest die Briefe
- und weiß nun, dass Effi und Crampas ein Verhältnis hatten.
- Er bittet seinen Kollegen Wüllersdorf, die Sache mit dem Duell in Kessin zu regeln.
- Dabei kommt es zu einem intensiven Gespräch, ob das denn unbedingt sein muss.
- Am Ende ist es eine Frage der Ehre und der Gesellschaft.
EBff267: Kap28
- Innstetten reist nach Kessin,
- wo das Duell stattfindet
- und Crampas stirbt.
EB272ff: Kap29
- Innstetten ist wieder in Berlin.
- Schon auf dem Weg dahin ist er sich nicht mehr sicher, ob das Duell die richtige Entscheidung gewesen ist.
- Lesetipp: Innstetten setzt sich regelrecht dialektisch mit der Duell-Entscheidung auseinander. Er stellt jeden Gedanken durch den entgegengesetzten wieder in Frage.
- Von EB272:
„Unterwegs (er war allein im Coupé) hing er, alles noch mal überdenkend, dem Geschehenen nach; es waren dieselben Gedanken wie zwei Tage zuvor, nur daß sie jetzt den umgekehrten Gang gingen und mit der Überzeugtheit von seinem Recht und seiner Pflicht anfingen, um mit Zweifeln daran aufzuhören.“ - bis EB273:
„So aber war alles einer Vorstellung, einem Begriff zuliebe, war eine gemachte Geschichte, halbe Komödie“. - Johanna wird von Innstetten informiert.
- Roswitha bringt schon entsprechende Zeitungsmeldungen mit.
EB279ff: Kap30
- Effi wundert sich in der Kur, dass keine Briefe von ihrem Mann mehr kommen.
- Dafür kommt ein dicker Brief von ihren Eltern.
- Effi beginnt zu lesen und bricht ohnmächtig zusammen.
EB285ff: Kap31
- Der Brief informiert Effi darüber, dass es zu einem Duell gekommen ist, das Crampas nicht überlebt hat.
- Sie dürfte nicht mehr in ihre alten Verhältnisse nach Berlin zurück.
- Hohen-Cremmen bleibe ihr auch – aus Rücksicht auf die öffentliche Moral – verschlossen.
- Allerdings wollen die Eltern ihre Tochter finanziell unterstützen.
- Effi bricht sofort die Kur ab.
EB290ff: Kap32
- Effi lebt schon drei Jahre in einer kleinen Wohnung in Berlin.
- Sie bekommt Besuch von Dr. Rumschüttel, der im Unterschied zu vielen anderen zu ihr hält.
- Lesetipp: Fontane oder sein Erzähler muss plötzlich erklären, wieso denn Roswitha bei Effi ist.
Wir gehen mal probeweise davon aus, dass das wirklich ein Missgeschick gewesen ist, dass Roswitha nicht gleich am Anfang erwähnt worden ist.
Aber auf jeden Fall ergibt sich hier die Möglichkeit, das Wiedersehen der beiden Frauen genauer zu beleuchten: - Von EB292:
„‚Schicken Sie mir doch einfach Roswitha…‘, hatte Rummschüttel gesagt. Ja, war denn Roswitha bei Effi? war sie denn statt in der Keith- in der Königgrätzer Straße? Gewiß war sie’s, und zwar sehr lange schon, gerade so lange, wie Effi selbst in der Königgrätzer Straße wohnte. Schon drei Tage vor diesem Einzug hatte sich Roswitha bei ihrer lieben gnädigen Frau sehen lassen, und das war ein großer Tag für beide gewesen, so sehr, daß dieses Tages hier noch nachträglich gedacht werden muß.“ - bis EB297:
„Mit Roswitha ließ sich allerdings kein ästhetisches Gespräch führen, auch nicht mal sprechen über das, was in der Zeitung stand, aber wenn es einfach menschliche Dinge betraf und Effi mit einem ‚Ach, Roswitha, mich ängstigt es wieder…‘ ihren Satz begann, dann wusste die treue Seele jedesmal gut zu antworten und hatte immer Trost und meist auch Rat.“ - Nachdem Effi Annie von ferne wieder gesehen hat, möchte sie sie wieder einmal sehen.
- Sie möchte über die Frau des Ministers ihren Mann dazu zu bewegen, ein Treffen zuzulassen.
