Lessing, „Emilia Galotti“: systematische Charakteristik des Vaters – Odoardo (Mat6228)

Worum es hier geht:

Stellen wir uns vor, in einem Textkenntnistest wird verlangt, eine der Hauptfiguren des Dramas „Emilia Galotti“ von Lessings zu charakterisieren – nämlich den Vater: Odoardo Galotti

Dann geht es darum, grundsätzlich etwas zu sagen zur Eigenart und zur Rolle bzw. Funktion der entsprechenden Figur.

Im Folgenden wollen wir zeigen, wie man eine möglichst gute Lösung konstruieren kann.

So etwas hat den Vorteil, dass es auch eine gute Vorübung zum Beispiel für ein Statement in einer mündlichen Prüfung ist.

Wichtig ist dabei der richtige Mix aus Grundsätzlichem und Ablauforientiertem. Das Grundsätzliche wäre hier die auch religiös motivierte moralische Haltung, die durch die Anmache des Prinzen in Gefahr gerät.

Der Ablauf ergibt sich durch die Entwicklung des Konflikts.

Allgemeiner Einstieg: Von der Rolle zum dramatischen Konflikt
  1. Der Vater spielt am Anfang eine sehr dominierende Rolle.
  2. So hat er klare Vorstellungen, wie die Tochter vor möglichen Gefahren beschützt werden soll und findet es dementsprechend unmöglich, dass Emilia allein am Hochzeitstag in die Kirche geht.
  3. Da er sowieso seine Frau kritisch betrachtet, weil es ihr Wunsch war, Emilia in die möglicherweise gefährliche Nähe des Fürstenhofes zu bringen, wird ihm auch gar nichts von den Übergriffen des Prinzen erzählt.
  4. Damit ist Odoardo in gewisser Weise mitschuldig an der tragischen Entwicklung, obwohl er sie eigentlich vorausgesehen hatte und verhindern wollte.
  5. Ansonsten ist er ein Ausbund an bürgerlicher Tugend und wird vom Grafen Appiani regelrecht bewundert.
  6. Selbst der Prinz, von dem Odoardo sich gehasst glaubt, erkennt seine Charakterstärke
Charakterisierung der Figur im Verlauf der Handlung
  1. Umso tragischer ist es, dass der Vater sich in der entscheidenden Schlussphase des Dramas nach dem Überfall als recht schwach erweist, nicht nach möglichen Auswegen sucht, sogar die sehr kämpferisch gewordene Mutter nach Hause schickt und so im einsamen Duett mit seiner Tochter nur den Tod als Ausweg sieht.
  2. Immerhin ist er so mutig, schließlich seiner Tochter ihren Wunsch, vom Vater durch den Tod befreit zu werden, zu erfüllen.
  3. Seine direkte Schuld am Tod der Tochter und die indirekte an der unheilvollen Entwicklung ergibt sich auch daraus, dass er seine Tochter zu sehr auf einen einfachen Weg der Tugend geschickt hat. Letztlich hat er nicht fit gemacht, besser mit der höfischen Kultur umzugehen als nur mit Abscheu und Distanzierung.
  4. Überhaupt scheint das Stück gekennzeichnet zu sein durch eine zu große Gegensätzlichkeit zwischen den Welten. Kompromisslösungen waren wohl der Intention des „bürgerlichen Trauerspiels“ abträglich.

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