Kleist, „Krug“: Extremstes Beispiel für Richter Adams Versuch der Beeinflussung Eves (Mat7356-ebb)

Richter Adam versucht Eve zu beeinflussen

  • Nehmen wir an:
  • In einer Klausur zu Kleists Komödie „Der zerbrochene Krug“ geht es um das Thema „Macht durch Sprache“.
  • Natürlich kann das auch in einer mündlichen Abiturprüfung eine Rolle spielen.
  • Dann ist es gut, wenn man die folgende Textstelle möglichst gut im Kopf hat.
  • Wir erklären sie zunächst,
  • dann liefern wir noch einen kurzen Baustein, den man in der Klausur oder in der Prüfung verwenden kann.
  • Zugleich ist das hier eine Erweiterung der kurzen Hinweis, die wir in dem folgenden Video gegeben haben:‘
    Videolink
    https://youtu.be/IsBLhqTQXo4
    Dokumentation:https://schnell-durchblicken.de/klausur-vorbereitung-wie-ein-igel-kleist-der-zerbrochene-krug

    Den folgenden Szenenauszug haben wir aus zeno:
    Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 1978, S. 274-285.
    Permalink:
    http://www.zeno.org/nid/20005166772

  1. ADAM.
  2. Sprich, Evchen, hörst du, sprich jetzt, Jungfer Evchen!
    • Vertrauliche Anrede, aber mit Druck verbunden.
  3. Gib Gotte, hörst du, Herzchen, gib, mein Seel,
  4. Ihm und der Welt, gib ihm was von der Wahrheit.
  5. Denk, daß du hier vor Gottes Richtstuhl bist,
  6. Und daß du deinen Richter nicht mit Leugnen,                                1100
  7. Und Plappern, was zur Sache nicht gehört,
  8. Betrüben mußt. Ach, was! Du bist vernünftig.
    • Wiederholung der Vertraulichkeit.
    • Ansonsten eine erstaunliche Überhöhung des Falles, um den Druck zu verstärken.
    • Sogar Gott wird eingebracht – und zwar auf eine Weise, die den irdischen Richterstuhl fast auf göttliche Höhe hebt. Das grenzt an Gotteslästerung.
    • Interessant auch die Formulierung „deinen Richter“. Hier wird eine Beziehung hergestellt, die in einem Gerichtsverfahren nichts zu suchen hat.
    • Siehe auch weiter unten die Reaktion des Gerichtsrates.
    • Ziemlich dreist ist auch die Verbindung von Zeugenaussage mit einer möglichen Betrübnis des Richters. Wieder eine Stelle, wo sich Adam auf dümmliche Art und Weise – nämlich in Gegenwart des Gerichtsrates – fast schon selbst ans Messer liefert.
  9. Ein Richter immer, weißt du, ist ein Richter,
  10. Und einer braucht ihn heut, und einer morgen.
    • Hier eine versteckte Drohung.
    • Nach dem Motto. Man sieht sich im Leben immer zweimal.
    • Wenn du mir heute Ärger machst,
    • dann mache ich dir bei nächster Gelegenheit auch Ärger.
  11. Sagst du, daß es der Lebrecht war: nun gut;
  12. Und sagst du, daß es Ruprecht war: auch gut!
    • Hier wird deutlich, dass es diesem Richter egal ist, wer am Ende als schuldig gilt und bestraft wird.
  13. Sprich so, sprich so, ich bin kein ehrlicher Kerl,
  14. Es wird sich alles, wie du’s wünschest finden.
    • Hier dann ein kurzes Umschalten
    • und anscheinend ein Hinweis, dass man ja auch
    • für einen angeblich guten Zweck
    • mal unehrlich sein kann.
  15. Willst du mir hier von einem andern trätschen,
  16. Und dritten etwa, dumme Namen nennen:                                       1110
  17. Sieh, Kind, nimm dich in acht, ich sag nichts weiter.
  18. In Huisum, hol’s der Henker, glaubt dir’s keiner,
  19. Und keiner, Evchen, in den Niederlanden,
  20. Du weißt, die weißen Wände zeugen nicht,
  21. Der auch wird zu verteidigen sich wissen:
  22. Und deinen Ruprecht holt die Schwerenot!
    • Hier wieder – typisch für Terror – der Wechsel zwischen Zuckerbrot und Peitsche.
