Matthäus v. Collin, „Der Zwerg“ – eine Ballade von Liebe und Tod

Worum es hier geht:

Wir stellen hier kurz die Ballade „Der Zwerg“ von Matthäus v. Collin vor.

Gefunden haben wir hier.

Matthäus v. Collin

Der Zwerg

Im trüben Licht verschwinden schon die Berge,
Es schwebt das Schiff auf glatten Meereswogen,
Worin die Königin mit ihrem Zwerge.

  • Ausgangssituation:
  • Ein Schiff ist unterwegs auf dem Meer
  • mit einer Königin und einem Zwerg, der ihr wohl nahe steht – vielleicht als Hofnarr.

Sie schaut empor zum hochgewölbten Bogen,
Hinauf zur lichtdurchwirkten blauen Ferne,
Die mit der Milch des Himmels blaß durchzogen.

  • Die Königin blickt nach oben,
  • genießt möglicherweise die Aussicht.

Ihr habt mir nie gelogen noch, ihr Sterne,
So ruft sie aus, bald werd‘ ich nun entschwinden,
Ihr sagt es mir, doch sterb‘ ich wahrlich gerne.

  • Hier wird deutlich, dass es nicht um Genuss geht,
  • sondern diese Königin bereitet sich auf den Tod vor.
  • Möglicherweise haben ihr das die Sterne gesagt, also die Astrologie.

Da geht der Zwerg zur Königin, mag binden
Um ihren Hals die Schnur von rother Seide,
Und weint, als wollt vor Gram er schnell erblinden.

  • Anscheinend will die Königin Selbstmord begehen
  • und der Zwerg soll ihr dabei helfen.

Er spricht: Du selbst bist schuld an diesem Leide,
Weil um den König du mich hast verlassen,
Nun macht dein Sterben einzig mir nur Freude.

  • Hier ändert sich das.
  • Anscheinend will der Zwerg sich an der Königin rächen,
  • weil diese ihn zugunsten des Königs verlassen hat.

Mich selber werd‘ ich ewiglich wohl hassen,
Der dir mit dieser Hand den Tod gegeben,
Doch mußt zum frühen Grab du nun erblassen.

  • Hier macht der Zwerg deutlich,
  • dass er sich für seine Mordtat ewig hassen wird,
  • aber er bleibt bei seinem Vorhaben.

Sie legt die Hand auf’s Herz voll jungem Leben,
Und aus dem Aug‘ die schweren Thränen rinnen,
Das sie zum Himmel betend will erheben.

  • Die Königin scheint noch jung zu sein
  • und nicht sterben zu wollen.
  • Sie wendet sich mit Tränen an den Himmel.

O möchtest du nicht Schmerz durch meinen Tod gewinnen!
Sie sagt’s, da küßt der Zwerg die bleichen Wangen,
Und alsobald vergehen ihr die Sinnen.

  • Seltsamerweise wünscht sie dem Zwerg keinen Schmerz durch Reue.
  • Der Zwerg küsst sie noch einmal,
  • dann scheint die Königin zu sterben.

Der Zwerg schaut an die Frau vom Tod befangen,
Er senkt sie tief in’s Meer mit eignen Handen,
Ihm brennt nach ihr das Herze voll Verlangen.
An keiner Küste wird er je mehr landen.

  • Am Ende versenkt der Zwerg die Leiche der Königin im Meer.
  • Deutlich wird noch einmal sein Verlangen nach ihr.
  • Am Ende sieht es so aus, als ob er sich selbst auch den Tod gibt.

Insgesamt eine sehr seltsame Handlung, bei der vieles offen bleibt.

Deutlich wird nur, dass der Zwerg die Königin auf eine Art und Weise liebt, die ihn zu ihrem Eigentum macht, als er sie in der Gewalt hat – bis hin zur Ermordung.

Die Königin stirbt aus irgendeinem Grunde gern – vielleicht ist es eine gemeinsame Flucht vor dem König, der geheiratet werden musste.

Es bleibt bei beiden Figuren ein doppelter, widersprüchlicher Eindruck.

Der Zwerg liebt die Königin und ermordet sie zugleich, allerdings ohne selbst weiterleben zu wollen.

Die Königin liebt das Leben, ist aber bereit, in dieser besonderen Situation die Befreiung im Tod zuzulassen.

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