Tipps zur Analyse und zur Interpretation, bsd. von Gedichten (Mat6034)

Worum es hier geht:

  • Analyse und Interpretation sind eigentlich was ganz Einfaches.
  • Man muss nur verstanden haben, worum es eigentlich geht.
  • Darum wollen wir uns hier mal bemühen.

Eigentlich die natürlichste Sache von der Welt

  • Was versteht man eigentlich unter der Analyse bzw. Interpretation von Gedichten?
  • Was viele Schüler erschreckt, ist eigentlich etwas ganz Natürliches
  • Analysieren = zerlegen: Wenn man zum Beispiel ein neues Gerät gekauft hat, dann packt man alles aus und versucht, die Bedeutung der Teile und ihr Zusammenspiel zu verstehen; einziger Unterschied zu einer Gedichtinterpretation: Man kann im Handbuch nachschauen – meistens versucht man es aber zumindest teilweise selbst.
    • Ein noch besseres Beispiel: Eine Fußballmannschaft bereitet sich auf ein besonders wichtiges Spiel vor – zum Beispiel gegen eine Mannschaft, die viel höher in der Tabelle stehte.
  • Dann schaut man sich alles Aspekte an, die für das Gewinnen eine Rolle spielen und und überlegt dann, wie man seine Siegchancen verbessert.

Die Interpretation – sie führt dann schon über die reine Analyse hinaus

Diese zweite Aktion hat dann schon etwas mit Interpretation zu tun, die unterscheidet sich von der Analyse dadurch, dass man schon Beziehungen zwischen dem untersuchten Objekt (jeder Mannschaft des Gegners) und anderen Dingen (hier die eigenen Möglichkeiten) entwickelt.

Was zur Analyse eines Gedichtes gehört

Wie bei jedem anderen Objekt schaut man sich auch bei einem Gedicht alles an, was an Teilen und Aspekten von Bedeutung ist

Das Äußere des Gedichtes – gewissermaßen der Rahmen

  • Wer hat es wann geschrieben?
  • In welche Zeit gehört es also?
  • Wie ist es aufgebaut? Konkret: wie viele Strophen aus wie vielen Versen hat es? Hat es einen Reim? Ist ein einheitliches Versmaß bzw. ein Rhythmus erkennbar?

Das Innere des Gedichtes – was das lyrische Ich „so von sich gibt“

  • Anschließend schaut man sich genauer an, was in den einzelnen Versen und Strophen geschieht.
  • Am besten prüft man, was das sogenannte lyrische Ich (das ist die Figur, die der Autor im Gedicht sprechen lässt) an Gedanken, Gefühlen, Beschreibungen, Eindrücken präsentiert.

Die „Stoßrichtung“ des Gedichtes – die Intentionalität

  • Dann kommt die Prüfung, in welche Richtung die verschiedenen Signale des Gedichtes zeigen:
    • Ist es eher die Beschreibung eines schönen Frühlingstages?
    • Oder denkt da jemand über sein Leben nach?
    • Vielleicht ist es auch vor allem der Versuch die Freuden oder auch die Leiden der Liebe zu bewältigen.
  • Man nennt diesen Versuch einer Bündelung aller Textsignale Intentionalität, das Ziel (können auch mehrere sein), auf das das Gedicht hinsteuert.
  • Natürlich kann das und wird das häufig identisch sein mit dem, was der Autor auch gerne ausdrücken wollte, das muss aber nicht so sein. Jemand kann sich ja gerade in einem literarischen Text einfach mal in eine andere Person versetzen und aus deren Sicht etwas darstellen.

Die „künstlerischen Mittel“

  • Wenn man die Richtung, das Ziel des Gedichtes begriffen hat, geht es darum, welche Mittel dieses Ziel unterstützen.
  • So gibt es zum Beispiel ein Gedicht von Conrad Ferdinand Meyer, in dem die Liebe zwischen zwei Menschen mit zwei Segeln verglichen wird.
  • Sehr schön vergleichen kann man es mit einem Gedicht von Bertolt Brecht, das den gemeinsamen Flug zweier Kraniche beschreibt und das schon im Titel klarmacht, was damit gemeint ist: „Die Liebenden“.

Die Analyse über den Text hinaus

  • An dieser Stelle ist man eigentlich mit der Analyse fertig, man hat das Gedicht zerlegt und dabei besser verstanden.
  • Jetzt bleiben noch zwei weitere Schritte, die aber – auf unterschiedliche Art und Weise – über das Gedicht selbst hinausführen.
    • Neben der Analyse, die sich nur auf das Gedicht selbst bezieht (wir nennen sie deshalb die textinterne Analyse),
    • gibt es auch eine, die es in einen Kontext stellt, also in Zusammenhänge wie das Leben und Werk des Autors, andere Gedichte der gleichen Zeit oder der gleichen Art. Das wäre dann die „textexterne“ Analyse.

Die Interpretation im engeren Sinne – das Sinn- und Bedeutungspotenzial

  • Endgültig wird der Bereich der Analyse verlassen, wenn man sich fragt, was man denn mit diesem Text anfangen kann, worauf er sich beziehen lässt:
  • Zum Beispiel könnte in dem Gedicht ein bestimmtes Liebesverständnis entwickelt werden, mit dem man gar nichts anfangen kann oder gegen das man sich sogar wehrt. Das kann man dann kritisch anmerken oder eine Gegenposition entwickeln. Das wäre dann „Interpretation“ im engeren Sinne: Man fragt nach dem „Sinnpotenzial“ des Textes – und das bedeutet immer, die Prüfung seiner Bedeutung.
  • Am besten fragt man sich, warum ein Gedicht zum Beispiel im Lesebuch steht – es kann sein, dass dessen Verfasser nur ein berühmtes Beispiel für einen Autor oder eine Epoche geben wollen – aber wenn diese Berühmtheit heute noch andauert, muss der Text auch uns noch etwas zu sagen haben.
  • Häufiger wird es aber so sein, dass das Gedicht ein Thema hat, das uns auch heute noch interessiert, und eine Position, die uns vielleicht besonders herausfordert oder auch nur zustimmend zum Nachdenken bringt oder einfach erfreut.

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