Eichendorff, „Entschluss“ – wenn aus Sehnsucht ein Aufbruch wird (Mat1622-anm)

Eichendorff

Entschluss

Das Gedicht haben wir hier gefunden.

  • Hier kann man schon mal sehr gut diskutieren, welcher der beiden Titel letztlich besser zu dem Gedicht passt.

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  1. Gebannt im stillen Kreise sanfter Hügel,
  2.  Schlingt sich ein Strom von ewig gleichen Tagen,
  3.  Da mag die Brust nicht nach der Ferne fragen,
  4.  Und lächelnd senkt die Sehnsucht ihre Flügel.
  • Diese Strophe ist sehr gut als Übung für den Umgang mit Gedichten geeignet.
  • Denn als erstes muss man begreifen, dass es eine Beschreibung ist
  • Man denkt zunächst an einen realen Strom wegen der Hügel, aber dann kommt die Überraschung, nämlich die Präzisierung als Metapher, es geht um den Strom der Tage des Lebens.
  • Hier ist jetzt zunächst mal wichtig, sich vorzustellen, was damit gemeint sein könnte. D.h.: man muss sich vorstellen, den Strom eines großen Flusses auf den Ablauf der Tage zu übertragen.
  • Dann bleibt das Problem, was es mit den Hügeln auf sich hat. Zu einem normalen Strom hätten die gepasst, aber nicht zur Abfolge der Tage. Die Hügel müssten dann letztlich auch metaphorisch verstanden werden. Und das geht am besten erst mal so, dass man sich vorstellt, es ist ein Auf und Ab der Tage. Und das passst natürlich zum Leben der Menschen. Auch wenn das Bild natürlich nicht ganz passt, denn die Menschen sind ja mit den Tagen in Bewegung und sehen das nicht von außen. Also hier tauchen Fragen auf, die sich vielleicht noch klären lassen.
  • Interessant ist dann, dass typische Motive der Romantik auftauchen, nämlich Ferne und Sehnsucht, aber beides wird hier gesehen im Zustand der Verminderung.
  • Jetzt muss man sich natürlich fragen, wieso dieser Strom der ewig gleichen Tage sich mit der Ferne vermindert.
  • Jeder kennt das ja auch, dass das ewige Gleichmaß der Tage des Lebens zu zwei Dingen führen kann, einmal zum Versuch eines Ausbruchs, oder aber auch, dass man gewissermaßen in seinem ständig gleichen Alltag erschlafft.
  1. Viel andre stehen kühn im Rossesbügel,
  2.  Des Lebens höchste Güter zu erjagen,
  3.  Und was sie wünschen, müssen sie erst wagen,
  4.  Ein strenger Geist regiert des Rosses Zügel. –
  • Die zweite Strophe präsentiert einen Gegensatz zwischen der abnehmenden Sehnsucht des Lyrischen Ichs und der Kühnheit anderer, die es geschafft haben, ein Pferd zu ersteigen und ihrer Sehnsucht zu folgen.
  • Der zweite Teil der Strophe kann am besten so verstanden werden, dass zu dieser Vorgehensweise auch etwas gehört, was im Titel Entschluss angedeutet wird, nämlich eine Entschlusskraft, die sich auch mit entsprechender, konsequenter Umsetzung eines Plans verbindet.
  1.  Was singt ihr lockend so, ihr stillen Matten
  2.  Du Heimat mit den Regenbogenbrücken,
  3.  Ihr heitern Bilder, harmlos bunte Spiele?
  • In dieser Strophe wird offensichtlich genauer beschrieben, was den Strom ewig gleicher Tage beim lyrischen Ich auszeichnet. Nämlich durchaus eine gewisse Schönheit, die auch etwas Verlockendes hat, heitere Bilder, aber harmlos.
  • Das passt wiederum dazu, dass es offensichtlich auch um den Unterschied geht zwischen der Risikobereitschaft anderer Leute und dem Sich-Begnügen mit dem, was man an Schönem zu Hause hat.
  1.  Mich fasst der Sturm, wild ringen Licht und Schatten,
  2.  Durch Wolkenriss bricht flammendes Entzücken –
  3.  Nur zu, mein Ross! wir finden noch zum Ziele!
  • Die letzte Strophe bringt die plötzliche Wende.
  • Das lyrische ich wird von einem Sturm erfasst, der zwar noch einen inneren Kampf enthält, dann aber auch einen schöneren inneren Ausblick auf das bietet, was in der Ferne möglich ist.

