Wir stellen hier drei Beispiele für die Dichtung der Epoche des Sturm und Drang vor.
Daraus kann man jeweils ein Zitat wählen und zum Beispiel auf einem Plakat unterbringen.
Zunächst der Schluss eines berühmten Gedichtes
Goethes Gedicht Prometheus (entstanden zwischen 1772 und 1774) ist eine rebellische Anklage gegen die Götter, insbesondere gegen Zeus. Der Titan Prometheus tritt als selbstbewusster Schöpfer und Herr seiner eigenen Welt auf. Er lehnt sich gegen die Götterherrschaft auf, da er sie als ungerecht und machtlos ansieht. Statt auf göttlichen Beistand zu hoffen, vertraut er auf seine eigene Kraft und Schaffensmacht. Das Gedicht ist eine Feier des schöpferischen Menschen, der sich von überlieferten Autoritäten befreit.
Strophe:
„Hier sitz’ ich, forme Menschen
Nach meinem Bilde,
Ein Geschlecht, das mir gleich sei,
Zu leiden, zu weinen,
Zu genießen und zu freuen sich,
Und dein nicht zu achten,
Wie ich!“
Typische Merkmale des Sturm und Drang:
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Geniegedanke und Selbstermächtigung
Prometheus sieht sich selbst als Schöpfer von Menschen – ähnlich wie ein gottgleiches Genie. Der Gedanke, dass ein Mensch schöpferische Kraft besitzt und unabhängig von Tradition und Autorität handeln kann, ist zentral für den Sturm und Drang.
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Gefühlsbetont und leidenschaftlich
Die Emotionen in der Strophe sind intensiv: Leiden, Weinen, Genießen, Freuen. Der Sturm und Drang betont die Gefühlswelt und die Individualität des Menschen.
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Rebellion gegen Autoritäten
Prometheus verachtet die Götter („Und dein nicht zu achten, wie ich!“). Diese Auflehnung gegen eine höhere Ordnung – ob göttlich oder gesellschaftlich – ist typisch für die Epoche.
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Sprachliche Kraft und Dynamik
Der Satzbau ist kraftvoll und drängend. Kurze, prägnante Aussagen verstärken das rebellische Pathos. Goethe nutzt eine direkte, fast provozierende Sprache.
Das Gedicht insgesamt steht exemplarisch für die Sturm-und-Drang-Epoche, da es das Ideal eines starken, schöpferischen Individuums feiert, das sich über jede äußere Autorität hinwegsetzt.
In Friedrich Schillers Drama Kabale und Liebe (1784) geht es um die tragische Liebesgeschichte zwischen Ferdinand von Walter, dem Sohn eines adeligen Präsidenten, und Luise Miller, der Tochter eines bürgerlichen Musikers. Ihre Liebe scheitert an gesellschaftlichen Zwängen und Intrigen („Kabale“). Ferdinand will sich gegen die standesbedingten Erwartungen seines Vaters auflehnen, während Luise von einer politischen Intrige gezwungen wird, ihre Liebe zu verleugnen. Letztlich führt das Missverständnis, das aus diesen Intrigen entsteht, zum tragischen Tod beider.
Passage:
FERDINAND. Ich fürchte nichts – nichts – als die Grenzen deiner Liebe. Laß auch Hindernisse wie Gebürge zwischen uns treten, ich will sie für Treppen nehmen und drüber hin in Luisens Arme fliegen. Die Stürme des widrigen Schicksals sollen meine Empfindung emporblasen, Gefahren werden meine Luise nur reizender machen. – Also nichts mehr von Furcht, meine Liebe. Ich selbst – ich will über dir wachen wie der Zauberdrach über unterirdischem Golde – Mir vertraue dich. Du brauchst keinen Engel mehr – Ich will mich zwischen dich und das Schicksal werfen – empfangen für dich jede Wunde – auffassen für dich jeden Tropfen aus dem Becher der Freude – dir ihn bringen in der Schale der Liebe. Sie zärtlich umfassend. An diesem Arm soll meine Luise durchs Leben hüpfen, schöner als er dich von sich ließ, soll der Himmel dich wieder haben und mit Verwunderung eingestehn, daß nur die Liebe die letzte Hand an die Seelen legte –“
Typische Merkmale des Sturm und Drang:
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Leidenschaft und Gefühlsbetonung
Ferdinand spricht mit voller Hingabe. Die Wiederholung von „nichts – nichts“ zeigt seine innere Dringlichkeit. Gefühle sind im Sturm und Drang nicht rational kontrolliert, sondern überwältigend und existenziell.
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Individuelle Freiheit gegen gesellschaftliche Zwänge
Ferdinand kämpft gegen eine Welt, die seine Liebe zu Luise nicht akzeptiert. Diese Auflehnung gegen gesellschaftliche Normen ist ein typisches Motiv der Epoche.
