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Schritt 1: Ein guter Anfang – aber nicht für alle
Wenn man vor 200 oder 300 Jahren als Adliger auf die Welt kam – dann hatte man meistens viel Glück gehabt.
Aber man konnte auch richtig Pech hatte.
Und in der Ballade „Der kalte Michel“ von Christian Friedrich Daniel Schubart bekommt ein Adliger zu seinem Pech noch eine tüchtige Portion Spott mit dazu.
Die Geschichte spielt in der Zeit um 1800 – und stellt so eine Art Zwei-Mann-Revolution dar. Denn das Wort heißt ja: Umkehrung der bisherigen Verhältnisse – und genau das ist in dieser Ballade passiert.
Diese wunderbare Geschichte wird leider in der Schule kaum behandelt.
Darum erzählen wir sie hier:
Da gibt es einen Junker – das heißt soviel wie „junger Herr“ und der lebt auch ganz herrlich in Paris. Dort macht er sich mit dem Geld seiner Eltern ein schönes Leben. Er weiß ja, es gibt zu Hause Leute, die für seine Familie schuften müssen.
Schritt 2: Dann ergibt sich ein Problem
Wie es Leben so gehen kann: Eines Tages stellt der junge Adlige fest, dass kein Geld mehr kommt von zu Hause.
Was macht er? Er schreibt einen freundlichen Brief nach Hause – nach einiger Zeit noch einen zweiten – und so weiter – nichts kommt zurück.
Der Junker merkt: Er hat ein Problem – vor allem, weil er mit den anderen reichen Leuten in Paris nicht mehr mithalten kann. Jeden Tag wird es peinlicher.
Schritt 3: Dann die scheinbare Rettung
Eines Morgens schaut er der junge Adlige zufällig aus dem Fenster und und sieht einen Knecht kommen, der bei seinen Eltern auf der Burg beschäftigt ist.
Gleich reißt er das Fenster auf und schreit: „Guter Michel, komm schnell hoch“. Fast hätte er ihn umarmt, vor Freude – aber das hätte nicht zu seiner adligen Stellung gepasst. Also schaut er ihn nur erwartungsvoll an.
Der Knecht aber sich ziemlich clever, wie wir gleich noch sehen werden. Also jammert er herum, er sei lange unterwegs gewesen und hätte unheimlichen Hunger und natürlich auh Durst.
Der junge Herr in Erwartung des großen Geldes stellt ihm das Beste auf den Tisch, was noch im Haus ist.
Schritt 4: Dann der vorsichtige Einstieg in eine traurige Wahrheit
Endlich ist der Knecht satt und wieder guter Dinge.
Der Junker will nicht gleich nach Geld fragen, also erst mal allgemein: wie geht es denn zu Hause?
Dann hört er zu seinem Erstaunen erst mal, dass sein zahmer Lieblingsrabe „verreckt“ sei. So nannte man das damals, wenn ein Tier an einer Krankheit zum Beispiel zugrunde gegangen war.
Der Junger ist erstaunt und fragt: Was ist denn passiert?
Der Knecht: „Tja, er hat von dem Fleisch der toten Pferde gefressen.“
Der Junker weiß nicht, ob er ärgerlich werden soll oder sich Sorgen machen muss. Er fragt dann ganz sachlich: „Wieso sind die Pferde auch umgekommen?“
Der Knecht meint vorsichtig: „Nun ja, sie mussten stundenlang Wasser schleppen.“
Jetzt wird es dem jungen Adligen zu bunt: „Mensch Michel, lass dir nicht alles aus der Nase ziehen.“
Dann der Hammer: „Nun ja, das Schloss ist abgebrannt.“ Jetzt muss der Junker erst mal Luft holen.
Man ahnt schon, wie das weitergeht.
Schritt 5: Scheibchenweise die ganze Katastrophe
Wir fassen das jetzt einfach mal zusammen
Also: Das Schloss ist abgebrannt.
Die Mutter des Junkers ist dabei umgekommen.
Von dem Raben und den Pferden war schon die Rede.
Aber es kommt noch schlimmer: Ein paar Tage später hat sich der Vater bei einem schnellen Ritt auch noch das Genick gebrochen.
Schritt 6: Zwischen Zusammenbruch und Aufbruch
Bei jeder weiteren Schreckensnachricht ist der Junker immer mehr in sich zusammengesacktt.
Schließlich schlägt er sich die Fäuste vor die Stirn und schreit: „Es reicht, hör auf, ich will nichts mehr hören.“
Schritt 7: Ein Schluss, den man sich gut weiter ausmalen kann
Eigentlich erwartet man, dass der Knecht jetzt vorsichtig Richtung Tür geht.
Denn er hat ja gut gegessen und getrunken. Und zurückbleiben würde ein völlig vernichteter Junker
Aber der Dichter hat sich noch etwas Raffinierteres einfallen lassen.
Der Knecht sagt doch wirklich zu seinem ehemaligen jungen Herrn: Ach, ist doch halb so schlimm. Wir – und er sagt tatsächlich wir – gehen nach Amerika.
Mit ein bisschen Fantasie kann man sich ausmalen, wie es den beiden dort ergeht.
Der Knecht ist harte Arbeit gewöhnt und kommt sicherlich gut klar. Damals hieß es ja in Amerika: „Vom Tellerwäscher zum Millionär.“ Und den fleißigen und vor allem trickreichen Leuten gelang das in vielen Fällen auch wirklich.
Nur: Dieser Junker hatt in seinem ganzen Leben noch kaum etwas Vernünftiges getan – nur das Geld der Eltern ausgegeben – und das hatten die armen Leute in ihren Diensten verdient.
Vielleicht wollte dieser Knecht sich auch nur an seinem ehemaligen Herrn ein bisschen rächen, weil er von ihm früher schlecht behandelt worden ist.
Vielleicht wollte er auch nur ein bisschen ausgleichende Gerechtigkeit erreichen und hat gedacht:
Tja, Amerika ist das Land der Freiheit und Gleichheit, da gibt es keine Adligen. Sondern nur das Geld zählt. Und das bekommt man durch harte Arbeit und kluges Ausnutzen aller Chancen – und ich habe ja gerade bewiesen, dass ich das kann: Erst gut essen und trinken – und dann die schlechte Nachricht.
Oder: Wenn der ehemalige Knecht sich mit diesem Herrn nicht lange rumärgern will. Dann sagt er nur: „Ich gehe nach Amerika.“ Dann nichts wie durch die Tür und ab
Schritt 8: Wenn euch die Geschichte gefallen hat:
Nähere Infos zu dieser Ballade finden sich hier:
https://textaussage.de/schubart-der-kalte-michel
ausführliche Vorstellung der Strophen.
Auf der Seite:
textaussage.de/itexte
gibt es noch weitere „interessante Texte“ – die wir für euch spannend erzählen. Dort gibt es auch genauere Hinweise, wo man den Originaltext finden kann.
Weitere Infos, Tipps und Materialien
- Balladen – allgemeine Themenseite: Infos, Tipps und Materialien
https://textaussage.de/balladen-infos-tipps-materialien
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