Robert Seethaler, „Der Trafikant“ – Der Umzug nach Wien (Mat1713-4)
Worum es hier geht:
Wir wollen den Roman von Robert Seethalter möglichst so vorstellen, dass man
gleich weiß, worum es geht,
Durchblick beim Inhalt
und beim Aufbau des Romans hat,
Hinweise zum Verständnis bekommt
und zur Frage, was man damit anfangen kann.
Hier zunächst jetzt ein paar Überlegungen zu unserem Ansatz.
Weiter unten dann eine Gesamtübersicht über die verschiedenen Teile
und schließlich noch weiterführende Hinweise.
Dazu kommt eine Übersicht über die Videos, die wir inzwischen auf Youtube veröffentlicht haben.
Aktueller Teil
Teil 4: Umzug nach Wien
Verständlicherweise ist der junge Franz gar nicht begeistert, als ihm seine Mutter mitteilt, sie habe schon einen Job für ihn – bei einem alten Bekannten, der eine Trafik, eine Art Kiosk, in Wien betreibt. Interessant die Beschreibung des Verhältnisses zu diesem Mann: „Er schuldet mir einen Gefallen […] Die Saison damals war heiß, und wir waren jung und dumm im Schädel…“ Man kann wohl annehmen, dass diese Beziehung nicht viel anders ausgesehen hat als mit Alois Breuninger – und dass sie sich auch jetzt zumindest noch einmal auszahlt.
Als Franz von der Idee, gleich am nächsten Tag abzureisen, nicht begeistert ist, gibt seine Mutter ihm „wortlos eine Ohrfeige. Der Schlag traf ihn so plötzlich, dass er zwei Schritte zur Seite taumelte. Am nächsten Tag saß Franz im Frühzug nach Wien.“ (16) Man ist aus heutiger Sicht schon erstaunt, auf wie einfache Weise damals Konflikte in der Familie geregelt wurden.
Im Zug dann hat sich Franz‘ Einstellung schon geändert: „Vor seinem Inneren tauchte die Zukunft auf wie ein weit entfernter Uferstreifen aus dem Morgennebel: noch ein bisschen undeutlich und verwischt, aber auch verheißungsvoll und schön.“ (17)
Nicht ganz so schön verläuft dann die Fahrt, weil der Zug plötzlich halten muss, weil „eine alte Kuh […] sich zum Sterben ausgerechnet die Gleise der Westbahnstrecke ausgesucht hatte und nun schwer und stinkend auf den Schwellen lag“ (18). Die Augen der toten Kuh erinnern Franz „an die glänzenden Steine […] die er als Bub so oft am Seeufer eingesammelt hatte“ und die dann bald „ihren unergründlichen Glanz verloren hatten.“ Man merkt hier deutlich, wie sehr es in diesem jungen Menschen arbeitet, wie er alles um sich herum aufmerksam wahrnimmt und in seiner Fantasie mit anderen Erlebnissen verknüpft. Und dass es gerade um das Sterben einer alten Kuh geht, dürfte schon was zu tun haben mit dem Sterben eines freiheitlichen Lebens unter der Nazi-Herrschaft in Österreich, wie es Franz dann später erfährt.
Als er in Wien ankommt, ist die Stadt für ihn „überwältigend. Die Stadt brodelte wie der Gemüsetopf auf Mutters Herd“ (20). Ausführlich wird dann auf viele Einzelheiten eingegangen, die zu dieser Überwältigung durch Geräusche und andere Eindrücke gehören. Dann aber wieder ein Wechsel: „Ja, dachte Franz benommen, das hier ist etwas anderes. Etwas völlig und ganz anderes. Und in diesem Moment nahm er den Gestank wahr“, den er dem Abwasserkanal zuschreibt. Hier korrigiert ihn aber eine alte Dame: „Das ist nicht der Kanal, der da stinkt […] Das sind die Zeiten. Faulige Zeiten sind das nämlich. Faulig, verdorben und verkommen.“ (21) Es bleibt offen, was damit gemeint ist, aber auf jeden Fall folgt noch der Rat: „Da fährst am besten gleich wieder zurück!“ (21) Franz aber ist inzwischen ganz optimistisch: „Es gibt kein Zurück, und außerdem gewöhnt man sich an alles.“ (21)