Richter Adam versucht Eve zu beeinflussen
- Nehmen wir an:
- In einer Klausur zu Kleists Komödie „Der zerbrochene Krug“ geht es um das Thema „Macht durch Sprache“.
- Natürlich kann das auch in einer mündlichen Abiturprüfung eine Rolle spielen.
- Dann ist es gut, wenn man die folgende Textstelle möglichst gut im Kopf hat.
- Wir erklären sie zunächst,
- dann liefern wir noch einen kurzen Baustein, den man in der Klausur oder in der Prüfung verwenden kann.
— - Zugleich ist das hier eine Erweiterung der kurzen Hinweis, die wir in dem folgenden Video gegeben haben:‘
Videolinkhttps://youtu.be/IsBLhqTQXo4
Dokumentation:https://schnell-durchblicken.de/klausur-vorbereitung-wie-ein-igel-kleist-der-zerbrochene-krugDen folgenden Szenenauszug haben wir aus zeno:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 1978, S. 274-285.
Permalink:
http://www.zeno.org/nid/20005166772
- ADAM.
- Sprich, Evchen, hörst du, sprich jetzt, Jungfer Evchen!
- Vertrauliche Anrede, aber mit Druck verbunden.
- Gib Gotte, hörst du, Herzchen, gib, mein Seel,
- Ihm und der Welt, gib ihm was von der Wahrheit.
- Denk, daß du hier vor Gottes Richtstuhl bist,
- Und daß du deinen Richter nicht mit Leugnen, 1100
- Und Plappern, was zur Sache nicht gehört,
- Betrüben mußt. Ach, was! Du bist vernünftig.
- Wiederholung der Vertraulichkeit.
- Ansonsten eine erstaunliche Überhöhung des Falles, um den Druck zu verstärken.
- Sogar Gott wird eingebracht – und zwar auf eine Weise, die den irdischen Richterstuhl fast auf göttliche Höhe hebt. Das grenzt an Gotteslästerung.
- Interessant auch die Formulierung „deinen Richter“. Hier wird eine Beziehung hergestellt, die in einem Gerichtsverfahren nichts zu suchen hat.
- Siehe auch weiter unten die Reaktion des Gerichtsrates.
- Ziemlich dreist ist auch die Verbindung von Zeugenaussage mit einer möglichen Betrübnis des Richters. Wieder eine Stelle, wo sich Adam auf dümmliche Art und Weise – nämlich in Gegenwart des Gerichtsrates – fast schon selbst ans Messer liefert.
- Ein Richter immer, weißt du, ist ein Richter,
- Und einer braucht ihn heut, und einer morgen.
- Hier eine versteckte Drohung.
- Nach dem Motto. Man sieht sich im Leben immer zweimal.
- Wenn du mir heute Ärger machst,
- dann mache ich dir bei nächster Gelegenheit auch Ärger.
- Sagst du, daß es der Lebrecht war: nun gut;
- Und sagst du, daß es Ruprecht war: auch gut!
- Hier wird deutlich, dass es diesem Richter egal ist, wer am Ende als schuldig gilt und bestraft wird.
- Sprich so, sprich so, ich bin kein ehrlicher Kerl,
- Es wird sich alles, wie du’s wünschest finden.
- Hier dann ein kurzes Umschalten
- und anscheinend ein Hinweis, dass man ja auch
- für einen angeblich guten Zweck
- mal unehrlich sein kann.
- Willst du mir hier von einem andern trätschen,
- Und dritten etwa, dumme Namen nennen: 1110
- Sieh, Kind, nimm dich in acht, ich sag nichts weiter.
- In Huisum, hol’s der Henker, glaubt dir’s keiner,
- Und keiner, Evchen, in den Niederlanden,
- Du weißt, die weißen Wände zeugen nicht,
- Der auch wird zu verteidigen sich wissen:
- Und deinen Ruprecht holt die Schwerenot!
- Hier wieder – typisch für Terror – der Wechsel zwischen Zuckerbrot und Peitsche.
- Deutliche Warnung für den Fall, dass Eve hier einen dritten Namen ins Spiel bringt, nämlich seinen.
- Dann Erweiterung der Drohung: Du stehst dann ganz allein. Niemand im ganzen Land glaubt dir – im Vergleich zu einem Richter.