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Pathos und idealistische Liebe
Liebe wird nicht nur als romantische Zuneigung, sondern als etwas Seelisches, Übergeordnetes gesehen („die letzte Hand an die Seelen legte“). Sie ist für Ferdinand die höchste Instanz – wichtiger als gesellschaftliche Konventionen.
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Sprachliche Dynamik
Die kurzen, drängenden Sätze und der leidenschaftliche Ton spiegeln das rebellische Naturell des Sturm und Drang wider. Es geht nicht um nüchterne Argumente, sondern um den emotionalen Ausdruck.
Diese Szene zeigt also deutlich die zentrale Idee der Epoche: ein junger Held, der mit voller Hingabe für seine Liebe kämpft, dabei aber an den starren Regeln der Gesellschaft zerbricht.
Und nun noch ein Auszug aus Goethes Briefroman „Die Leides des jungen Werther“
Goethes Die Leiden des jungen Werther (1774) ist der bekannteste Briefroman der Sturm-und-Drang-Epoche. Er schildert die tief empfundene Liebe und das scheiternde Leben des empfindsamen Werther, der sich in Lotte verliebt, aber an den gesellschaftlichen Konventionen zerbricht. Der Roman ist aus Werthers Perspektive geschrieben und lässt den Leser hautnah an seinen Gedanken, Gefühlen und Naturbetrachtungen teilhaben.
In der gewählten Passage beschreibt Werther seine überwältigende Naturerfahrung. Er ist allein in der Landschaft, fühlt sich vollkommen eins mit der Natur und von einer tiefen Glückseligkeit durchdrungen. Doch diese Gefühle sind so intensiv, dass sie ihn fast erdrücken – ein zentrales Merkmal des Sturm und Drang.
Typische Merkmale des Sturm und Drang:
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Subjektives Erleben und Gefühlsüberschwang
Werthers Freude ist nicht einfach eine nüchterne Feststellung – er versinkt völlig in seinen Emotionen („Ich bin so glücklich, mein Bester, so ganz in dem Gefühle von ruhigem Dasein versunken“). Die Betonung auf das individuelle Empfinden ist ein Kernmerkmal der Epoche.
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Natur als Spiegel der Seele
Die Natur wird nicht objektiv beschrieben, sondern steht im Einklang mit Werthers Innerem. Das „liebe Tal“, die „unzähligen, unergründlichen Gestalten der Würmchen“, das „Wehen des Alliebenden“ – all das symbolisiert seine innere Welt.
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Pantheismus und göttliche Inspiration
Werther fühlt die „Gegenwart des Allmächtigen“ und sieht sich als Teil eines größeren Ganzen. Diese pantheistische Sichtweise – also das Aufgehen in einer göttlich durchwirkten Natur – ist typisch für den Sturm und Drang und findet sich auch in Goethes Prometheus.
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Künstlergenie und Schaffenskrise
Obwohl Werther sich als „größter Maler“ fühlt, kann er nicht zeichnen. Die Kunst ist ihm nicht rational zugänglich, sondern Ausdruck spontaner Eingebung. Das idealisierte Genie als schöpferischer Mensch ist ein zentraler Gedanke der Epoche.
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Sprachliche Dynamik und Rausch der Empfindungen
Die langen, rhythmischen Sätze, das Aufeinanderstapeln von Eindrücken („wenn ich das Wimmeln der kleinen Welt zwischen Halmen, die unzähligen, unergründlichen Gestalten der Würmchen, der Mückchen näher an meinem Herzen fühle“) zeigen Werthers ekstatische Wahrnehmung. Seine Sprache wird immer intensiver, bis er sich fast in seinem Empfinden auflöst („Aber ich gehe darüber zugrunde“).
Diese Passage ist ein Paradebeispiel für die epische Variante des Sturm und Drang: Während Prometheus gegen die Götter aufbegehrt und Ferdinand für seine Liebe kämpft, versinkt Werther in einem Strudel aus intensiven Gefühlen, Naturverklärung und künstlerischer Sehnsucht – bis hin zur Selbstzerstörung.
Wie könnte man das auf ein Plakat bringen?
Hier ist eine Möglichkeit, wie man die drei Zitate mit passenden Stichwörtern für ein Sturm und Drang-Plakat gestalten kann:
1. Rebellion und Selbstbestimmung
- „Und dein nicht zu achten, wie ich!“ (Goethe, Prometheus)
- Auflehnung gegen Autoritäten
- Geniegedanke
- Individuelle Freiheit
2. Leidenschaft und Gefühl
- „Ich fürchte nichts – nichts – als die Grenzen deiner Liebe.“ (Schiller, Kabale und Liebe)
- Starke Emotionen
- Kampf gegen gesellschaftliche Zwänge
- Liebe als höchste Instanz
3. Naturverbundenheit und Empfindsamkeit
- „Ich bin so glücklich, mein Bester, so ganz in dem Gefühle von ruhigem Dasein versunken.“ (Goethe, Werther)
- Natur als Spiegel der Seele
- Pantheismus
- Rauschhafte Empfindungen