Goethe, „Iphigenie auf Tauris“ Akt 1 – Inhalt, wichtige Textstellen und Kommentar (Mat2283-akt1)

Worum es hier geht:

  • Wir geben hier einen schnellen Überblick über den Inhalt von Akt 1 , verbinden das aber gleich mit dem Hinweis auf Schlüssel-Textstellen, die man sich gut in der eigenen Textausgabe anstreichen kann.
  • Soweit nötig bzw. interessant geben wir auch Hinweise zur Interpretation einzelner Stellen.
  • Ein früheres Video behandelt die Vorgeschichte dieses Dramas, d.h. vor allem die Familiengeschichte der Iphigenie.
    Zu finden ist es unter:
    Videolink
    https://youtu.be/-e7igK0F2d4
  • Die zugehörige Dokumentation ist hier zu finden:
    https://www.schnell-durchblicken2.de/iph-klassik-idee-mythos

Szene I,1: Iphigenie allein im Monolog
  • Szene I,1: Iphigenie beklagt ihre Situation in einem Monolog und bittet die Göttin Diana um die Möglichkeit, in die Heimat zurückzukehren.
  • Monolog der Iphigenie, die Priesterin der Diana im Land auf Tauris ist,
  • sich aber nicht damit abfinden kann,
  • weil sie nicht freiwillig an dem Ort ist.
  • Sie sollte von ihrem Vater, König Agamemnon, der Göttin geopfert werden, nachdem er sie schwer provoziert hatte.
  • Iphigenie ist durch die Göttin im letzten Moment gegen ein Opfertier ausgetauscht worden.
  • So durfte sie zwar leben bleiben, aber sie sehnt sich nach den Menschen, die sie in der Heimat liebt.

„Und es gewöhnt sich nicht mein Geist hierher.
So manches Jahr bewahrt mich hier verborgen
Ein hoher Wille, dem ich mich ergebe;
Doch immer bin ich, wie im ersten, fremd.
Denn ach! mich trennt das Meer von den Geliebten,
Und an dem Ufer steh‘ ich lange Tage,
Das Land der Griechen mit der Seele suchend“. (7ff)

  • Iphigenie bittet dann die Göttin, wenn ihr Vater Agamemnon, der Anführer der Griechen im Trojanischen Krieg, die Mutter, die Schwester Elektra und ihr Bruder den Krieg heil überstanden haben:

So gib auch mich den Meinen endlich wieder
Und rette mich, die du vom Tod errettet,
Auch von dem Leben hier, dem zweiten Tode.“ (52f)

  • Anmerkung zum Epochenbezug (Klassik)
  • Ruhige Haltung, kein Gejammer, Unterordnung unter den Willen der Götter, auch wenn es schwer fällt
  • Weit entfernt von Kampfbereitschaft, wie es für den „Sturm und Drang“ typisch gewesen wäre
  • Gehobene Sprache

Szene I,2: Der Bote des Königs erscheint mit Nachrichten
  • Szene I,2: Des Königs Bote Arkas kündigt König Thoas an und dessen Wunsch, sie durch Heirat zu „besitzen“ (186)
  • Iphigenie hofft auf Rückkehr und will sich nicht durch Heirat binden.
  • Gesprochen wird auch über die unbekannte Herkunft Iphigenies, sie erklärt, ein „fremder Fluch“ (84) habe sie aus ihrer Familie gerissen und ihre zunächst schöne Jugend zerstört.
  • Arkas fordert Iphigenie auf, für die Freundlichkeit des Königs „dankbar“ (206) zu sein, verweist auch auf ihr segensreiches Wirken, „Heil und Rückkehr“ den Fremden zu gewähren, denen sonst die Opferung „an dem unwirtlichen Todesufer“ (142) gedroht hätte.
  • Anmerkung zum Epochenbezug (Klassik)
  • Erhalt der gehobenen Sprache, auch wenn es sich um einen „Barbaren“ handelt, der eigentlich nur eine Botenfunktion hat.

Szene I,3: Gespräch Iphigenies mit König Thoas
  • König Thomas erklärt seinen Heiratswunsch mit dem Tod seines Sohnes und dem Wunsch, einen neuen Thronerben in die Welt zu setzen.
  • Iphigenie versucht, der Bewerbung auszuweichen, indem sie die Geschichte ihrer Vorfahren erzählt, die wegen des Fehlverhaltens ihres Ahnen Tantalus immer wieder neue Untaten hervorgebracht hat.
    Iphigenie bezeichnet sich selbst als „verwünschtes Haupt“ (268)
  • König Thoas lässt sich dadurch aber nicht abschrecken. Er sieht eher den „Segen“ (283), der durch Iphigenie in sein Land bekommen ist, und kündigt angesichts der Verweigerungshaltung Iphigenies an, die Menschenopfer wieder aufnehmen zu wollen.
  • Iphigenie zeigt demgegenüber die Haltung der klassischen Humanität: „Der missversteht die Himmlischen, der sie / Blutgierig wähnt.“
  • Folgenreich wird später aber sein, dass er in einem Punkt großzügig ist:
    „Wenn du nach Hause Rückkehr hoffen kannst, / So sprech‘ ich dich von aller Fordrung los.“ (293f)
  • Am Ende steht der Hinweis des Königs, dass man zwei Fremde gefangen habe, deren Opferung Iphigenie vorbereiten soll.
Szene I,4: Zweite Bitte Iphigenies gegenüber der Göttin Diana
  • Im Rückblick auf ihre Rettung durch die Göttin bittet Diana sie jetzt: „O enthalte vom Blut meine Hände.“ (549)
  • Es folgt eine – ganz im klassisch-harmonischen Sinne – sehr positive Sicht der Götter, der man deutlich anmerkt, dass das wenig zu tun hat mit altgriechischen Göttern, die durchaus von Missgunst, Hass und Rache in ihrem Handeln bestimmt sein können – man denke an Prometheus, der zum „Dank“ für seine Menschenfreundlichkeit an einen Felsen geschmiedet wurde und sich täglich ein Stück seiner wieder nachwachsenden Leber von einem Adler heraushacken lassen durfte.

„Denn die Unsterblichen lieben der Menschen
Weit verbreitete gute Geschlechter,
Und sie fristen das flüchtige Leben
Gerne dem Sterblichen, wollen ihm gerne
Ihres eigenen, ewigen Himmels
Mitgenießendes fröhliches Anschaun
Eine Weile gönnen und lassen.“ (554ff)

  • Diese Passage ließe sich gut mit dem Gedicht „Das Göttliche“ vergleichen.

Zusammenfassung des I. Aktes unter dem Aspekt der „Exposition“
  • Unter der Exposition versteht man im klassischen Drama ja die Funktion des ersten Aktes, den Konflikt erst einmal vorzustellen. Dieser kann durchaus aus mehreren Teilen bestehen:
  • In diesem Fall geht es um die gegensätzlichen Wünsche von Iphigenie, die nach Hause möchte, und des Königs, der sie als Ehefrau in seinem Reich behalten möchte.
  • Dahinter steht der Gegensatz zwischen der verbrecherischen Geschichte der Vorfahren von Iphigenie und ihrem Bemühen, nicht nur selbst unschuldig zu bleiben, sondern auch Gutes zu bewirken.

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