Kleists genialer Hinweis auf die Entwicklung von Gedanken
- Wer kennt das nicht. Es wird einem eine Frage gestellt – und schon beginnt man zu stottern. Das hängt aber nur mit Nervosität und zu wenig Übung zusammen.
- Der Dichter Kleist hat schon vor über 200 Jahren ausführlich erklärt, wie Gedanken auch einfach erst beim Reden entstehen können.
Zu finden ist der Text zum Beispiel hier:
https://www.projekt-gutenberg.org/kleist/gedanken/gedanken.html
Unsere gegliederte Vorstellung bezieht sich auf diese Textvariante, die wir mit Zeilennummern versehen haben. Dann findet man sich schnell zurecht.
Mat7484-tzei Kleist Über die allmähliche Verfertigung
Hier ist die Einteilung des Textes „Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden“ von Heinrich von Kleist in Sinnabschnitte, jeweils mit einer passenden Überschrift und zitierten Textstellen, die die Gedanken Kleists anschaulich machen. Die Zeilenangaben beziehen sich auf das hochgeladene Dokument:
- Einleitung: Der Nutzen des Gesprächs (Zeilen 5–15)
Kleist beschreibt die Vorteile des Redens, um Gedanken zu entwickeln:
- „Wenn du etwas wissen willst und es durch Meditation nicht finden kannst, so rate ich dir, mein lieber, sinnreicher Freund, mit dem nächsten Bekannten […] darüber zu sprechen.“ (Zeilen 5–6)
- „Der Franzose sagt, l’appétit vient en mangeant, und dieser Erfahrungssatz bleibt wahr, wenn man ihn parodiert, und sagt, l’idée vient en parlant.“ (Zeilen 14–15)
- Der Prozess der Gedankenklärung durch Kommunikation (Zeilen 16–46)
Er schildert, wie durch Reden Ideen entstehen und sich klären:
- „Und siehe da, wenn ich mit meiner Schwester davon rede […] so erfahre ich, was ich durch ein vielleicht stundenlanges Brüten nicht herausgebracht haben würde.“ (Zeilen 22–23)
- „Ein Blick, der uns einen halb ausgedrückten Gedanken schon als begriffen ankündigt, schenkt uns oft den Ausdruck für die ganz andere Hälfte desselben.“ (Zeilen 44–45)
- Beispiele für spontane Rede und ihre Wirkung (Zeilen 47–79)
Kleist illustriert seine These anhand historischer Beispiele, etwa Mirabeau:
- „Ich glaube, daß mancher großer Redner, in dem Augenblick, da er den Mund aufmachte, noch nicht wußte, was er sagen würde.“ (Zeilen 47–48)
- „Ja, mein Herr«, wiederholte er, »wir haben ihn vernommen« […] »so sagen Sie Ihrem Könige, daß wir unsere Plätze anders nicht, als auf die Gewalt der Bajonette verlassen werden.“ (Zeilen 57–64)
- Das Prinzip der „allmählichen Verfertigung“ (Zeilen 80–107)
Kleist vergleicht physische und moralische Gesetzmäßigkeiten:
- „Ein solches Reden ist wahrhaft lautes Denken. Die Reihen der Vorstellungen und ihrer Bezeichnungen gehen nebeneinander fort.“ (Zeilen 104–105)
- „Die Sprache ist […] kein Hemmschuh an dem Rade des Geistes, sondern wie ein zweites mit ihm parallel fortlaufendes Rad an seiner Achse.“ (Zeilen 106–107)
- Herausforderungen und Grenzen des Ausdrucks (Zeilen 108–128)
Er zeigt, dass vorgefertigte Gedanken sprachlich manchmal nicht vollständig erfasst werden:
- „Wenn daher eine Vorstellung verworren ausgedrückt wird, so folgt der Schluß noch gar nicht, daß sie auch verworren gedacht worden sei.“ (Zeilen 111–112)
- „Denn nicht wir wissen, es ist allererst ein gewisser Zustandunsrer, welcher weiß.“ (Zeilen 138–139)
- Kritik an Prüfungen und Examinationsmethoden (Zeilen 129–158)
Kleist kritisiert öffentliche Prüfungen und ihre Wirkung auf Geist und Gemüt:
- „Nur ganz gemeine Geister, Leute, die, was der Staat sei, gestern auswendig gelernt, und morgen schon wieder vergessen haben, werden hier mit Antwort bei der Hand sein.“ (Zeilen 139–140)
- „Es ist so schwer, auf ein menschliches Gemüt zu spielen und ihm seinen eigentümlichen Laut abzulocken, es verstimmt sich so leicht unter ungeschickten Händen.“ (Zeilen 145–146)