Insgesamt zeigt das Gedicht den Übergang zwischen einer Existenz in immer gleichen Tagen in der Heimat. Die wird auch schon begriffen, aber im Laufe des Gedichtes, ist diese Schönheit eingeschränkt. Es fehlt ihr nämlich etwas anderes, was im Bewusstsein dieses lyrischen Ich wach ist, nämlich der Aufbruch und die potentiellen Abenteuer derer, die ihrer Sehnsucht folgen.

Am Ende des Gedichtes hat sich so viel innerer Mit- Reise-Drang aufgetürmt, dass es für das lyrische ich überhaupt keine Frage mehr ist, wie es sich in dem Kampf zwischen den verschiedenen Möglichkeiten entscheidet.

Anregung: Dieses Gedicht kann man gut vergleich mit „Sehnsucht“ von Eichendorff. Denn dort bleibt das lyrische Ich am Fenster und lässt die anderen ziehen.
https://textaussage.de/schnell-durchblicken-eichendorff-sehnsucht

Auswertung eines Handbuchs

Joseph von Eichendorff, Sämtliche Gedichte, Herausgegeben Von Hartwig Schultz, Deutscher Klassiker Verlag, 2. Auflage, 2006, S. 745ff – ISBN: 978-3-618-68012-3, S. 959

Hier gibt es interessante Anmerkungen zu diesem Gedicht, das in dieser Sammlung sogar den Titel „Verschiedene Bahn“ trägt. Es lohnt sich, die beiden Titel zu vergleichen.

In einem wissenschaftlichen Handbuch findet man oft Infos, die das Gedicht und den Autor in einen größeren Zusammenhang stellen und einem helfen, besser zu verstehen, warum und wie ein Gedicht entstanden ist. Schauen wir uns mal an, was die Infos aus dem Handbuch uns über „Entschluss“ sagen.

Wir haben das mal von ChatGPT auswerten lassen – und dabei ist Folgendes herausgekommen. Wir können dem nur zustimmen.

  1. Entstehungszeit und Titeländerungen: Im Handbuch steht, dass das Gedicht zuerst 1816 unter dem Titel „Verschiedene Bahn“ veröffentlicht wurde und erst später „Entschluss“ hieß. Das ist interessant, weil schon der Titelwechsel zeigt, dass Eichendorff das Thema des Gedichts überdacht hat. „Entschluss“ klingt entschlossener und zielgerichteter als „Verschiedene Bahn“, was eher offen und unentschieden wirkt.
  2. Historischer Kontext: Das Handbuch erwähnt, dass Eichendorff das Gedicht schon 1814 geschrieben hat, also in einer Zeit, als er im Militär diente und auf Frieden wartete. Diese Infos geben dem Gedicht mehr Tiefe, weil wir erfahren, dass Eichendorff selbst an einem Punkt in seinem Leben war, an dem er keine Veränderung und kein klares Ziel sah. Das Gedicht spiegelt also seine eigenen Gefühle und Gedanken zu dieser Zeit wider.
  3. Bezug zur Heimat: In der Textstelle „ihr stillen Matten, Du Heimat“ wird auf Lubowitz, Eichendorffs Heimat, verwiesen, wo er sich 1814 tatsächlich aufgehalten hat. Diese zusätzliche Info hilft, weil sie zeigt, dass „Heimat“ hier nicht nur ein abstrakter Begriff ist, sondern ein echter, wichtiger Ort für den Dichter. Das Wissen darüber lässt uns die Sehnsucht im Gedicht besser verstehen.
  4. Verbindungen zu anderen Texten: Im Handbuch steht, dass Eichendorff die gleichen Worte „Nur zu (…) zum Ziel!“ in einem Brief an einen Freund benutzt hat, als er 1815 in Berlin um eine Anstellung kämpfte. Diese Info zeigt, dass das Gedicht nicht nur „einfach so“ geschrieben wurde, sondern dass die Zeilen auch in seinem echten Leben eine Bedeutung hatten. Es macht klar, dass der Entschluss, weiterzumachen und ein Ziel zu finden, für ihn persönlich wichtig war.

Zusammengefasst bringt das wissenschaftliche Handbuch also wichtige Zusatzinfos:

  • Wir verstehen besser, in welcher Lebenssituation Eichendorff das Gedicht geschrieben hat und wie diese auf das Gedicht einwirkt.
  • Es wird klarer, wie sehr das Gedicht mit seinem Leben verbunden ist und dass er wirklich einen inneren Entschluss fassen musste.
  • Solche Infos helfen, das Gedicht weniger als etwas „Abstraktes“ zu sehen und mehr als einen Ausdruck der Gedanken und Gefühle, die Eichendorff in einer bestimmten Phase seines Lebens hatte.

Anregung: Vergleich mit „Sehnsucht“

https://schnell-durchblicken.de/eichendorff-entschluss-vergleich-mit-sehnsucht

Weitere Infos, Tipps und Materialien