Karoline von Günderrode, „Der Luftschiffer“ (Mat7343)

„Der Luftschiffer“ – ein Gedicht zwischen Himmel und Erde

Quelle: Karoline von Günderrode: Gesammelte Werke. Band 1–3, Band 3, Berlin-Wilmersdorf 1920–1922, S. 22.
Permalink: http://www.zeno.org/nid/20004971825

Karoline von Günderrode

Der Luftschiffer

  1. Gefahren bin ich in schwankendem Kahne
  2. Auf dem blaulichen Oceane,
  3. Der die leuchtenden Sterne umfließt,
  4. Habe die himmlischen Mächte begrüßt.
  5. War, in ihrer Betrachtung versunken,
  6. Habe den ewigen Aether getrunken,
  7. Habe dem Irdischen ganz mich entwandt,
  8. Droben die Schriften der Sterne erkannt
  9. Und in ihrem Kreisen und Drehen
  10. Bildlich den heiligen Rhythmus gesehen,
  11. Der gewaltig auch jeglichen Klang
  12. Reißt zu des Wohllauts wogendem Drang.
    • Im ersten Teil beschreibt das lyrische Ich seine Erfahrungen aus der Sicht eines „Luftschiffers“.
    • Hier kann man an die um 1800 schon verwendeten Heißluftballone denken.
    • Das Besondere ist, dass das lyrische Ich den Abstand zur Erde vor allem als Annäherung an die himmlische Welt beschreibt.
    • Wichtig ist, dass diese Schilderungen des Lyrischen Ichs in der negativen Feststellung enden, es habe sich dabei dem „Irdischen ganz […]entwandt.“
    • Dann wieder die Wendung ins Positive und zwar in Richtung von „Schriften“. Das lyrische Ich hat also das Gefühl, dort überirdische Botschaften vernommern zu haben – in einem „heiligen Rhythmus“, der jeden Klang zu etwas Wunderbarem gemacht habe.
  13. Aber ach! es ziehet mich hernieder,
  14. Nebel überschleiert meinen Blick,
  15. Und der Erde Grenzen seh‘ ich wieder,
  16. Wolken treiben mich zurück.
  17. Wehe! Das Gesetz der Schwere
  18. Es behauptet nur sein Recht,
  19. Keiner darf sich ihm entziehen
  20. Von dem irdischen Geschlecht.
    • Am Ende dann der Bruch, nämlich das Gefangensein- und Bleiben in irdischer Abhängigkeit. Konkret ist von dem „Gesetz der Schwere“ die Rede.
    • Es steht über der kurzzeitigen Luftschiffer-Erfahrung
    • Und wird verbunden mit der mahnenden Feststellunge, kein Mensch dürfe sich diesen Gesetzmäßigkeiten entziehen.
    • Es bleibt offen, ob das ein Schuldeingeständnis ist oder deutlich machen soll, dass der Mensch zumindest kurzzeitig die Welt des Himmlischen erreichen kann.

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