Eine Ballade, die zeigt: Nur wer alles wagt, kann alles gewinnen.

  1. Wenn man heute auf einem Plakat sieht, dass ein Sänger Balladen vortragen will. Dann sind damit meistens langsame und sehr gefühlvolle Musikstücke gemeint, in denen auch eine Geschichte erzählt wird. Ein berühmtes Beispiel ist My Heart Will Go On von Celine Dion.
  2. Aber es kann auch sein, dass ein eine Ballade ein ganz normales Gedicht ist, also mit Strophen, Reim und Rhythmus. Dazu kommen aber zwei zusätzliche Kennzeichen:  Es wird in dieser Form ausnahmsweise eine Geschichte erzählt, die häufig sehr dramatisch ist.
  3. Ein berühmtes Beispiel ist die Ballade Nis Randers von Otto Ludwig. Wir zeigen mal an den Strophen, wie dramatisch es in der Geschichte in Strophenform abgeht.
  4. Ein berühmtes Beispiel ist die Ballade Nice Randers von Otto Ernst (1862-1926). Wir zeigen mal an den Strophen, wie dramatisch es in der Geschichte in Strophenform abgeht.
  5. Strophe 1:
    Krachen und Heulen und berstende Nacht,
    Dunkel und Flammen in rasender Jagd –
    Ein Schrei durch die Brandung!

    Es geht schon gut los. Denn beschrieben wird eine Sturmnacht auf See, in der ein Schrei zu hören ist.
    Alles deutet darauf hin, dass hier ein Mensch in Lebensgefahr ist.
    Diese Ballade stammt aus dem Jahre 1901. Da kann es sich durchaus noch um ein Segelschiff gehandelt haben.
    Auf jeden Fall waren die Möglichkeiten einer Rettung nicht so groß wie heute. Man musste mit Ruderbooten raus und das war natürlich sehr gefährlich.
  6. Strophe 2
    Und brennt der Himmel, so sieht mans gut.
    Ein Wrack auf der Sandbank! Noch wiegt es die Flut;
    Gleich holt sichs der Abgrund.

    Anscheinend gibt es auch noch in dem Unwetter Gewitterblitze. Die zeigen, dass da ein Schiff auf einer Sandbank gestrandet ist.
    Damit ist es schutzlos den Wellen ausgesetzt
    Das heißt: Bald wird es untergehen mit den Menschen, die noch an Bord sind.
  7. Strophe 3:
    Nis Randers lugt – und ohne Hast
    Spricht er: „Da hängt noch ein Mann im Mast;
    Wir müssen ihn holen.“

    Damit kommt endlich der Held dieser Balladengeschichte ins Spiel.
    Man merkt, er ist ein erfahrener Mann, denn er bleibt ganz ruhig
    Für ihn steht fest, dass man diesen Mann, der sich an den Mast des gestrandeten Schiffes klammert, retten muss.
  8. Strophe 4
    Da fasst ihn die Mutter: „Du steigst mir nicht ein:
    Dich will ich behalten, du bliebst mir allein,
    Ich wills, deine Mutter!

    Jetzt kommt eine neue Dramatik ins Spiel.
    Die Mutter denkt vor allem an ihren Sohn, der da in Gefahr kommt.
    Sie macht auch deutlich, dass er der einzige ist, der ihr geblieben ist. Das heißt man kann davon ausgehen, dass der Vater wohl auch auf See umgekommen ist.
    Am Ende macht die Mutter deutlich, dass sie hier mit Nachdruck etwas verlangt. Und in der damaligen Zeit war das noch so, dass das Wort der Mutter ein großes Gewicht hatte.
  9. Strophe 5:
    Dein Vater ging unter und Momme, mein Sohn;
    Drei Jahre verschollen ist Uwe schon,
    Mein Uwe, mein Uwe!“

    In dieser Strophe wird das dann genauer ausgeführt.
    Tatsächlich ist ihr Mann auf See umgekommen. Ebenso ein anderer Sohn namens Momme.
    Und ein weiterer namens Uwe ist verschollen, also von See nicht zurückgekehrt. Man weiß nichts über sein Schicksal.
  10. Strophe 6:
    Nis tritt auf die Brücke. Die Mutter ihm nach!
    Er weist nach dem Wrack und spricht gemach:
    „Und seine Mutter?“

