Klausur mit Lösung – „Drachenwand“ Roman -Gespräch Veit und Brasilianer (EB103-106) (Mat2819-loe)

Es handelt sich hier um eine Musterlösung zu der Aufgabe, die auf der folgenden Seite vorgestellt worden ist:
https://schnell-durchblicken.de/drachenwand-klausur-veit-brasilianer-indianer

Wir präsentieren hier eine ausformulierte Lösung, um zu helfen, in einer realen Klausur möglichst schnell „den richtigen Ton“ zu treffen. Wir selbst haben nämlich diese Schreibweise vor allem durch Nachahmung guter Vorbilder gelernt.

Inzwischen gibt es auch ein Video, in dem die Lösung und vor allem 10 Tipps für mehr Punkte in Deutsch-Klausuren vorgestellt werden.
Videolink

 https://youtu.be/KHx3Z3KGXZc

Die Dokumentation kann hier heruntergeladen bzw. angeschaut werden:

Datei herunterladen 


  • Aufgabe 1: Analysieren Sie den unten angegebenen Auszug aus Arno Geigers Roman „Unter der Drachenwand“, indem Sie
  • A1.1 nach einer allgemeinen Vorstellung des Textes mit Angabe seines Themas
  • Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um einen Auszug aus dem Roman „Unter der Drachenwand“ von Arno Geiger. Er befindet sich im Kapitel „Den ganzen Tag Schneegestöber“ und enthält im wesentlichen ein Gespräch zwischen Veit Kolbe, dem Wehrmachtssoldaten im Genesungsurlaub, und Robert Perttes, einem Deutschen, der lange in Brasilien gelebt hat und jetzt im Machtbereich der Nazis hängen geblieben ist.
  • Was die Thematik des Auszugs angeht, so geht es um den diktatorischen Charakter des NS-Regimes und die Möglichkeiten, sich ihm zu entziehen.

————————

  • A1.2: die Voraussetzungen des Auszugs klären,
  • Um das zu verstehen, was in dem Gespräch präsentiert wird, sollte man wissen,
  • dass der Soldat Veit sich im Rahmen seines Genesungsurlaubs in den abgelegenen Ort „Mondsee“ unterhalb der sog. „Drachenwand“ geflüchtet hat, um den Streitigkeiten mit seinem regimetreuen Vater zu entgehen.
  • Dort wird er auf den sogenannten „Brasilianer“ aufmerksam, der neben seiner Wohnung eine Art Gärtnerei betreibt und ganz offensichtlich sehr alternativ und eigenständig lebt.
  • Sie haben sich schon zweimal getroffen und dabei recht gut kennengelernt. Veit weiß, dass der Brasilianer wegen regimekritischer Äußerungen bereits seine Ehrenrechte als Deutscher aberkannt bekommen hat und  auch weiterhin die Verhältnisse im NS-Herrschaftsbereich unerträglich findet.
  • Er vermisst seine Wahlheimat Brasilien wegen der dortigen Freiheiten und vor allem der Freundlichkeit der Menschen.

  • A1.3: dann erläutern, was der Erzähler inhaltlich präsentiert,
  • 1: Das Gespräch geht aus von den Luftangriffen der Alliierten, die mit solcher Leichtigkeit geflogen werden, dass der Brasilianer das mit dem alltäglichen Milchholen vergleicht. Das baut er aus, indem er auf das Unverständnis der natürlich lebenden Ureinwohner Brasiliens eingeht, die regelrecht „gekränkt“ wären, weil sie sich das nicht vorstellen könnten. Damit wird die unmenschliche Absurdität dessen, was in Europa im Krieg abgeht, sehr gut verdeutlicht.