- Die „weißen Wände“ sind ein Hinweis auf die angebliche Zeugeneinsamkeit Eves, denn Ruprecht hat den Richter ja nicht erkannt.
- Dann noch der Hinweis, dass der Richter wissen wird, wie er sich verteidigt. Hier stellt sich Adam scheinbar auf die gleiche Stufe wie Eve – aber der Kontext hat einen ganz anderen Horizont aufgebaut.
- Ganz am Ende dann der versteckte Hinweis auf das wirkliche Probleme Eves, nämlich ihre Angst um einen gefährlichen Einsatz ihres Verlobten im fernen Asien.
- WALTER.
- Wenn Ihr doch Eure Reden lassen wolltet.
- Geschwätz, gehauen nicht und nicht gestochen.
- Hier greift der Gerichtsrat ein – allerdings recht zurückhaltend.
- Wahrscheinlich will er seines Amtes walten und für einen ordentlicheren Verlauf des Prozesses sorgen.
- Aber auf mehr Eingreifen verzichtet er – wahrscheinlich will er Adam Gelegenheit geben, noch weitere Dummheiten dieser Art von sich zu geben.
- Vom Kommunikationsmodell her würde man von „Selbstkundgabe“ sprechen – also der nicht bedachten Wirkung eigener Worte. Adam denkt nur an Beeinflussung – und berücksichtigt zu wenig, dass der Gerichtsrat wohl auch die unterschwelligen Dinge hört und richtig einzuschätzen weiß.
- ADAM.
- Verstehen’s Euer Gnaden nicht?
- Hier zeigt sich die Ungeschicklichkeit des Richters.
- Statt die Sache auf sich beruhen zu lassen, bohrt er noch nach
- und sieht dabei nicht, dass jede weitere Besprechung seines Vorgehens nur gegen ihn ausgehen kann.
- WALTER.
- Macht fort!
- Wie schon vermutet, hat der Gerichtsrat nichts dagegen, dass Adam sich weiter so in Schwierigkeiten bringt.
- Ihm ist es Hauptsache, dass er eingegriffen hat, um zumindest den Anschein eines ordentlichen Prozesses aufrecht zu erhalten.
- Ihr habt zulängst hier auf dem Stuhl gesprochen. 1120
- Dann aber kann sich der Gerichtsrat doch eine Bemerkung nicht verkneifen, die eindeutig als Hinweis auf die Folgen eines solchen Amtsverständnisses oder besser: Amtsmissbrauchs verstanden werden kann.
- ADAM.
- Auf Ehr! Ich habe nicht studiert, Euer Gnaden.
- Bin ich euch Herrn aus Utrecht nicht verständlich,
- Mit diesem Volk vielleicht verhält sich’s anders:
- Die Jungfer weiß, ich wette, was ich will.
- Zum Schluss dann von Adam eine Kombination von Unterwürfigkeit
- und Hinweis auf seine Machtposition mit von ihm angenommener Wirkung auf Eve.
Vorschlag für eine kurze Zusammenfassung:
- Die Art und Weise, wie der Richter in dieser Komödie sein Amt versteht, wird am besten in der 9. Szene deutlich.
- Dort versucht er nämlich, Eve mit allen Mitteln davon abzuhalten, ihn selbst als nächtlichen Besucher und Verantwortlichen für die Zerstörung des Kruges zu benennen.
- Das geschieht mit einer Mischung von Vertraulichkeit, Mahnungen bis hin zu Drohungen und der Erinnerung an die möglichen Gefahren für Eves Verlobten.
- Deutlich wird hier, wie sehr Adam sein Amt für die Beeinflussung der entscheidenden Zeugin im Streitfall missbraucht.
- Dabei merkt er nicht, typisch für das Phänomen der „Selbstkundgabe“ im Kommunikationsquadrat, dass er sich mit seinem Verhalten gegenüber dem Gerichtsrat nur verdächtig macht.
Weitere Infos, Tipps und Materialien
- Kleist, „Der zerbrochene Krug“ – Infos, Tipps und Materialien (Themenseite)
https://schnell-durchblicken.de/kleist-der-zerbrochene-krug-infos-tipps-und-materialien-themenseite
— - Youtube-Playlist unserer Videos zur Komödie „Der zerbrochene Krug“
https://www.youtube.com/playlist?list=PLNeMBo_UQLv0-Oy6aLrAuBfSEkJsvdLWW
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