Worum es hier geht:
Diesmal geht es hier nicht um eine fortlaufende Analyse, sondern nur um ein Beispiel, wie man eine Deutungshypothese möglichst gut absichern kann.
Zu finden ist es zum Beispiel hier:
http://www.zeno.org/nid/20004735366
Joseph von Eichendorff, Sämtliche Gedichte, Herausgegeben Von Hartwig Schultz, Deutscher Klassiker Verlag, 2. Auflage, 2006, S. 745ff – ISBN: 978-3-618-68012-3
S. 171 mit dem Titel „Nachhall“, den wir hier auch nehmen.
Der Kommentar
Dazu verweist der Kommentar auf S. 935, dass dieses Gedicht ursprünglich im Roman „Ahnung und Gegenwart“ enthalten hat, wo es aber eine ganz andere Richtung einschlägt. Gesungen wird es nämlich von Leontin, während er ein Kloster sieht, das für Friedrich, seinen Gastgeber als „Kämpfer Gottes“ zur irdischen Heimat werden wird. Leontin machen diese Klostermauern aber nur wehmütig, er sieht für sich anscheinend noch andere Möglichkeiten.
Zu finden ist das Gedicht im Roman hier: Joseph von Eichendorff: Werke. Bd. 2, München 1970 ff., S. 273-292. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20004740173
Untersuchungsansatz / Deutungshypothese
Wir nehmen das Gedicht hier aber so, wie es auch für sich steht – und dann kommt man zu einer ganz anderen Hypothese:
Wir prüfen also mal, ob man das Gedicht so verstehen kann, dass hier das lyrische Ich wehmütig auf sein Leben zurückbleibt und eigentlich seine Hoffnung nur noch auf das Jenseits richtet. Das ist ja eine Vorstellung, die den frommen Katholiken Eichendorff immer bestimmt hat.
Nachhall
- Die Überschrift macht deutlich, dass hier etwas gewesen ist, das nun verhallt, also verschwindet. Das spricht ganz eindeutig für die Deutungshypothese.
Laß, mein Herz, das bange Trauern
Um vergangnes Erdenglück,
Ach, von diesen Felsenmauern
Schweifet nur umsonst der Blick.
- Hier hat man den Eindruck, dass die Felsenmauern, auf denen das Kloster steht, dem lyrischen Ich nichts zu bieten hat.
Sind denn alle fortgegangen:
Jugend, Sang und Frühlingslust?*
Lassen, scheidend, nur Verlangen
Einsam mir in meiner Brust?
- Hier wird deutlich, dass das Verlangen noch da ist, die typisch romantische Sehnsucht.
Vöglein hoch in Lüften reisen,
Schiffe fahren auf der See,
Ihre Segel, ihre Weisen
Mehren nur des Herzens Weh.
- Hier wird deutlich, dass es durchaus eine schöne Welt gibt.
- Offen bleibt, wodurch genau „des Herzens Weh“ entsteht.
Ist vorbei das bunte Ziehen,
Lustig über Berg und Kluft,
Wenn die Bilder wechselnd fliehen,
Waldhorn immer weiterruft?
- Hier stellt das lyrische Ich sich die Frage, ob das alles vorbei ist.
- Viel hängt jetzt von der Antwort ab.
Soll die Lieb auf sonn’gen Matten
Nicht mehr baun ihr prächtig Zelt,
Übergolden Wald und Schatten
Und die weite, schöne Welt? –
- Hier verstärkt sich der Eindruck, dass das lyrische Ich sich eher allgemein gegen ein Bleiben an diesem Ort wehrt,
- dem ganz viele positive Dinge gegenüberstehen, die aber das Weggehen erfordern.
Laß das Bangen, laß das Trauern,
Helle wieder nur den Blick!
Fern von dieser Felsen Mauern
Blüht dir noch gar manches Glück!
- Der Schluss ist eindeutig: Das lyrische Ich fordert sich auf, nicht die Welt hinter sich zu lassen, sondern das „Trauern“.
- Der Blick soll wieder „helle“ werden, also Neues wahrnehmen (wollen).
- Am Ende dann der recht klare Bezug, dass hier nur eine Art lokale Depression überwunden werden soll und noch „manches Glück“ vor einem liegt.
Fazit:
- Es hat geholfen, im Kommentar den Kontext im Roman kennenzulernen.
- Das hat den Blick doch deutlich bestimmt.
- Allerdings in eine Richtung, die auch ohne den Romankontext die Waagschale stark in Richtung: Ermunterung zu neuer romantischer Wanderschaft und nicht Aufbruch in die himmlische Heimat sinken lässt.
- Im Kommentar wird als Entstehungszeit des Gedichtes das Jahr 1812 angegeben. Da war Eichendorff 24 Jahre alt und hatte noch 45 Lebensjahre vor sich – auch das spricht nicht für eine Alterssicht im Gedicht.
Quelle: Joseph von Eichendorff: Werke., Bd. 1, München 1970 ff., S. 99-100. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20004735366
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