Eichendorff, „Einem Paten zu seinem ersten Geburtstage“

Worum es hier geht:

Vorgestellt wird ein Gedicht von Eichendorff, das an der Grenze steht zwischen kontextbezogenem Sachtext und offenem literarischem Text.

Weil wir diese Seite nutzen für Übungen zum sicheren Verstehen, werden wir hier unsere Interpretation im Hinblick auf die „Signalbündelung“ kommentieren.

Rot gefärbt sind die Teile, die eindeutig erläuternde Analyse darstellen.

Blau gefärbte Teile gehen darüber hinaus, was aber auch zum Verständnis des Gedichtes beitragen soll.

Joseph von Eichendorff

Einem Paten zu seinem ersten Geburtstage

  • Die Überschrift macht klar, dass es sich um ein Gelegenheitsgedicht handelt, das wahrscheinlich zunächst als Sachtext in Gedichtform diente.
  • Näheres könnte man klären – aber hier geht es ja nicht um Eichendorffs Biografie und den konkreten Kontext, sondern um die hoffentlich gegebene allgemeine Bedeutung.
  1. Noch singt der Wind, der durch die Bäume
  2. Am Fenster lind vorüberzieht,
  3. Das Meer von fern in deine Träume,
  4. Du Dichterkind, ein Schlummerlied.
  • Die erste Strophe beschreibt eine Situation, die anscheinend als vergänglich empfunden wird.
  • Es geht um ein konkretes Naturphänomen, einen Wind, der am Fenster vorbeistreicht und als angenehm empfunden wird.
  • Dazu kommt, dass diesem Wind die Fähigkeit zugesprochen wird, „das Meer“ in die „Träume“ des kleinen Kindes hinein zu singen.
  • Das ist natürlich die sehr romantische Vorstellung des lyrischen Ichs.
  • Dann ein Hinweis auf den konkreten Gebrauchswert, wenn von einem „Dichterkind“ die Rede ist. Das könnte auf Eichendorff als Vater hindeuten.
    Inwieweit „Pate“ dazu passt, lassen wir mal offen – es ist für die Aussage des Gedichtes praktisch bedeutungslos.
  • Dazu passt auch das „Schlummerlied“, das allerdings hier auf sehr ungewöhnliche Weise präsentiert wird.
  1. Doch wenn dereinst sie Segel schwellen:
  2. Glücksel’ge Fahrt durch Ebb‘ und Flut,
  3. Lenzfrischen Hauch beim Klang der Wellen,
  4. Ein fröhlich‘ Herz in Gottes Hut!
  • Die zweite Strophe löst das „Noch“ der ersten Strophe auf, indem eine Zukunftsperspektive entworfen wird.
  • Die ist gekennzeichnet dadurch, dass dieses Kind auf mehr oder weniger große Fahrt gehen wird.
  • Verbunden wird das mit der Jahreszeit des Frühlings und einer entsprechenden frischen Aufbruchsstimmung.
  • Dazu passt dann auch ein „fröhlich‘ Herz“ und die Vorstellung, in „Gottes Hut“ zu sein, also beschützt zu werden.
  • Was sicher vor allem die Eltern beruhigt.
  1. Und so mag dich von Strand zu Strande
  2. Ein milder Wind hinüberwehn
  3. Einst zum geheimnisvollen Lande,
  4. Wohin wir alle hoffend sehn.
    • Die letzte Strophe weitet dann noch den Blick in die Zukunft.
    • Die Idee des milden Windes wird noch einmal aufgenommen. Das deutet auf eine Zukunft ohne viel Unannehmlichkeiten hin.
    • Die letzten beiden Zeilen lassen sich am einfachsten verstehen, wenn man sie auf den religiösen Himmel bezieht, der für Eichendorff eine große Rolle spielt.
    • Natürlich steht das hier nicht im Gedicht, d.h. man kann diese Zukunftsperspektive auch auf andere Weise verstehen, von den ewigen Jagdgründen der Indianer über die Wiedergeburtsfolgen im Hinduismus bis hin zur endgültigen Auflösung in einem heilsamen Nichts im Buddhismus.
Insgesamt
  1. nutzt das Gedicht eine Situation, in der ein Erwachsener den ersten Geburtstag eines Kindes, zu dem er in enger Beziehung steht, um sich Gedanken über die Zukunft des jungen Menschen zu machen.
  2. Eine große Rolle spielt dabei die Betonung von „mild“. Es geht also darum, dass unnötige Aufregungen oder Schlimmeres von diesem Leben ferngehalten werden sollen.
  3. Dazu kommt der ganz natürliche Aufbruch in ein selbstbestimmtes Leben, das durch Fröhlichkeit und Vertrauen auf Gott bestimmt ist.
  4. Dieses Vertrauen geht dann so weit, dass auch das Ende des irdischen Lebens (das ist die einfachste Erklärung) in Gottes Hand ist und zu einem zwar „geheimnisvollen“ Land führt, das aber auch keine Beunruhigungen bereithält.

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