  • 2: Der nächste Abschnitt wendet sich dann der Beziehung Veits zu seinem Nachbarn zu: Er findet ihn nicht mehr „so seltsam wie am Anfang“, freut sich stattdessen, „mit jemandem zu verkehren, an dem der Hebel der Gleichschaltung nicht umgelegt worden war.“ Damit verwendet der Tagebuchschreiber ein zentrales Bild, das deutlich macht, was im totalitären Staat mit den meisten Menschen geschieht.
  • 3: Im nächsten Abschnitt wird am Beispiel der Schülerinnen gezeigt, wie Gleichschaltung sich bis ins Körperliche hinein auswirkt. Der Brasilianer sieht „gut dressierte Mädchen“.
  • 4: Anschließend geht es um die von Veit als wohltuend empfundene Atmosphäre des Gewächshauses. Vom Brasilianer wird er auf das Glück aufmerksam gemacht, in ein „naturbelassenes Gebiet der Erde abzuwandern […], wo auch die Menschen voller Wärme seien.“ Deutlich ist dabei die Prioritätensetzung des Mannes: Lieber will er „arm und schmutzig“ leben als „hier in einem Palast unter Irren“.
  • 5: Im Laufe der Zeit empfindet Veit findet die ständigen Kritik-Wiederholungen des Brasilianers aber auch als langweilig. Er erkennt offensichtlich nicht, dass es eine Art Luftholen ist. Deshalb leitet er lieber über zur Schwester des Brasilianers, die sich ja ganz anders präsentiert.
  • 6: Aber auch da bleibt der Mann bei seinem zentralen Thema: Er bedauert seine Schwester – wegen ihrer Entscheidung für „eine falsche Lebensweise„. Als zusätzliches Problem erscheint ihr Ehemann, der Lackierermeister Dohm, der mit „dunklen Gedanken“ verbunden wird. Seine Tätigkeit in für NS-Regime in Polen deutet daraufhin, dass er an der dortigen grausamen Besatzungspolitik beteiligt ist, möglicherweise sogar von ihr persönlich profitiert. Wichtig ist ein Vorgeschmack auf die ihm später zum Verhängnis werdenden Ausfälle gegen Hitler und seine „Kloakenbrüder“.
  • 7: Verständlicherweise hat Veit als aktiver Soldat der Wehrmacht damit Probleme. Diese gehen aber über äußerliche  Vorsicht hinaus – für ihn ist Hitlers Partei immer noch die „Sinngebung seiner Jugend“ und er kann sich noch nicht „gänzlich“ von dem Gedanken freimachen, „dass der F. ein großer Mann war.“ Wichtig ist – wie bei dem Einstiegskommentar zu den alliierten Bomberangriffen, dass der Brasilianer das „grausige Europäertum“, „in dem Hass als Kulturerrungenschaft“ gilt, grundsätzlich für  „überlebt“ hält. Diesen vertieften Einsichten gegenüber empfindet Veit das Verhalten seines Gegenübers wie Mitleid mit „Dummheit“.
  • 8: In diesem Abschnitt beruhigt der Brasilianer sich wieder etwas, bleibt aber bei ns-kritischen Anspielungen, hofft aber vor allem nach der Niederlage der „Firma für Blut und Boden“ auf eine spätere „Befreiungsfahrt ins südliche der beiden Amerikas“.
  • 9: Im letzten Absatz kann Veite es nach einem Zeitsprung nicht lassen, den Brasilianer zu fragen, ob er sich jetzt wieder beruhigt habe. Damit erreicht er genau das Gegenteil: Der verteidigt nämlich seine Haltung mit einer Mahnung zugunsten eines Menschenbildes  von „Liebe und Achtung“. Bezeichnend ist Veits Reaktion: Er kratzt sich „verlegen den Kopf“ und versucht, „nicht allzu einfältig aufzusehen.“ Hier bleibt die Frage (Richtung Aufgabe 2), ob das nicht bedeutet, dass er beeindruckt ist, vielleicht sogar so etwas wie Scham empfindet.

A1.4: davon ausgehend die Aussagen (Intentionalität) des Textes beschreiben

Hier wie immer am besten den Satz fortsetzen: „Der Textauszug zeigt“ …

  • … allgemeine Kritik am Geschehen in und um Europa, wenn etwa die alliierten Bombenangriffe im Hinblick auf ihre Selbstverständlichkeit mit dem Holen von Milch verglichen werden. Außerdem wird dieses Geschehen in einen anderen kulturellen Kontext gestellt, nämlich den der Indios in Südamerika. Das soll den Vorwurf der Unnatürlichkeit noch stärker verdeutlichen.
  • … die Möglichkeit eines ganz anderen Leben, nämlich mit mehr Wärme und Menschlichkeit.
  • … die Hoffnung des Brasilianers auf eine Zukunft in dieser ganz anderen, freundlicheren Welt.
  • … Kritik am NS-System, vor allem im Hinblick auf die militaristische Gleichmacherei in der Erziehung und auch in bezug auf Hitler persönlich, dem Unwahrhaftigkeit und Täuschung vorgeworfen werden.
  • … eine Annäherung Veits an das Denken des von Anfang an nicht angepassten Brasilianers.
    Hier sollte beachtet werden, dass der Wehrmachtssoldat es ist, der am Anfang die schreckliche Selbstverständlichkeit der Bombenangriffe kritisiert.
  • … aber auch noch bremsende Kräfte im Bewusstsein des Wehrmachtssoldaten.
  • … darauf eine deutliche Mahnung des Brasilianers, der die NS-Kultur nicht als menschlich akzeptable Lebensweise betrachtet.