EB305ff: Kap33
- Innstetten geht zwar auf den Wunsch Effis und vor allem der Ministerin ein,
- aber das Treffen wird zu einer großen Enttäuschung,
- weil Annie offensichtlich von ihrem Vater auf Distanz getrimmt worden ist und am Ende wie ein Papagei nur immer dasselbe auf Fragen antwortet.
- Kein Wunder, dass Effi ihre Tochter dann schnell verabschiedet und daraufhin sogar zusamenbricht.
- Auch kein Wunder ist es, dass sie innerlich Innstetten anklagt und sogar von Hass spricht.
EB310ff: Kap34
- Effi wird zunehmend krank
- und Dr. Rumschüttel schreibt einen Brief an ihre Eltern. In ihm macht er deutlich, dass nur in Hohen-Cremmen und in familiärer Umgebung auf Besserung zu hoffen ist.
- Tatsächlich darf Effi kommen und es geht ihr auch bald besser.
- Allerdings gilt das nur für das Seelische, körperlich geht es mit ihr bergab
- und sie hat mit ihrem Leben eigentlich auch schon abgeschlossen, wie sie in einem Gespräch mit Pastor Niemeyer durchblicken lässt.
EB317ff: Kap35
- Eine Erkältung verschlechtert Effis Zustand noch mehr.
- Eine Kur am Mittelmeer lehnt sie ab.
- Stattdessen setzt sie auf Spaziergänge, hätte dabei aber gerne ihren Familienhund Rolle als Begleitung.
- Roswitha schreibt einen entsprechenden Brief an Innstetten,
- der auch mit der Situation unglücklich ist und keine rechte Lust aufs Leben mehr hat.
EB326ff: Kap36
- Tatsächlich erlebt Effi mit Rollo noch einen Sommer relativen Glücks.
- Interessant ist eine Episode, in der geschildert wird, wie es Effi auf den gemeinsamen Spaziergängen mit Rollo geht:
- „Der einzige, der bei dem Wiedersehen ruhig blieb, war Rollo selbst, weil er entweder kein Organ für Zeitmaß hatte oder die Trennung als eine Unordnung ansah, die nun einfach wieder behoben sei.
- Dass er alt geworden, wirkte wohl auch mit dabei. Mit seinen Zärtlichkeiten blieb er sparsam, wie er beim Wiedersehen sparsam mit seinen Freudenbezeugungen gewesen war, aber in seiner Treue war er womöglich noch gewachsen.
- Er wich seiner Herrin nicht von der Seite. Den Jagdhund behandelte er wohlwollend, aber doch als ein Wesen auf niederer Stufe.
- Nachts lag er vor Effis Tür auf der Binsenmatte, morgens, wenn das Frühstück im Freien genommen wurde, neben der Sonnenuhr, immer ruhig, immer schläfrig, und nur wenn sich Effi vom Frühstückstisch erhob und auf den Flur zuschritt und hier erst den Strohhut und dann den Sonnenschirm vom Ständer nahm, kam ihm seine Jugend wieder, und ohne sich darum zu kümmern, ob seine Kraft auf eine große oder kleine Probe gestellt werden würde, jagte er die Dorfstraße hinauf und wieder herunter und beruhigte sich erst, wenn sie zwischen den ersten Feldern waren.
- Effi, der freie Luft noch mehr galt als landschaftliche Schönheit, vermied die kleinen Waldpartien und hielt meist die große, zunächst von uralten Rüstern und dann, wo die Chaussee begann, von Pappeln besetzte große Straße, die nach der Bahnhofsstation führte, wohl eine Stunde Wegs.
- An allem freute sie sich, atmete beglückt den Duft ein, der von den Raps- und Kleefeldern herüberkam, oder folgte dem Aufsteigen der Lerchen und zählte die Ziehbrunnen und Tröge, daran das Vieh zur Tränke ging. Dabei klang ein leises Läuten zu ihr herüber. Und dann war ihr zu Sinn, als müsse sie die Augen schließen und in einem süßen Vergessen hinübergehen.
- In Nähe der Station, hart an der Chaussee, lag eine Chausseewalze. Das war ihr täglicher Rasteplatz, von dem aus sie das Treiben auf dem Bahndamm verfolgen konnte; Züge kamen und gingen, und mitunter sah sie zwei Rauchfahnen, die sich einen Augenblick wie deckten und dann nach links und rechts hin wieder auseinandergingen, bis sie hinter Dorf und Wäldchen verschwanden.
