Analyse der sogenannten „Argumentationsstruktur“ – einfach und mit Beispielen erklärt (Mat6201)

Worum es hier geht:

Wer das Folgende sich lieber auf die Ohren legen will, statt es zu lesen, findet hier die entsprechende Datei:
https://schnell-durchblicken.de/audio6201

Beim Umgang mit Sachtexten geht es häufig um die sogenannte „Argumentationsstruktur“. Wir wollen hier kurz erklären, was das ist und wie man ihr „auf die Schliche kommt“.

  • Hier sieht man deutlich, dass es dem Sprecher oder Schreiber links nur zum Teil um Wahrheit geht bei dem, was er sagt.
  • Häufig spielt eine viel größere Rolle, dass man siegen will – im Ansehen und im Bereich der Akzeptanz (die anderen stimmen ihm zu).
  • Beim Gegenüber sieht man einen natürlich Abwehrschild, der aber offen ist für die Tricks des „Überredens“.
Zunächst einmal: Wieso „Schliche“?

Gemeint ist damit, dass wir Menschen nicht immer klar sagen/schreiben wollen, was wir denken oder wirklich vorhaben.

  • Wenn immer man spricht, ist es ein großes Ziel, dabei „bella figura“ zu machen, also gut auszusehen, bei den Zuhörern anzukommen –
  • entweder so, dass sie zustimmend nicken
  • oder aber gewissermaßen kapitulieren angesichts dessen, was da gesagt worden ist.
  • Beispiele:
    • Man meldet sich in einer Diskussion und möchte,
      • dass das eigene Image bestätigt oder vergrößert wird
      • und dass man mit seiner Meinung ankommt, eine Rolle spielt.
    • Jede Beziehung hat in der Regel bei uns damit begonnen, dass man bei dem potenziellen Partner erst mal „ankam“
      • auch hier gibt es viele Wege – von einer besonders charmanten Bemerkung
      • bis hin zur Ausnutzung einer günstigen Situation.
    • Der Klassensprecher oder die Klassensprecherin möchte für die Klasse etwas erreichen, hat sich gut vorbereitet und nutzt eine der folgenden drei (sprachlichen) Möglichkeiten.
Die drei Ebenen des Erfolgs bei der „Argumentation“
  1. Man nutzt sprachliche Mittel, zum Beispiel Metaphern oder Vergleiche.
  2. Die können schon in den Bereich der Rhetorik übergehen, indem man bei der Anregung eines Klassenausflugs auf die Parallelklasse verweist, die in der eigenen Wartezeit schon zwei Ausflüge gemacht hat.
    Solange das der Wahrheit entspricht, verwenden wir gerne den Begriff der „Rhetorik im engeren Sinne“.
  3. Man darf aber nie vergessen, dass es neben dem „Überzeugen“ auch das „Überreden“ gibt.
    Deshalb gibt es gewissermaßen auch eine „Rhetorik im weiteren Sinne“, die nichts mehr mit einer auf Wahrheit beruhenden Rede zu tun hat, sondern alles nutzt, um das Ziel zu erreichen – auch das Verschweigen von Realität, ggf. Heruntermachen anderer Meinungen und ihrer Vertreter u.ä.
Da gibt es viele Tricks:
  1. Jemand, der ein Haus verkaufen will, wird nicht unbedingt von sich aus darauf hinweisen, dass die Lage am Fluss auch alle Jahre bedeutet, sich ins Obergeschoss retten zu müssen, weil unten alles überschwemmt ist.
  2. Oder: Bei vielen Verkaufsangeboten im Internet wird gerne darauf hingewiesen. Noch 3 Stück auf Lager, weitere Lieferung erwartet. Manchmal „vergisst“ der Anbieter vielleicht auch, die gefährlich kleine Zahl durch eine neue, zum Beispiel 150 – und das seit fast einem Jahr 😉 aus dem Netz zu nehmen. Er weiß genau, dass wir Menschen in bestimmten Situationen nicht gerne warten – und schon sind die letzten Kauf-Hemmungen weggefallen, denn wir wollen eins der drei Exemplare schnell haben 😉
