Mascha Kaléko, „Inventar“ (Mat2602)

Anmerkungen zum Gedicht „Inventar“ von Mascha Kaléko

  • Die Überschrift ist jetzt ein erstes, aber sehr allgemeines Signal. Es geht offensichtlich um die Übersicht über den Inhalt eines Objekts.

Die erste Strophe

  • präsentiert vier Dinge (in einem allgemeinen Sinne zählen wir das Kind jetzt hier mal dazu), die alle einen mehr oder weniger essentiellen Mangel aufweisen.
  • Ein Haus ohne Dach kann seine Schutzfunktion nicht wahrnehmen,
  • ein Kind ohne Bett hat wahrscheinlich kein Zuhause und kann nicht auf normale Art und Weise leben.
  • Ein Tisch ohne Brot geht wohl in Richtung fehlende Lebensmittel
  • und am Ende gibt es das größte Beispiel, nämlich einen „Stern ohne Licht“, der damit – wie unsere Sonne – kein Leben spenden könnte.
  • Auffällig ist die starke sprachliche Reduktion – eben auf das unbedingt Notwendige, was man hier aber zur Hälfte nicht hat, wohl aber sagen will.
  • Die Aneinanderreihung wirkt etwas willkürlich, sieht man von der Wendung ins Kosmische in der letzten Zeile ab.
  • Offensichtlich geht es dem lyrischen Ich darum, eine weiträumige, vielleicht sogar allumfassende Mangelsituation in den Blick zu nehmen.

Strophe 2

  • Die zweite Strophe hat eine ähnliche Struktur, indem zunächst wiederum drei Elemente genannt werden, die alle notwendig sind, wenn man sich fortbewegen will.
  • Die letzte Zeile ist insofern hier etwas Besonderes, als sie der Fortbewegung einen Grund oder ein Motiv gibt, aber einen, der beim Fliehen von existenzieller Bedeutung ist. Es fehlt nämlich ein Ziel – und dazu kann einem leicht das passende Wort Zu-Flucht einfallen.

Strophe 3

  • Die dritte Strophe setzt das Darstellungsverfahren fort,
  • bietet aber eine interessante Variante der ersten Zeile der ersten Strophe, indem nämlich das Vorhandene und das Fehlende einfach umgedreht werden. Der Effekt ist natürlich, dass das geradezu Widersinnige hier noch deutlicher wird..
  • Die nächsten beiden Verse wenden sich dann erstmals dem Bereich des sozialen Miteinanders zu. Vermisst werden jetzt ein Freund beziehungsweise eine entsprechende Kommunikation.
  • Im Unterschied zu den ersten beiden Strophen stellt die vierte Zeile nicht so sehr den Wechsel ins Kosmische oder Allgemeine dar, sondern sie verbindet die Natur mit einer für den Menschen wichtigen Wahrnehmungsart.
  • Wie wichtig das Riechen ist, kann man der Wendung entnehmen, man müsste „jemanden auch riechen können“, um in eine engere Beziehung zu ihm eintreten zu können.
  • Wenn der Wald nicht riecht, keinen Duft verströmt, fehlt ihm damit etwas Entscheidendes, was zum Wohlgefühl und zur Erholung beiträgt.
  • Man könnte natürlich auch überlegen, ob der Mensch, der all das hier als Defizit erlebt, vielleicht selbst bereits in seiner Wahrnehmung so gemindert wird, dass er aus Angst oder anderen Gründen den durchaus vorhandenen Duft des Waldes gar nicht mehr wahrnehmen kann.

Letzte Strophe

  • Die letzte Strophe versucht anscheinend alles vorher aufgeführte zusammenzufassen,
  • Jetzt wird nämlich alles umgedreht, was möglicherweise nur noch eine verkehrte Welt darstellen soll.
  • Die ersten beiden Zeilen könnten sich natürlich auch auf eine andere Gruppe von Menschen beziehen, die alles haben, aber damit nicht so recht etwas anfangen können.
  • Was die dritte Zeile angeht, könnte sie bedeuten, dass in dieser Welt zwar viele Worte gemacht werden, dahinter aber kein Mensch mehr steckt.
  • Die letzte Zeile könnte bei dieser Hypothese bedeuten, dass diese anderen Menschen zwar Ziele haben, es aber einen richtigen Grund dafür nicht gibt. Sie leben dann also eigentlich nicht ihr eigenes bzw. ihr richtiges Leben.
  • Wenn diese Hypothese stimmen sollte, dann würde das zum einen eine gewisse Relativierung der eigenen schlechten Situation darstellen. Man könnte das aber auch so verstehen, dass das lyrische Ich hier deutlich macht, dass es selbst – bzw. ein Flüchtling – nur auf extrem deutliche Weise das falsche Leben erleben muss, was die anderen auf ihre Weise auch führen – ohne es zu merken. Aber dieses falsche Leben der anderen könnte ein Grund sein für das eigene Fliehen-Müssen.

Aussagen des Gedichtes

  • Das Gedicht zeigt in den ersten drei Strophen die Situation von Menschen, die sich in einer Mangelsituation befinden. Die Einbeziehung des Wortes „Flucht“ lässt es sinnvoll erscheinen, dass alles auf eine entsprechende Situation zu beziehen.
  • Die letzte Strophe kann unterschiedlich gedeutet werden
  • Zum einen kann es eine schon von Zerstörung von Logik und Normalität gekennzeichnete Zusammenfassung sein.
  • Möglich ist aber auch, dass das lyrische Ich am Ende den Blick auf andere Menschen gerichtet, die es scheinbar besser haben, was aber nicht stimmen muss oder sogar ein Grund des Gesamtmangels an vollem Leben sein könnte.

Zusammenfassung

  • Am Ende sollte man unbedingt den Titel noch einmal einbeziehen und der würde dann für die Aussage des Gedichtes bedeuten,
  • dass hier jemand zusammenfasst, was ihm übrig geblieben ist und zwar vorwiegend als nicht ausreichend.
  • Die letzte Strophe könnte das dann noch mal auf sarkastisch verquere Art und Weise als unnormal charakterisieren.
  • Interessanter erscheint aber die Einbeziehung auch anderer Menschen, denn der Begriff des Inventars kann ja auf mehrere Dinge bezogen werden.

Sprachliche und rhetorische Mittel

  • Die künstlerische Eigenart des Gedichtes ist geprägt durch ein durchgehendes Muster der Aneinanderreihung von Dingen, die zunächst genannt werden, bevor anschließend ein jeweils spezifisches Defizit aufgeführt wird.
  • Zum Teil wird zusätzlich das Mittel der Verkehrung ins unsinnig Erscheinende verwendet,
  • was der Beschreibung ein Element der Kritik hinzufügen würde,
  • nach dem Motto: Warum ist das so? Muss das so sein, dieser widersinniges Zustand?

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