Lars Krüsand, Zur Bedeutung des Rhythmus aus der Sicht eines Schreibpraktikers (Mat7974)

Hier zunächst eine Kurzfassung des Textes für alle, die wenig Zeit haben 😉

Hier sind die zentralen Aussagen des Textes systematisch zusammengefasst:

  1. Rhythmus in der Literatur ist bedeutend, wird jedoch von Deutschlehrern oft anders verstanden als von praktizierenden Schriftstellern.
  2. Wichtiger als formale Regeln ist die „Musik des Textes“, also die Harmonie zwischen Inhalt und Klang.
  3. Rhythmus und sprachliche Mittel wie Reim sollten die Aussage eines Textes unterstützen und ihre Wirkung verstärken.
  4. Die Analyse von Form und Rhythmus macht erst Sinn, wenn die Intention und Aussage des Textes verstanden wurden.
  5. Unterschiedliche Versmaße wie Jambus, Trochäus, Daktylus und Anapäst haben spezifische Wirkungen, die können aber zumindest bei den beiden unterschiedlichen Gruppen im Verlauf des Textes an Bedeutung verlieren. Wirklich wichtig werden erst gezielt eingesetzte Rhythmus-Störungen.
  6. In der Praxis entsteht der Rhythmus oft intuitiv und ergibt sich aus dem Schreibprozess, während Deutschlehrer und Schüler mehr Wert auf formale Analyse legen.
  7. Moderne Schriftsteller beachten Rhythmus oft nicht bewusst und priorisieren den Inhalt über die Form.
  8. Strenge formale Vorgaben wie im Barock sind heute nicht mehr relevant; der Fokus im Unterricht sollte flexibler gestaltet werden.
  9. Der Reim wird in der heutigen ernsthaften Literatur oft als hinderlich empfunden und spielt eine geringere Rolle als früher.
  10. Eine offene Diskussion über die Bedeutung und Relevanz von Rhythmus und Reim im Deutschunterricht wäre wünschenswert.

Lars Krüsand,

Zur Bedeutung des Rhythmus aus der Sicht eines Schreibpraktikers

  1. Rhythmus in der Literatur ist wichtig, aber nicht so, wie die Deutschlehrer sich das aufgrund ihres Studiums vorstellen.
  2. Wer auch nur ein bisschen Erfahrung hat mit dem Schreiben von literarischen Texten, der weiß, dass das Entscheidende etwas ist, was man „Musik des Textes“ nennen könnte.
  3. Damit ist gemeint, dass jedes Wort inhaltlich an der richtigen Stelle steht oder man könnte auch anders sagen:
    dass das richtige Wort an der richtigen Stelle steht.
  4. Und dass es insgesamt auch gut klingt. Das merkt man spätestens wenn man selbst als Schriftsteller einen Text von sich liest.
  5. Das sind Erfahrungen, die Lehrkräfte des Faches Deutsch normalerweise nicht machen.
  6. Von daher halten sie sich an das, was in den Lehrbüchern steht und im Studium gelehrt wird.
  7. Interessant ist, dass in der Praxis des Deutschunterrichts die Form eines Gedichtes analysiert werden muss und zwar gleich am Anfang.
  8. Dabei macht das erst Sinn, wenn man die Intention, die Zielspannung, die Aussagen eines Textes erfasst hat.
  9. Denn erst dann kann man sowohl die Strophenform als auch die Fragen von Reim und Rhythmus eigentlich erst beurteien.
  10. Denn sprachliche Mittel – und dazu gehören auch Reim und Rhythmus – sind doch nur wichtig in ihrer unterstützenden oder korrespondierend-begleitenden Funktion für die Aussagen des Textes.
  11. Es geht darum, ob Absicht und verwendete Mittel übereinstimmen beziehungsweise sich verstärken.
  12. Natürlich gibt es einen grundsätzlichen Unterschied zwischen den beiden alternierenden Versmaßen Jambus und Trochäus einerseits und den Walzerrhythmen Daktylus und Anapäst mit ihren zwei aufeinanderfolgenden unbetonten Silben.
  13. Die ersten beiden Varianten betonen eher die Ordnung, die andern beiden eher die spielerische Bewegung.
  14. Natürlich gibt es auch noch einen Unterschied zwischen dem Jambus
    „Wohl auf, denn nun ihr braven Leute!“
  15. Und dem Tochäus:
    „Freude, schöner Götterfunken“.
  16. Im ersten Falle wird eher der Aufbruch deutlich, im zweiten Falle das Statische.
  17. Aber das Witzige ist: Im weiteren Verlauf gehen die Unterschiede häufig verloren und es bleibt nur der geregelte Wechsel und die Hoffnung von Lehrkräften und Schülern, dass man sich den formalen Unterschied und die entsprechenden Begriffe gemerkt hat.
  18. Langer Rede kurzer Sinn:
    • In der heutigen literarischen Praxis ergeben sich die verschiedenen Rhythmen eher aus der Praxis.
    • Häufig ist es bei einem Schriftsteller so, dass er einen ersten Satz im Kopf hat mit einem entsprechenden Rhythmus und der Rest ergibt sich rhythmisch von selbst.
    • Viel wichtiger ist dann die Gestaltung des Inhalts.
    • Wenn man Schriftsteller fragt, könnte man vielleicht sogar die ehrliche Antwort bekommen, dass sie beim Schreiben des Gedichtes überhaupt nicht an den Rhythmus gedacht haben. Das überlassen Sie den Deutschlehrern – und den armen Schülern.
    • Dass all das früher anders war, man denke, etwa an die strenge Form des barocken Sonetts, hängt mit der damaligen Kultur zusammen. Aber diese Vorgaben sind genauso verschwunden wie die höfische Kultur.
    • Von daher wäre es schön, wenn man sich im Deutschunterricht offener über die Bedeutung oder auch die Nicht-Bedeutung der einzelnen Versmaße und auch der Verschlüsse unterhalten würde.
    • Die sind bei vorhandenem Reim sowieso an diesen gekoppelt und haben darüber hinaus in der Regel überhaupt keine Bedeutung.
    • Über den Reim reden wir an dieser Stelle gar nicht, denn der ist möglicherweise eher etwas für den Karneval und die dort vorhandenen Büttenreden, während in der ernstgemeinten Literatur der Reimzwang eher die Schriftsteller davon abhält, die optimale Formulierung zu verwenden.
    • Über dieses Problem denkt in der Praxis kaum jemand nach, aber wir fangen hier ja damit an.

