Klausur: Herausarbeitung der Bedeutung der Szene „Abend“ für ein Gesamtverständnis der Beziehung zwischen Faust und Gretchen (Mat2604-kab)

Worum es hier geht:

Am Beispiel eines Szenenausschnitts aus Goethes „Faust“ zeigen wir, wie man den im Rahmen etwa einer Klausur optimal analysieren kann.

Dazu kommt eine Aufgabe 2, in der es um Ansätze zur Interpretation des Szenenauszug geht.

Hier zunächst eine Variante, die die ganze Szene enthält, aber natürlich in einer Klausur nicht komplett bearbeitet werden kann.

Deshalb präsentieren wir weiter unten einen Szenenausschnitt.

Mat2604-kab Faust Szene Abend – Bedeutung für Stand und Perspektiven der Beziehung

So könnte eine mögliche Klausur aussehen:

Aufgabe:

  1. Analysieren Sie den angehängten Ausschnitt aus der Szene „Abend“, indem Sie
    1. Ihn in den Zusammenhang der Handlung des ersten Teils der Tragödie einordnen und die Thematik der Szene bestimmen,
    2. herausarbeiten anhand von wichtigen Textstellen, wie sich hier der Stand der Beziehung von Faust und Gretchen präsentiert
    3. deutlich machen, welche sprachlichen und rhetorischen Mittel die Aussagen der Szene unterstützen.
  2. Klären Sie zunächst, inwiefern und inwieweit es sich hier bei Faust um echte Liebe handeln kann, und dann, warum diese Beziehung am Ende von Faust I scheitert. Hier reicht es, wenn Sie die wesentlichen Punkte kurz aufführen.

Auszug aus der Szene „Abend“.

  1. Mephistopheles. Faust.
  2. MEPHISTOPHELES.
  3. Herein, ganz leise, nur herein!
  4. FAUST nach einigem Stillschweigen.
  5. Ich bitte dich, laß mich allein!
  6. MEPHISTOPHELES herumspürend.
  7. Nicht jedes Mädchen hält so rein.
  8. [86] Ab.
  9. FAUST rings aufschauend.
  10. Willkommen, süßer Dämmerschein,
  11. Der du dies Heiligtum durchwebst!
  12. Ergreif mein Herz, du süße Liebespein,
  13. Die du vom Tau der Hoffnung schmachtend lebst!
  14. Wie atmet rings Gefühl der Stille,
  15. Der Ordnung, der Zufriedenheit!
  16. In dieser Armut welche Fülle!
  17. In diesem Kerker welche Seligkeit!
  18. Er wirft sich auf den ledernen Sessel am Bette.
  19. O nimm mich auf, der du die Vorwelt schon
  20. Bei Freud‘ und Schmerz im offnen Arm empfangen!
  21. Wie oft, ach! hat an diesem Väterthron
  22. Schon eine Schar von Kindern rings gehangen!
  23. Vielleicht hat, dankbar für den heil’gen Christ,
  24. Mein Liebchen hier, mit vollen Kinderwangen,
  25. Dem Ahnherrn fromm die welke Hand geküßt.
  26. Ich fühl‘, o Mädchen, deinen Geist
  27. Der Füll‘ und Ordnung um mich säuseln,
  28. Der mütterlich dich täglich unterweist,
  29. Den Teppich auf den Tisch dich reinlich breiten heißt,
  30. Sogar den Sand zu deinen Füßen kräuseln.
  31. O liebe Hand! so göttergleich!
  32. Die Hütte wird durch dich ein Himmelreich.
  33. Und hier!
  34. Er hebt einen Bettvorhang auf.
  35. Was faßt mich für ein Wonnegraus!
  36. Hier möcht‘ ich volle Stunden säumen.
  37. Natur! hier bildetest in leichten Träumen
  38. Den eingebornen Engel aus!
  39. Hier lag das Kind, mit warmem Leben
  40. Den zarten Busen angefüllt,
  41. Und hier mit heilig reinem Weben
  42. Entwirkte sich das Götterbild!
  43. Und du! Was hat dich hergeführt?
  44. Wie innig fühl‘ ich mich gerührt!
  45. Was willst du hier? Was wird das Herz dir schwer?
  46. Armsel’ger Faust! ich kenne dich nicht mehr.
  47. Umgibt mich hier ein Zauberduft?
  48. Mich drang’s, so grade zu genießen,
  49. Und fühle mich in Liebestraum zerfließen!
  50. Sind wir ein Spiel von jedem Druck der Luft?
  51. Und träte sie den Augenblick herein,
  52. Wie würdest du für deinen Frevel büßen!
  53. Der große Hans, ach wie so klein!
  54. Läg‘, hingeschmolzen, ihr zu Füßen.
Quelle:
Goethes Werke. Hamburger Ausgabe in 14 Bänden. Band 3, Hamburg 1948 ff, S. 86-90.

Einleitung und Einordnung

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um einen Auszug aus der Szene „Abend“, der deutlich macht, was Faust angesichts des Zimmers von Gretchen für sie empfindet.

Um den Szenenausschnitt  analysieren zu können, muss man zunächst klären, was seine wesentlichen Voraussetzungen sind:

  1. Faust ist ein älterer Wissenschaftler, der unzufrieden damit ist, dass er immer noch nicht weiß, „was die Welt zusammenhält“.
  2. Er trifft dann auf Mephisto, der ihm im Rahmen der Absprachen mit dem Herrn im Prolog im Himmel die Erfüllung all seiner Wünsche verspricht. Faust lässt sich auf einen Pakt ein, der ihn nach seinem Tod in die Hölle führen wird, wenn er gegenüber Mephisto endlich einen Moment zur Quelle vollkommenen Glücks erklären wird.
  3. Der Teufel versucht es zunächst mit einem Kneipenbesuch mit Zauberkunststückchen, was Faust aber nicht zufriedenstellt.
  4. Für den Szenenausschnitt wichtig ist die Verjüngung Fausts in der Hexenküche und die Verabreichung eines Zaubertrunks. Der sorgt dafür, dass Faust gleich bei der nächstbesten Frau Liebesgefühle entwickelt.
  5. Faust erleidet eine Abfuhr bei seinem plumpen Annäherungsversuch. Daraufhin beauftragt der Mephisto, ihn über ein Geschenk zum Ziel zu führen.
  6. Das führt dann zu dem Szenenausschnitt: Mephisto will ein Schmuckkästchen in Gretchens Zimmer unterbringen und Faust hat Gelegenheit, sich dort umzusehen. Kurz vorher hat Gretchen das Zimmer verlassen, nachdem ihre Überlegungen zu der Begegnung ein gewisses Interessen an Faust zeigen..