Storm, „Schimmelreiter“ Teil 3: Inhalt, wichtige Textstellen, Interpretation (Mat2114-teil3)

Worum es hier geht:

Theodor Storms Novelle „Der Schimmelreiter“ zeigt, wie ein Junge aus einfachen Verhältnissen sich bis zum Deichgrafen hocharbeitet. Allerdings gerät er mit einem großen Deichprojekt in Konflikt mit der Gesellschaft. Schließlich gibt er einmal zu oft nach – und es kommt zur Katastrophe. Nur in der sagenhaften Erzählung von einem gespenstischen Schimmelreiter bleibt er im Bewusstsein – und das durch seinen Deichbau gewonnene Land bleibt am Ende auf Dauer erhalten.

Hier geben wir eine Übersicht über den 3. Teil der Novelle:

  • Inhalt
  • dramatische Entwicklung
  • wichtige Textstellen
  • und Interpretationshinweise

Teil 3 Ab dem großen Plan

Hauke Haien hat einen großen Plan …

„Kaum daß er es selber wußte, befand er sich oben auf dem Haffdeich, schon eine weite Strecke südwärts nach der Stadt zu; das Dorf, das nach dieser Seite hinauslag, war ihm zur Linken längst verschwunden; noch immer schritt er weiter, seine Augen unablässig nach der Seeseite auf das breite Vorland gerichtet; wäre jemand neben ihm gegangen, er hätte es sehen müssen, welche eindringliche Geistesarbeit hinter diesen Augen vorging. Endlich blieb er stehen: das Vorland schwand hier zu einem schmalen Streifen an dem Deich zusammen. ›Es muß gehen!‹ sprach er bei sich selbst. ›Sieben Jahr im Amt; sie sollen nicht mehr sagen, daß ich nur Deichgraf bin von meines Weibes wegen!‹

Noch immer stand er, und seine Blicke schweiften scharf und bedächtig nach allen Seiten über das grüne Vorland; dann ging er zurück, bis wo auch hier ein schmaler Streifen grünen Weidelands die vor ihm liegende breite Landfläche ablöste. Hart an dem Deiche aber schoß ein starker Meeresstrom durch diese, der fast das ganze Vorland von dem Festlande trennte und zu einer Hallig machte; eine rohe Holzbrücke führte nach dort hinüber, damit man mit Vieh und Heu- und Getreidewagen hinüber und wieder zurück gelangen könne. Jetzt war es Ebbzeit, und die goldene Septembersonne glitzerte auf dem etwa hundert Schritte breiten Schlickstreifen und auf dem tiefen Priel in seiner Mitte, durch den auch jetzt das Meer noch seine Wasser trieb. ›Das läßt sich dämmen!‹ sprach Hauke bei sich selber, nachdem er diesem Spiele eine Zeitlang zugesehen; dann blickte er auf, und von dem Deiche, auf dem er stand, über den Priel hinweg, zog er in Gedanken eine Linie längs dem Rande des abgetrennten Landes, nach Süden herum und ostwärts wiederum zurück über die dortige Fortsetzung des Prieles und an den Deich heran. Die Linie aber, welche er unsichtbar gezogen hatte, war ein neuer Deich, neu auch in der Konstruktion seines Profiles, welches bis jetzt nur noch in seinem Kopf vorhanden war.

›Das gäbe einen Koog von zirka tausend Demat‹, sprach er lächelnd zu sich selber; ›nicht groß just; aber…‹

Eine andere Kalkulation überkam ihn: das Vorland gehörte hier der Gemeinde, ihren einzelnen Mitgliedern eine Zahl von Anteilen, je nach der Größe ihres Besitzes im Gemeindebezirk oder nach sonst zu Recht bestehender Erwerbung; er begann zusammenzuzählen, wieviel Anteile er von seinem, wie viele er von Elkes Vater überkommen und was an solchen er während seiner Ehe schon selbst gekauft hatte, teils in dem dunklen Gefühle eines künftigen Vorteils, teils bei Vermehrung seiner Schafzucht. Es war schon eine ansehnliche Menge; denn auch von Ole Peters hatte er dessen sämtliche Teile angekauft, da es diesem zum Verdruß geschlagen war, als bei einer teilweisen Überströmung ihm sein bester Schafbock ertrunken war. Aber das war ein seltsamer Unfall gewesen, denn so weit Haukes Gedächtnis reichte, waren selbst bei hohen Fluten dort nur die Ränder überströmt worden. Welch treffliches Weide- und Kornland mußte es geben und von welchem Werte, wenn das alles von seinem neuen Deich umgeben war! Wie ein Rausch stieg es ihm ins Gehirn; aber er preßte die Nägel in seine Handflächen und zwang seine Augen, klar und nüchtern zu sehen, was dort vor ihm lag: eine große deichlose Fläche, wer wußt es, welchen Stürmen und Fluten schon in den nächsten Jahren preisgegeben, an deren äußerstem Rande jetzt ein Trupp von schmutzigen Schafen langsam grasend entlangwanderte; dazu für ihn ein Haufen Arbeit, Kampf und Ärger! Trotz alledem, als er vom Deich hinab- und den Fußsteig über die Fennen auf seine Werfte zuging, ihm war’s, als brächte er einen großen Schatz mit sich nach Hause.

71-91: Der Kampf um das Projekt eines neuen Deiches und die Entstehung einer Gespenstergeschichte

  • Als Hauke seiner Frau Elke von dem Projekt eines neuen Deiches erzählt, ist ihr sofort klar: „Das ist ein Werk auf Leben und Tod und fast alle werden dir entgegen sein“ (71).
  • Aber Elke weiß auch, was Hauke wirklich umtreibt:
  • Neben dem wirklich notwendigen Schutz vor einer erneuten Sturmflut sagt er seiner Frau ganz deutlich:
  • „Du sollst mich wenigstens nicht umsonst zum Deichgrafen gemacht haben, Elke; ich will Ihnen zeigen, dass ich einer bin.“ (72)
  • Tatsächlich gelingt es Hauke, alle Widerstände zu überwinden.
  • Allerdings geht der Schulmeister als Erzähler jetzt auch auf das „Geschwätz des ganzen Marschdorfes“ (75) ein.
  • Denn ein Schimmel, den Hauke von einem seltsamen Mann billig bekommt, wird mit einem gespenstischen Gerippe auf einer vorgelagerten Insel verbunden.
  • Seltsam ist auch hier wieder, dass der Schulmeister sogar weiß, dass Hauke selbst zu seiner Frau gesagt hat, dass der Verkäufer des Schimmels „wie ein Teufel hinter mir darein“ (84 gelacht hat.
  • Wie wir noch sehen werden, sind die Hauke und seine Frau am Ende der Geschichte tot und werden wohl kaum einem anderen etwas erzählt haben, was nur gegen sie verwendet werden kann.
  • Auf jeden Fall wird klar, dass dieses Pferd völlig „eins mit seinem Reiter“ (85) erscheint und Hauke Haien bis in den Tod begleiten wird.

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