Worum es hier geht:
Stell dir vor, du hättest im Mittelalter gelebt:
- Die Welt der Römer war untergegangen – jetzt lebte man vor allem auf dem Land – harte Arbeit den ganzen Tag. Oder man war Adliger auf einer Burg. Da war es kalt – und für Ritter war das Leben ziemlich gefährlich. Sogar bei einem Turnier konnte man umkommen.
- Wenn man nicht das Glück hatte, Ritter zu sein – oder das Pech hatte, auf seinem Acker fast zu verhungern. Man musste nämlich was von seiner Ernte abgeben, auch wenn die Hälfte durch Überschwemmung oder andere Unwetter kaputt gegangen war. Dann konnte man vielleicht als Mönch in einem Kloster unterkommen – früh aufstehen, viel beten – aber wenigstens war man einigermaßen sicher und musste nicht hungern.
- Und wenn als König ganz oben stand – war man ständig per Pferd unterwegs – denn es gab keine Hauptstadt – stattdessen ging es von einem Königshof (Pfalz) zum nächsten. Hatte man dort alle Vorräte verbraucht – ging es weiter!
Allgemeines zum Mittelalter
- Das Mittelalter ist eine seltsame Übergangszeit zwischen der griechisch und römisch geprägten Antike und dem großen Aufbruch zu Beginn der Neuzeit ab dem 13. Jahrhundert. Es waren die Humanisten der Renaissance, die der Zeit zwischen 500 und 1500 den Namen gaben und sie zugleich als dunkles Zeitalter betrachteten.
— - Erst in der Zeit der Romantik ab etwa 1800 kam es zu einer neuen, positiveren Sicht der Zeit – wenn auch nicht ohne schwärmerische Züge.
— - In unserem Zusammenhang geht es vor allem um drei Dinge:
— - Das ganz andere Erscheinungsbild einer Welt, die zunächst einmal mit einem großen Kulturverlust zu kämpfen hat und sich dann eine ganz eigene, neue Kultur aufbaut.
— - Dann die besonderen gesellschaftlichen und politischen Phänomene, die im Mittelalter entwickelt wurden und noch bis weit in die Neuzeit hinein fortwirkten.
— - Schließlich ist dann da die Wiederbelebung des Phänomens der Städte, die den Menschen ganz neue Chancen auf Freiheit und Selbstbetätigung ermöglichen und in der Hanse fast eine Alternative zum Absolutismus geboten hätten.
Ständegesellschaft
- Das Besondere am Mittelalter war, dass zwar alle Menschen Christen und damit grundsätzlich eigentlich gleichberechtigt waren (es gab zum Beispiel keine Sklaven), dass es aber doch eine strenge Einteilung in drei Stände gab.
— - Am besten merkt man sich es mit einem Dreier-Reim: Es gab den „Lehrstand“, das waren die Geistlichen, die den Weg zum Himmel wiesen, daneben gab es den „Wehrstand“, das waren die Adligen, die – meistens zu Pferd – das Land verteidigten und mehr oder weniger mit der Herrschaft zu tun hatten.
— - Schließlich gab es noch den „Nährstand“, im Wesentlichen zunächst einmal die Bauern, später auch die Handwerker und Händler.
Lehnswesen – Personenverbandsstaat – Reisekönigtum
- Die große Trennung hing mit Entwicklungen in der Zeit der Karolinger zusammen. Aus den ursprünglich gleichberechtigten Bauernkriegern der Germanen wurden mehr und mehr Berufskrieger, die von denen, die nicht in den Krieg zogen, mit ernährt wurden.
— - Aus dieser funktionalen Differenzierung wurde schließlich ein hierarchisches System, bei dem die Reiterkrieger als Ritter immer mächtiger wurden und die Bauern immer mehr zu abhängigen Hörigen herabsanken.
— - Hintergrund war, dass der mittelalterliche Staat kein Territorialstaat war wie heute mit festen Grenzen, sondern ein Personenverbandsstaat, an dessen Spitze der König stand.
— - Das bedeutet, dass der Staat gar nicht wie heute organisiert werden konnte – mit Beamten und der Möglichkeit des Durchgriffs von ganz oben bis ganz unten.
— - Deshalb arbeitete man mit einem Pyramidensystem: An der Spitze stand der König, der hatte eigenes Königsgut, vergab aber ansonsten entsprechende Landesteile an Vasallen. Diese gaben große Teile ihrer Gebiete an Untervasallen weiter, bis man schließlich die Ebene des Adels verließ und der unterste Vasall die abhängigen Bauern gut im Blick hatte, beaufsichtigen und ausnutzen konnte.
— - Dabei muss im Auge behalten werden, dass die unterste Schicht auf allen Ebenen eben auch Frondienste zu leisten hatten. Dazu gehörte die Mithilfe in der Landwirtschaft des jeweiligen Herrn, aber auch Straßenarbeiten u.ä.
— - Zum System gehörte, dass der jeweilige Lehnsherr, vor allem der König, Lehen, Land und Ämter an Adlige vergab, die dafür „Hoffahrt“ und „Heerfahrt“ leisteten. Ersteres bedeutete, dass sie dem König mit Rat und Tat zur Seite standen, bei Hoftagen mit Gericht gewissermaßen personell seine Macht darstellten. Letzteres besagte, dass die Lehnsmänner ihrem Lehnsherren mit einer festgelegten Zahl von bewaffneten Gefolgsleuten das „Aufgebot“ bildeten, mit dem man in den Krieg ziehen konnte.
— - Der König an der Spitze der Pyramide hatte das Problem, dass er am weitesten reisen musste, um vor Ort gesehen zu werden und eben auch Macht auszuüben. Vor allem ging es auch um Rechtsprechung und zum Beispiel die Erstellung von Urkunden. Dafür gab es die Königspfalzen. Die wurden gewissermaßen vom König und seinem Gefolge „leergegessen“ und dann ging es weiter.
— - Daneben gab es überregionale Treffen, zum Beispiel Hoftage. Zu denen reisten dann eben die Vasallen an einen bestimmten Ort.
Grundherrschaft
- Damit dieses System in einer Welt weitgehend ohne Geld funktionieren konnte, brauchten die Adligen eine Einkommensbasis – und die wurde ihnen über die Grundherrschaft besorgt. Darunter ist zu verstehen, dass ein Adliger in der Regel vom König ein Stück Land mit einer Anzahl von Bauernhöfen bekam. Die dort lebenden Menschen waren zu „Frondiensten“ (Herrendiensten) verpflichtet, woran noch heute zum Teil die Ortsbezeichnung „Fronhof“ erinnert.
— - Dort gab es dann einen „Meier“ (englich „mayour“), der als Vertreter des Herrn die Abgaben einsammelte und die Dienste organisierte, die ebenfalls zum System gehörten. Das konnte bedeuten, dass man ein paar Tage im Jahr auf den Eigenfeldern des Herrn arbeiten musste – oder aber man musste Straßen in Stand setzen oder irgendwelche Handwerksdienste leisten.
— - Insgesamt gibt es den Begriff des Feudalismus für diese Kombination aus Lehnswesen und Grundherrschaft. Wir kennen den Begriff heute nur noch im Sinne von „eine feudale Veranstaltung“ – gemeint ist dann meistens eine mit reichhaltigem Buffet. Dahinter steckt aber immer noch die Idee, dass es Menschen gibt, die es sich gut gehen lassen, und solche, die dafür sorgen, dass auch die schönen Sachen auf den Tisch kommen.
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