- Rollo saß dann neben ihr, an ihrem Frühstück teilnehmend, und wenn er den letzten Bissen aufgefangen hatte, fuhr er, wohl um sich dankbar zu bezeigen, irgendeine Ackerfurche wie ein Rasender hinauf und hielt nur inne, wenn ein paar beim Brüten gestörte Rebhühner dicht neben ihm aus einer Nachbarfurche aufflogen.“ (EB326/327)
- Effis Mutter zeigt auch inzwischen Distanz zum „Getriebe“ der Welt. Auf Effis Selbstkritik:
„Ihr seid so gut. Und eigentlich hab ich doch auch euer Leben geändert und euch vor der Zeit zu alten Leuten gemacht.“ (EB327) - Bekommt sie die Antwort:
„Ach, meine liebe Effi, davon sprich nicht. Als es kam, da dacht ich ebenso. Jetzt weiß ich, daß unsere Stille besser ist als der Lärm und das laute Getriebe von vordem.“ (EB327) - Später kommt Effi noch mehr zur Sache: In einem weiteren Gespräch mit ihrer Mutter nimmt sie alle Schuld auf sich und verzeiht ihrem Mann sein Handeln, das ja immerhin einen Menschen das Leben gekostet hat. Den hat sie zwar nicht geliebt, sie hatte aber doch eine besondere Beziehung zu ihm.
- Diese Stelle sollte man sich genauer anschauen:
- „… ‚ich sterbe mit Gott und Menschen versöhnt, auch versöhnt mit ihm.‘
- ‚Warst du denn in deiner Seele in so großer Bitterkeit mit ihm? Eigentlich, verzeihe mir, meine liebe Effi, daß ich das jetzt noch sage, eigentlich hast du doch euer Leid heraufbeschworen.‘
- Effi nickte. ‚Ja, Mama. Und traurig, dass es so ist. Aber als dann all das Schreckliche kam, und zuletzt das mit Annie, du weißt schon, da hab ich doch, wenn ich das lächerliche Wort gebrauchen darf, den Spieß umgekehrt und habe mich ganz ernsthaft in den Gedanken hineingelebt, er sei schuld, weil er nüchtern und berechnend gewesen sei und zuletzt auch noch grausam. Und da sind Verwünschungen gegen ihn über meine Lippen gekommen.‘
- ‚Und das bedrückt dich jetzt?‘
- ‚Ja. Und es liegt mir daran, dass er erfährt, wie mir hier in meinen Krankheitstagen, die doch fast meine schönsten gewesen sind, wie mir hier klargeworden, dass er in allem recht gehandelt. In der Geschichte mit dem armen Crampas – ja, was sollt er am Ende anders tun? Und dann, womit er mich am tiefsten verletzte, dass er mein eigen Kind in einer Art Abwehr gegen mich erzogen hat, so hart es mir ankommt und so weh es mir tut, er hat auch darin recht gehabt. Lass ihn das wissen, dass ich in dieser Überzeugung gestorben bin. Es wird ihn trösten, aufrichten, vielleicht versöhnen. Denn er hatte viel Gutes in seiner Natur und war so edel, wie jemand sein kann, der ohne rechte Liebe ist.'“
- Dann gibt es wieder eine Stelle, an der der auktoriale Erzähler sich einmischt, regelrecht Anteil nimmt an Effis Schicksal:
- „So verging der Sommer, und die Sternschnuppennächte lagen schon zurück. Effi hatte während dieser Nächte bis über Mitternacht hinaus am Fenster gesessen und sich nicht müde sehen können. ‚Ich war immer eine schwache Christin; aber ob wir doch vielleicht von da oben stammen und, wenn es hier vorbei ist, in unsere himmlische Heimat zurückkehren, zu den Sternen oben oder noch drüber hinaus! Ich weiß es nicht, ich will es auch nicht wissen, ich habe nur die Sehnsucht.‘
- Arme Effi, du hattest zu den Himmelswundern zu lange hinaufgesehen und darüber nachgedacht, und das Ende war, dass die Nachtluft und die Nebel, die vom Teich her aufstiegen, sie wieder aufs Krankenbett warfen, und als Wiesike gerufen wurde und sie gesehen hatte, nahm er Briest beiseite und sagte: ‚Wird nichts mehr; machen Sie sich auf ein baldiges Ende gefaßt.‘