    Hier wird jetzt deutlich, dass die beiden Personen, der hilfsbereite Sohn und seine besorgte Mutter anscheinend im Hafen auf einem Schiff sind.
    Entscheidend ist, dass jetzt Nis in der ruhigen Art der Küstenbewohner nur einfach fragt: “Und seine Mutter?
    Damit hat er den Schlüssel zum Herzen seiner Mutter gefunden, der sie zum Umdenken bewegen könnte.
  11. Strophe 7:
    Nun springt er ins Boot und mit ihm noch sechs:
    Hohes, hartes Friesengewächs;
    Schon sausen die Ruder.

    Das scheint auch geschehen zu sein. Denn der Sohn macht sich anscheinend in einem Ruderboot mit sechs anderen mutigen Friesen auf dem Weg zum Frack.
  12. Strophe 8:
    Boot oben, Boot unten, ein Höllentanz!
    Nun muss es zerschmettern…! Nein, es blieb ganz…!
    Wie lange? Wie lange?

    Nun bekommt man mit, was die ängstliche Mutter sieht. Im Geo der Wellen ist das Boot mal zu sehen, dann verschwindet es wieder.
    Sie hat Angst, dass es dabei untergeht.
    Und fragt sich ängstlich, nur noch, wie lange das jetzt wohl noch dauert.
  13. Strophe 9:
    Mit feurigen Geißeln peitscht das Meer
    Die menschenfressenden Rosse daher;
    Sie schnauben und schäumen.

    Hier hat der Dichter eine Strophe eingeschoben, die in wilden Bildern das Toben der Wellen deutlich macht.
    Ein bisschen kann diese Strophe auch die Funktion haben, dass auch der Leser sich fragt:
    Wie lange noch, bis ich weiß, wie die Sache ausgegangen ist.
  14. Strophe 10:
    Wie hechelnde Hast sie zusammenzwingt!
    Eins auf den Nacken des andern springt
    Mit stampfenden Hufen!

    Wenn man das begriffen hat, warum hier das Ende verzögert wird,
    wundert man sich nicht, dass noch eine weitere Strophe sich mit den wilden Wogen beschäftigt.
  15. Strophe 11:
    Drei Wetter zusammen! Nun brennt die Welt!
    Was da? – Ein Boot, das landwärts hält –
    Sie sind es! Sie kommen! – –

    Anscheinend gibt es noch einmal ein paar heftige Donnerschläge
    Dann folgt die erlösende Nachricht:
    Das Ruderboot hält auf die Küste zu,
    die tapferen Friesen kommen zurück.
  16. Und Auge und Ohr ins Dunkel gespannt…
    Still – ruft da nicht einer? – Er schreits durch die Hand:
    „Sagt Mutter, ’s ist Uwe!“.

    Und dann die Überraschung am Ende.

    Es kehren nicht nur die tapferen Ruder zurück
    Und auch nicht einfach nur mit einem geretteten Mann,
    sondern der tapfere Einsatz hat die Mutter keinen weiteren Sohn gekostet,
    sondern er hat ihr den verschollenen Sohn zurückgebracht.
    Sie wird also reich belohnt für Ihr Einverständnis mit der Rettungstat von Nies.
  17. Wenn man sich fragt, was diese Ballade mit uns heute zu tun hat.
    Dann zeigt sie auf jeden Fall den Mut der Leute,
    die zum Beispiel bei der Feuerwehr in brennende Häuser hineingehen,
    um dort eingeschlossene Personen zu retten.
    Immer wieder passiert ist, dass einer der Retter dabei selbst umkommt.
    Und selbst, wenn es gut ausgeht, wird es wohl nur selten eine solch außergewöhnliche Belohnung geben – dass man gleichzeitig jemanden aus der eigenen Familie oder einen lieben Freund rettet.
    Man kann nur hoffen, dass diese Feuerwehrleute und die Besatzungen von Rettungswagen und die Notärzte zumindest die Anerkennung bekommen, die sie verdienen.
    Und diese Anerkennung sollte mehr enthalten, als nur ein Schulterklopfen der Auftraggeber.