  3. In einer Diskussion lässt man dann über einen, der eine andere Meinung hat so etwas fallen: „Ja, ja, Sie mit Ihren Beispielen. Sie haben wirklich für jede Situation eins, ganz gleich, wie groß seine Bedeutung ist. Außerdem gibt es zu jedem Beispiel ein Gegenbeispiel.
Fazit und Vorgehensweise: 
  1. Beim ersten Lesen schon mal schauen, ob eine Argumentation ausgewogen ist oder die Gegenseite möglichst nicht erwähnt oder gar runtergemacht wird. Wenn jemand nur an sich und seine Ziele denkt, hat er kaum gute Lösungen für alle im Auge.
    • Also möglichst schnell „Deutungshypothese“ entwickeln zur Frage: Worum geht es ihm? Was will der Sprecher/Schreiber erreichen?
    • Dabei schon mal achten auf Einseitigkeit, Ausgewogenheit, ggf. Mittel der RiwS (Rhetorik im weiteren Sinne).
  2. Dann das ganze Statement einteilen: Welche Unterthemen werden angesprochen. Dazu gehören auch „Exkurse“, die nur am Rand zum aktuellen Thema gehören, aber eben auch eine rhetorische Funktion haben – vielleicht der Ablenkung.
  3. Dann eine Detailanalyse des Argumentationsgangs machen:
    • Was ist der Argumentationsansatz?
      Wie steigt der Redner/Schreiber ins Thema ein?
      Zum Beispiel mit einem eigenen Erlebnis, dass das Problem deutlich macht.
    • Wie geht der Sprecher/Redner vor:
      • Begründet er seine Thesen, belegt er sie vielleicht sogar?
      • Oder reiht er nur eine These an die nächste und streut hin und wieder eine kleine „Beschimpfung“ mit ein – oder bringt er Beispiele, die man leicht widerlegen kann?
    • Welche sprachlichen Mittel benutzt er, etwa sprachliche Bilder (Metaphern) oder  Gegensätze. Auch hier ist man schnell im Bereich der RhieS (Rhetorik im engeren Sinne). Eine Metapher ist noch ein eindeutiges sprachliches Mittel – ein Gegensatz ist schon Rhetorik: Wir kämpfen für euch – die da kämpfen nur für sich.“ Da ist sprachlich nichts Besonderes, erst die Kombination ist das Mittel. Verteilt sich der Gegensatz auf das Nebeneinander von zwei ganzen Absätzen, nennt niemand mehr das ein sprachliches Mittel – es ist ganz eindeutig eine Frage des Aufbaus der Rede, also Rhetorik.
    • Zur Analyse gehört aber auch immer schon die Rhetorik im weiteren Sinne, zum Beispiel Behauptungen mit passenden Beispielen, die sich durch den gesunden Menschenverstand leicht widerlegen lassen.
      Zum Beispiel: Wer arbeitet schon gerne am Wochenende? Das ist nun wirklich kein Grund, die Bereitschaft von medizinischem Personal oder auch von Feuerwehrleuten am Wochenende verschwinden zu lassen.
    • Man sieht hier, wie wichtig es ist, im Rahmen des Möglichen das, was da rausgehauen wird, kritisch zu prüfen. Denn – wie wir schon sagten: Menschen wollen nicht in erster Linie die Wahrheit, sie wollen als Sieger vom Platz.
  4. Am Ende die Gesamtstrategie und das Ergebnis herausarbeiten.
    Zum Beispiel: Die Vertreter des Vorschlags, kurz vor den Zeugniskonferenzen noch einen Wandertag einzuschieben, wollten anscheinend nur einen schulfreien Tag. Ob es dann mit Klassenarbeiten eng wird – oder Lehrkräfte vielleicht ihren fast freien Tag dringend für Korrekturen brauchen, war und ist ihnen egal. Dementsprechend haben sie ihr Statement aufgebaut: Nur Übertreibungen, Auslassungen und Appell an Gefühle und den Anstand der Lehrkraft.

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