Kurz-Tipp: Gedicht-Interpretation: Erst die Aussagen, dann die Mittel (Mat1874)

Worum es hier geht:

Die sprachlichen Mittel sind an sich schon etwas, was man nicht gerne angeht. Es gibt da unendlich lange Listen – da muss man dann wie ein Biologe in der Botanik Lebewesen einer Gattung zuordnen bzw. auf den Begriff bringen.

Noch schlimmer wird es, wenn man dann auch noch die Wirkung beschreiben soll.

Eigentlich sinnvoll – aber meistens läuft es darauf hinaus:

  • Die Metapher macht anschaulich.
  • Der Neologismus erzeugt Aufmerksamkeit.

Alles richtig – aber eigentlich könnte es ganz einfach sein.

Video-Hinweis

Hierzu haben wir jetzt auch ein Video gemacht.

Videolink

Dazu die Dokumentation:

Mat8746 pcf1753 Erst Aussage des Gedichtes – dann die sprachlichen Mittel Kopie

Jetzt zu den einzelnen Schritten:

Die Mittel unterstützen doch die Aussagen eines Textes.

Das bedeutet:

  1. Man sammelt alles, was auffällt an sprachlichen Besonderheiten, Abweichungen vom Normalgebrauch.
  2. Dann ermittelt man die Aussagen, möglichst mehrere.
  3. Und dann ordnet man die Mittel den Aussagen zu. Das geht eigentlich ganz einfach – sonst sind es nämlich keine Mittel, die eine Bedeutung haben für den Text – sondern nur Sprachspielereien des Autors.

Schauen wir uns das mal an einem berühmten Gedicht an:

Schritt 1: „Wahrnehmung“ – die sprachlichen Mittel sehen
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  • Sprachliche Mittel= Abweichungen vom normalen Sprachgebrauch
    Es soll ja auffallen.

    • z.B. Vergleich = „wie die Löcher eines Siebes“
    • „drängend fassen / Häuser sich so dicht an“= Personifikation = menschliche Tätigkeiten werden auf Dinge übertragen.—
    • Rhetorische Mittel
      Mittel, die über das einzelne Wort hinausgehen. Das sind also „größere“ Mittel, wie sie vor allem von Rednern eingesetzt werden.
      Aber sie spielen natürlich auch in Gedichten eine Rolle.

      • z.B. Steigerung
        oder Gegensatz
        09: „dünn“ – „teilnimmt“
        und dagegen13: „Unberührt und ungeschaut“
        14: „Steht doch jeder fern“
Schritt 2: Verschriftlichung
  1. von den Aussagen ausgehen
  2. und dann die Mittel zuordnen.
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Zuordnung der Mittel zu den Aussagen
  1. Das Gedicht zeigt die Enge des Lebens in der Stadt.
    Das wird deutlich gemacht

    1. durch den Vergleich:
      Fenster: „wie Löcher eines Siebes“ (01)
    2. durch die Personifikation:
      „drängend fassen Häuser sich so dicht an“ (02/03)
    3. schließlich durch eine Metapher plus Vergleich„
      daß die Straßen / grau geschwollen wie Gewürgte stehn“ (03/04)
    4. die Metapher der „Fassaden“ (06) für die Leute in der Tram
    5. und die Metapher: „Begierde ineinander ragt“ (08)
  2. Dann ein erster Gegensatz: „wo die Blicke eng ausladen“ (07)
    d.h. es ist eng – und gleichzeitig ausladend, das führt dann zu dem „ineinander ragt“.
  3. Dann der große Gegensatz in den beiden Terzetten
    1. einerseits Enge/Nähe
      1. Vergleich: „Wände sind so dünn wie Haut“ (09)-> „Daß ein jeder teilnimmt, wenn ich weine“ (10)
      2. Vergleich „Flüstern [… wie „Gegröhle“ (11)
    2. Andererseits Distanz/Ferne
      1. „Unberührt und ungeschaut“ (13) – Gegensatz zu 10
      2. „Steht doch jeder fern und fühlt: alleine“ (14)

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