- Er hatte nur zu wahr gesprochen, und wenige Tage danach, es war noch nicht spät und die zehnte Stunde noch nicht heran, da kam Roswitha nach unten und sagte zu Frau von Briest: ‚Gnädigste Frau, mit der gnädigen Frau oben ist es schlimm; sie spricht immer so still vor sich hin, und mitunter ist es, als ob sie bete, sie will es aber nicht wahrhaben, und ich weiß nicht, mir ist, als ob es jede Stunde vorbei sein könnte.'“
- Bezeichnend für den „poetischen“, also künstlerisch überhöhenden, die Darstellung des Schlimmen, Schmerzhaften vermeidenden Realismus ist die folgende Stelle:
- „Frau von Briest sah, daß Effi erschöpft war und zu schlafen schien oder schlafen wollte. Sie erhob sich leise von ihrem Platz und ging. Indessen, kaum daß sie fort war, erhob sich auch Effi und setzte sich an das offene Fenster, um noch einmal die kühle Nachtluft einzusaugen. Die Sterne flimmerten, und im Parke regte sich kein Blatt. Aber je länger sie hinaushorchte, je deutlicher hörte sie wieder, daß es wie ein feines Rieseln auf die Platanen niederfiel. Ein Gefühl der Befreiung überkam sie. ‚Ruhe, Ruhe.‘
- Es war einen Monat später, und der September ging auf die Neige. Das Wetter war schön, aber das Laub im Parke zeigte schon viel Rot und Gelb, und seit den Äquinoktien, die drei Sturmtage gebracht hatten, lagen die Blätter überallhin ausgestreut. Auf dem Rondell hatte sich eine kleine Veränderung vollzogen, die Sonnenuhr war fort, und an der Stelle, wo sie gestanden hatte, lag seit gestern eine weiße Marmorplatte, darauf stand nichts als ‚Effi Briest‘ und darunter ein Kreuz. Das war Effis letzte Bitte gewesen: ‚Ich möchte auf meinem Stein meinen alten Namen wiederhaben; ich habe dem andern keine Ehre gemacht.‘ Und es war ihr versprochen worden.
- Ja, gestern war die Marmorplatte gekommen und aufgelegt worden, und angesichts der Stelle saßen nun wieder Briest und Frau und sahen darauf hin und auf den Heliotrop, den man geschont und der den Stein jetzt einrahmte. Rollo lag daneben, den Kopf in die Pfoten gesteckt.“
- Aufschlussreich ist, wie sehr betont wird, dass Effi an den Ort zurückkehrt, von dem sie – wohl zu gewaltsam und ohne ihre überlegte Mitwirkung – weggezogen worden ist.
- Den Schluss bildet ein Gespräch der Eltern, indem sie sich selbstkritisch fragen, ob sie nicht am Schicksal ihrer Tochter auch Mitschuld tragen:
- Es beginnt mit der Frage der Mutter:
„Ob wir nicht doch vielleicht schuld sind?“ - Vater Briest wehrt das zunächst ab, fragt dann aber doch noch mal nach:
„Unsinn, Luise. Wie meinst du das?“ - Bei der Mutter wird dann deutlich, wie sehr sie im kulturellen und gesellschaftlichen Kontext der Zeit verwurzelt ist:
„Ob wir sie nicht anders in Zucht hätten nehmen müssen. Gerade wir. Denn Niemeyer ist doch eigentlich eine Null, weil er alles in Zweifel läßt. Und dann, Briest, so Leid es mir tut… Deine beständigen Zweideutigkeiten… und zuletzt, womit ich mich selbst anklage, denn ich will nicht schuldlos ausgehen in dieser Sache, ob sie nicht doch vielleicht zu jung war?“ - Seltsam und vielleicht auch etwas fragwürdig ist dann der Hinweis:
“ Rollo, der bei diesen Worten aufwachte, schüttelte den Kopf langsam hin und her“ - Von Briest kommt dann der berühmte Satz, der im Zusammenhang mit dem Roman immer wieder schnell zitiert wird:
„und Briest sagte ruhig ‚Ach, Luise, lass… das ist ein zu weites Feld.'“
Es spricht einiges dafür, dass er damit Recht hat und dass er damit auch mehr Lebensklugheit zeigt als seine Frau – aber darüber kann man sehr gut diskutieren.
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