    • Deutliche Warnung für den Fall, dass Eve hier einen dritten Namen ins Spiel bringt, nämlich seinen.
    • Dann Erweiterung der Drohung: Du stehst dann ganz allein. Niemand im ganzen Land glaubt dir – im Vergleich zu einem Richter.
    • Die „weißen Wände“ sind ein Hinweis auf die angebliche Zeugeneinsamkeit Eves, denn Ruprecht hat den Richter ja nicht erkannt.
    • Dann noch der Hinweis, dass der Richter wissen wird, wie er sich verteidigt. Hier stellt sich Adam scheinbar auf die gleiche Stufe wie Eve – aber der Kontext hat einen ganz anderen Horizont aufgebaut.
    • Ganz am Ende dann der versteckte Hinweis auf das wirkliche Probleme Eves, nämlich ihre Angst um einen gefährlichen Einsatz ihres Verlobten im fernen Asien.
  23. WALTER.
  24. Wenn Ihr doch Eure Reden lassen wolltet.
  25. Geschwätz, gehauen nicht und nicht gestochen.
    • Hier greift der Gerichtsrat ein – allerdings recht zurückhaltend.
    • Wahrscheinlich will er seines Amtes walten und für einen ordentlicheren Verlauf des Prozesses sorgen.
    • Aber auf mehr Eingreifen verzichtet er – wahrscheinlich will er Adam Gelegenheit geben, noch weitere Dummheiten dieser Art von sich zu geben.
    • Vom Kommunikationsmodell her würde man von „Selbstkundgabe“ sprechen – also der nicht bedachten Wirkung eigener Worte. Adam denkt nur an Beeinflussung – und berücksichtigt zu wenig, dass der Gerichtsrat wohl auch die unterschwelligen Dinge hört und richtig einzuschätzen weiß.
  26. ADAM.
  27. Verstehen’s Euer Gnaden nicht?
    • Hier zeigt sich die Ungeschicklichkeit des Richters.
    • Statt die Sache auf sich beruhen zu lassen, bohrt er noch nach
    • und sieht dabei nicht, dass jede weitere Besprechung seines Vorgehens nur gegen ihn ausgehen kann.
  28. WALTER.
  29. Macht fort!
    • Wie schon vermutet, hat der Gerichtsrat nichts dagegen, dass Adam sich weiter so in Schwierigkeiten bringt.
    • Ihm ist es Hauptsache, dass er eingegriffen hat, um zumindest den Anschein eines ordentlichen Prozesses aufrecht zu erhalten.
  30. Ihr habt zulängst hier auf dem Stuhl gesprochen.                            1120
    • Dann aber kann sich der Gerichtsrat doch eine Bemerkung nicht verkneifen, die eindeutig als Hinweis auf die Folgen eines solchen Amtsverständnisses oder besser: Amtsmissbrauchs verstanden werden kann.
  31. ADAM.
  32. Auf Ehr! Ich habe nicht studiert, Euer Gnaden.
  33. Bin ich euch Herrn aus Utrecht nicht verständlich,
  34. Mit diesem Volk vielleicht verhält sich’s anders:
  35. Die Jungfer weiß, ich wette, was ich will.
    • Zum Schluss dann von Adam eine Kombination von Unterwürfigkeit
    • und Hinweis auf seine Machtposition mit von ihm angenommener Wirkung auf Eve.

Vorschlag für eine kurze Zusammenfassung:

  • Die Art und Weise, wie der Richter in dieser Komödie sein Amt versteht, wird am besten in der 9. Szene deutlich.
  • Dort versucht er nämlich, Eve mit allen Mitteln davon abzuhalten, ihn selbst als nächtlichen Besucher und Verantwortlichen für die Zerstörung des Kruges zu benennen.
  • Das geschieht mit einer Mischung von Vertraulichkeit, Mahnungen bis hin zu Drohungen und der Erinnerung an die möglichen Gefahren für Eves Verlobten.
  • Deutlich wird hier, wie sehr Adam sein Amt für die Beeinflussung der entscheidenden Zeugin im Streitfall missbraucht.
  • Dabei merkt er nicht, typisch für das Phänomen der „Selbstkundgabe“ im Kommunikationsquadrat, dass er sich mit seinem Verhalten gegenüber dem Gerichtsrat nur verdächtig macht.

Weitere Infos, Tipps und Materialien