Kritische Anmerkungen zu diesem Statement

Wir haben ChatGPT den Text mal prüfen lassen – und Lars Krüsand hatte nichts dagegen, dass wir das Ergebnis hier auch noch zur Diskussion stellen – in kursiver Schrift, um die andere Perspektive im Blick zu behalten.

Hier ist eine kritische Auseinandersetzung mit den Thesen des Textes:

Überzeugende Thesen:
  • Die „Musik des Textes“ als zentrale Dimension: Die Betonung der Harmonie von Inhalt und Klang ist plausibel und reflektiert eine praxisnahe Sicht auf literarisches Schreiben.
  • Rhythmus als unterstützendes Mittel: Die These, dass Rhythmus und Reim die Aussage eines Textes verstärken sollen, ist sinnvoll und unterstreicht die funktionale Rolle stilistischer Mittel.
  • Formanalyse nach Inhaltserfassung: Die Forderung, formale Aspekte erst nach der Erfassung der Intention zu analysieren, ist didaktisch wertvoll, da sie das Verständnis vertieft.
  • Die Relativierung der Relevanz von Reimen: Die Beobachtung, dass Reime heute eher hinderlich als hilfreich wirken, ist nachvollziehbar und reflektiert den Wandel literarischer Praxis.
Weniger überzeugende Thesen oder Aspekte:
  • Kritik an Lehrern: Die Behauptung, Deutschlehrer hätten keine Erfahrung mit dem Schreiben, ist pauschal und überspitzt formuliert. Manche Lehrer sind auch praktisch tätig oder haben ein tiefes Verständnis für literarisches Schaffen.
  • Intuitive Entstehung des Rhythmus: Die Annahme, dass Rhythmus im Schreibprozess rein intuitiv entsteht, unterschätzt, dass Autoren auch bewusste Entscheidungen treffen können, um rhythmische Effekte zu erzielen.
  • Reduktion auf Intention: Die These, dass sprachliche Mittel nur in Bezug auf die Intention des Textes relevant sind, ist einseitig. Manche Leser oder Autoren schätzen auch die Ästhetik der Form unabhängig vom Inhalt.
Zusätzliche Aspekte, die beachtet werden sollten:
  • Relevanz des historischen Kontextes: Während die Abkehr von barocken Formstrukturen plausibel erscheint, könnte der Text mehr auf heutige formale Traditionen und deren Bedeutung eingehen.
  • Leserperspektive: Die Wirkung von Rhythmus und Reim auf Leser wird wenig thematisiert. Diese Perspektive wäre hilfreich, um die Bedeutung der „Musik des Textes“ besser zu verstehen.
  • Interkulturelle Unterschiede: Literarische Traditionen und der Umgang mit Rhythmus und Reim variieren international stark. Diese Vielfalt könnte in der Argumentation berücksichtigt werden.
  • Praxis im Deutschunterricht: Vorschläge für eine konkrete Umsetzung der kritisierten Themen im Unterricht fehlen. Die Thesen könnten durch praktische Beispiele gestützt werden.

Insgesamt bietet der Text eine interessante Perspektive, vernachlässigt jedoch die differenzierte Betrachtung verschiedener Lesergruppen, Schreibpraktiken und Bildungsansätze.

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