Individuelle Triggerwarnung einer Schülerin: Warum ich den Roman „Faserland“ nicht gelesen habe (Mat9493)

Vorbemerkung

Hier geht es nicht um ein Nein zu einem Roman, sondern um ein Ja zu einer eigenen, ganz persönlichen Entscheidung.

Die folgende Erklärung einer Schülerin fanden wir interessant, weil sie auf einen wichtigen Aspekt von Schullektüren hinweist.

Es geht hier also nicht um den allgemeinen Wert des Romans „Faserland“, es geht nur um eine individuelle Reaktion auf eine Schullektüre. Deren Lektüre ist ja verpflichtend – und da gibt es zumindest in Einzelfällen ein Problem, auf das die Stellungnahme hinweist.

Uns geht es nur darum, ausgehend von diesem Roman – man hätte früher auch Goethes „Werther“ nehmen können – ein spezielles Problem zur Diskussion anzubieten. Wir gehen davon aus, dass in der Diskussion auch die zu Wort kommen, die in dem Roman durchaus Dinge entdeckt haben, die sie für wertvoll oder anregend halten und in eine Empfehlung münden lassen.

Erklärung der Schülerin

Triggerwarnung zu Faserland – Warum ich diesen Roman nicht gelesen habe

Ich habe mich entschieden, Faserland von Christian Kracht nicht zu lesen. Diese Entscheidung war keine leichte, denn normalerweise bin ich der Meinung, dass man sich mit verschiedenen Perspektiven auseinandersetzen sollte – auch mit unbequemen oder herausfordernden. Doch nachdem ich mich intensiv über den Roman informiert habe, hatte ich das Gefühl, dass seine Thematik mich in meiner aktuellen Lebenssituation auf eine Art und Weise belasten könnte, die nicht gesund für mich wäre.

Faserland schildert die Reise eines jungen Mannes durch Deutschland, doch es ist keine klassische Reiseerzählung. Vielmehr scheint es eine Fahrt ins Bodenlose zu sein, geprägt von Alkohol, Drogen, Entfremdung und Orientierungslosigkeit. Der Protagonist besitzt keine wirkliche Hoffnung, keine Entwicklung und keine Alternativen. Er driftet ziellos durch eine Welt, die ebenso leer erscheint wie er selbst. Diese Grundstimmung der Resignation mag eine realistische Gesellschaftsanalyse sein – aber sie bietet nichts, das Halt gibt, keine Perspektive, keinen konstruktiven Ansatz.

Genau hier liegt mein Problem: Wenn ich mich literarisch mit düsteren oder herausfordernden Themen auseinandersetze, dann erwarte ich zumindest die Möglichkeit einer Erkenntnis, eines Lernprozesses oder eines neuen Blickwinkels. Ich möchte nicht, dass ein Buch mich nur in Abgründe stößt, ohne mir eine Möglichkeit zu geben, aus ihnen herauszufinden. Ich sehe es daher als mein Recht als Leserin – und als Schülerin – an, mich nicht gezwungen zu fühlen, mich mit einer Lektüre zu beschäftigen, die mich möglicherweise in eine psychische Lage bringt, die schädlich für mich sein könnte.

Diese Diskussion sollte nicht nur auf Faserland bezogen werden, sondern grundsätzlich geführt werden: Inwieweit darf oder muss man von Schülerinnen und Schülern erwarten, sich mit Literatur auseinanderzusetzen, die sie emotional überfordert? Gibt es eine Grenze, an der das Recht auf Bildung in Konflikt mit dem Recht auf seelische Unversehrtheit gerät? Ich glaube, dass hier ein bewussterer Umgang nötig ist – nicht mit dem Ziel, Literatur zu zensieren, sondern um Schülern die Möglichkeit zu geben, sich selbst zu schützen.

Mein Fazit ist daher: Faserland mag literarisch wertvoll sein und für viele eine treffende Zeitdiagnose liefern. Doch für mich ist es kein Roman, den ich lesen muss, um zu wissen, dass er mir nicht guttun würde.

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