A1.5: und aufzeigen, wie sie durch künstlerische Mittel unterstützt werden

  • Wichtig ist, dass hier nicht einfach alle möglichen künstlerischen Mittel mehr oder weniger zusammenhanglos aufgezählt werden. Vielmehr kommt es darauf an, die Mittel dem Aussage-Zweck (siehe die vorige Teilaufgabe) zuzuordnen.
  • Was die künstlerischen Mittel angeht, so konzentriert sich das Folgende auf zwei Bereiche der Intention, nämlich die beiden Gegenwelten der Nazis und der Brasilianer.
  • Die Kritik am Krieg wird gleich am Anfang durch den Vergleich der Bombenangriffe mit dem Milchholen sehr konkret verdeutlicht. Ein weiteres Beispiel für Einfallsreichtum ist die Beschreibung der Reaktion des Brasilianers auf die Gesprächswendung in Richtung seiner Schwester: Da macht er nämlich ein Gesicht, „als müsse er eine Drahtbürste verdauen.“
  • Der Brasilianer unterstützt die Kritik an den Bombardierungen, indem das Treiben der Europäer der Beurteilung durch die Indios Südamerikas ausgesetzt wird. Das hat ansatzweise etwas Parabel-Artiges.
  • Ein ähnliches Mittel wird verwendet, wenn die militärische Marschordnung der Mädchen negativ in die Tierwelt eingeordnet wird. Dazu kommt die Metapher „gut dressierte Mädchen“.
  • Nicht ganz überzeugend ist die Gleichsetzung der „morschen Knochen“ im Lied mit den Wortbrüchen Hitlers. Hier wird der Vergleichspunkt verschoben. Die Wortbrüche zeigen ja gerade Stärke, wenn auch eine negative.
  • Kritik wird auch deutlich durch die Metapher der „Gleichschaltung“ und den Hinweis auf einen offensichtlich leicht umzulegenden „Hebel“.
  • Sehr ausdrucksstark ist die Umschreibung Dohms als „Teufelsknecht“. Später wird das noch etwas konkretisiert, indem sein Schwager reduziert wird auf ein „Bier trinkendes und rauchendes Bleichgesicht in Stiefeln und mit dunklen Gedanken“. Das „Bleichgesicht“ steht dabei wieder in dem Indio-Kontext der Natürlichkeit, mit den „Stiefeln“ wird auf ein Charakteristikum der NS-Soldaten angespielt und die „dunklen Gedanken“ heben ab auf eine menschenverachtende Ideologie und Praxis.
  • Das mündet dann in eine allgemeine Kritik der Hitleranhänger, die als „Kloakenbrüder“ (Metapher und Umschreibung) bezeichnet werden, die „gekotzte Milch“ soll wieder das Unnatürliche, Kranke verdeutlichen, in eine ähnliche Richtung geht, wenn von den „Leichenhänden“ gesprochen wird.
  • Interessant ist die Reaktion Veits auf die gefährliche Kritik am NS-Terror-System: Er steht unschlüssig zwischen den Orchideen, „das besorgte Gesicht meinen Stiefeln zugeneigt“ (Gegensatz). Der Schluss passt zu den vorher erwähnten Stiefeln, die Orchideen leiten über zur Gegenwelt des Brasilianers:

  • Was die angeht, so wird mit „warmes und möglichst naturbelassenes Gebiet“ mit Begriffen gearbeitet (geht in Richtung Wortfeld bzw. Motive), die für Brasilien gelten dürften, aber deshalb noch nicht in jeder Beziehung positiv sein müssen. Wer im feuchtwarmen Dschungel nicht mehr atmen kann oder mit giftigen Tieren zu tun bekommt, sieht das wohl auch anders.
  • Sehr abgehoben wirkt auch der Gegensatz: „Lieber wolle er arm und schmutzig im Ausland leben, aber unter Menschen, als hier in einem Palast unter Irren.“ Das ist als individuelle Entscheidung natürlich überzeugend, nimmt aber Armut und damit möglicherweise verbundene Kriminalität nicht in den Blick.
  • Eine erneute Auswanderung wird deutlich als „Befreiungsfahrt“ charakterisiert (Metapher und Umschreibung) und in einen ökonomischen Zusammenhang gestellt (hat wieder etwas Parabelartiges), wenn davon ausgegangen wird, dass „die Firma für Blut und Boden pleite gegangen“ sein wird. Hier zeigt der Brasilianer viel Weitblick, weil er einfach die aktuelle Lage auswertet – und die ökonomische Welt der Zahlen erfasst zwar nicht das Ganze des Verbrechersystems, konzentriert sich aber sehr überzeugend auf das, was in der Realität letztlich den Ausschlag gibt.

A2: Klären Sie ausgehend von diesem Auszug die Bedeutung der beiden Figuren (Veit und der Brasilianer) im Hinblick auf die Darstellung des Widerstands im Roman.

Hier kann man gut überleiten von der Betrachtung der künstlerischen Mittel:

  • Veit zeigt sich in diesem Gespräch deutlich im Übergang von Erziehung und Rollenfunktion zu einem deutlichen, wenn auch immer noch leisen Kritiker des NS-Systems. Er vertraut ja offensichtlich alles einem Tagebuch an – und das könnte ihm bei einer Untersuchung durchaus zum Verhängnis werden – was allerdings im Roman in keiner Weise thematisiert wird.
  • Bezeichnend ist, dass er ja später zumindest einmal kurz zu einem wirklichen Widerständler wird, wenn er den Brasilianer vor dem endgültigen Verschwinden im Terrorsystem bewahrt. Das Verbrechen an seinem Onkel könnte dann zumindest auch als Akt der Résistance verstanden werden, wie es in der Untergrundbewegung in Frankreich selbstverständlich war. Zumindest punktuell wechselt Veit einmal explizit die Fronten in einer Art Befreiungskrieg – und dieses Gespräch hier bildet eine Vorstufe.
  • Ansonsten ist Veits „Widerstand“ vor allem von persönlichen Interessen (erzwungener Verzicht aufs Studium, ständige Lebensgefahr) geprägt und auf den Krieg bezogen. Er erkennt aber auch zumindest ansatzweise, dass er Teil eines verbrecherischen Angriffskrieges ist, der eines Tages gegen die Verursacher und ihre Unterstützer zurückschlagen wird.
  • Beim Brasilianer hat man von vornherein eine klare Haltung. Schon vor der Darstellung des Romans hat er sich beim Regime ja schon unbeliebt gemacht und Nachteile eingehandelt. In seinen kritischen und zum Teil in der Form sehr anstößigen kritischen Äußerungen zum NS-System und seinem Anführer ist er sehr offen und auch rücksichtslos gegen sich selbst.
  • Man kann als These formulieren, dass seine späteren Ausbrüche auf der Linie des schon in diesem Gespräch Gesagten liegen und die Konsequenzen, die er tragen muss, einfach mit dem anderen Kontext zusammenhängen:
  • Während das Gespräch mit Veit ja noch privat ist und auch bleibt,
  • ist das, was er in der Kneipe raushaut, allenfalls noch mit Alkoholgenuss in der Bedeutung einzuschränken,
  • was er dem erklärten Nazi Dohm aber an den Kopf haut, findet dann keine Rücksicht mehr.

Tipp: Eine akzentuierende Zusammenfassung am Ende ist immer gut – möglichst erkennbar auf die Aufgabe bezogen.

  • Alles in allem also mit Veit ein Mensch im Wandel bzw. in der Weiterentwicklung dessen, was schon an Kritik da war. Hierbei muss man natürlich auch die andere Ausgangslage berücksichtigen: Erziehung und Fronteinsatz.
  • Der Brasilianer dagegen kommt aus einer Welt, die im Vergleich zur NS-Rassendiktatur mehr Menschlichkeit ermöglicht und auch stärker von einer bunten, warmen Natur geprägt ist. Er ist ja eher durch die Umstände im falschen Land zur falschen Zeit hängengeblieben und muss seiner inneren Spannung und sicher auch Frustration immer wieder Luft machen.

Wer noch mehr möchte