Anders Tivag, „Gelernt ist gelernt“

Worum es hier geht:

Wir machen hier mal wieder weiter – mit einer Kurzgeschichte mitten aus dem Leben derer, die noch zur Schule gehen – und da manchmal auch ganz schön leiden müssen.

Uns hat die Geschichte vor allem gefallen, weil da jemand „mit seinen eigenen Waffen geschlagen“ wird – natürlich nur im übertragenen Sinne.

Aber schauen wir uns mal an, worum es geht.

Wir präsentieren die Geschichte, schon übersichtlich durchnummeriert – dann können wir dazu auch noch was sagen – denn normale  Zeilennummern gibt es auf Websites ja nicht.

Hier unsere kurzen Anmerkungen aus dem Kurzgeschichten-Finder zum Thema „Familie“
https://textaussage.de/kurzgeschichten-finder-passende-kurzgeschichten-fuer-die-klasse-8

  • Fi1: Inhalt: Worum geht es?
    • Zusammenkommen zweier Menschen, die das beide eigentlich nicht wollen – aus unterschiedlichen Gründen
  • Fi2: Lernertrag: Was kann man mit Hilfe der Geschichte lernen?
    • Beispiel für fortlaufende Inhaltserläuterung entsprechend den Erzählschritten
    • Erzähltechnik – Wechsel der Perspektiven
  • Fi3: Kreativität: Was kann man mit der Geschichte anfangen?
    • Diskussion der Möglichkeiten der Berufswahl – wieviele Spielräume gibt es, wenn man seinen Lebensunterhalt verdienen muss.
    • Wie kann man man möglichst gut mit einer unbefriedigenden beruflichen Situation umgehen?
    • Das kann man auf die Schule übertragen. Wie kann man selbst dafür sorgen, dass der Schulalltag auch oder mehr Elemente enthält, die Freude machen?

Anders Tivag

Gelernt ist gelernt

  1. Als Herr Bergmen zu Beginn der Deutschstunde die korrigierten Klausuren auf das Pult legte, sank seine Stimmung auf den Nullpunkt.
  2. Dabei hatte der Tag gut angefangen.
  3. Anna aus dem Nachbarkurs war endlich bereit gewesen, mit ihm abends am Wochenende was zu unternehmen.
  4. Er hatte sich aber auch wirklich Mühe gegeben – immer wieder neue Vorschläge – immer wieder etwas zwischen Kann nicht und Zögern.
  5. Und jetzt hatte er den neuen Film – es blieb die Frage, wo man ihn sehen würde. Mal abwarten.
  6. Er schrak aus seinen schönen Gedanken auf, als der Lehrer sich von seinem Hintermann abwandte und ihm seine Klausur in die Hand drückte und ihn fragte:
  7. Sag mal Nils, was ist eigentlich mit dir los. Du warst hier mal einsame Spitze und jetzt hast sogar das: Keine Ahnung, kein Verständnis – das ist kaum noch mangelhaft. Lass uns mal nach der Stunde drüber reden.
  8. Nils dachte nur. Da gibt es nichts zu reden – vor allem nichts, was dich was angeht. Er stand einfach auf, legte sich demonstrativ die Hand auf dem Bauch, versuchte den elenden Gesichtsausdruck, den er drauf hatte, in Richtung „Bin krank“ zu entwickeln und sagte beim Rausgehen nur zu seinem Freund Ben: „Bring mir nachher meine Sachen in die Mensa mit.
  9. Dann war er weg und versuchte, sich auf dem Schulhof Luft zu verschaffen.
  10. Erst dann dachte er, was ihm jetzt wohl zu Hause bevorstand.
  11. Sein Vater, selbst Deutschlehrer, war absolut begeistert von ihm. „Mensch Nils, du hast es echt drauf. Klare Analyse und dann auch noch kreative Fähigkeiten. Das hat man selten.
  12. Jetzt wollte er ihn sogar an einen kleinen Literatur-Verlag vermitteln. Der konnte die Gedichte und Kurzgeschichten rausbringen, die Nils im Laufe der Zeit in die Schublade gelegt hatte, genauer gesagt: natürlich in einen Ordner seines PCs – schön in der Reihenfolge des Entstehens.
  13. Zwei Tage später sollte das Gespräch im Verlagshaus stattfinden
  14. Glücklicherweise war sein Vater beim Mittagessen noch nicht zu Hause. Er hatte irgendso eine Fortbildung in der Nachbarstadt.
  15. Beim Abendessen war es dann aber so weit.
  16. Nils beschloss, die Flucht nach vorne anzutreten:
  17. Papa, lass uns den Termin bei dem Verlag verschieben.
  18. Ich muss erst mal die Fünf verkraften, die ich heute bei der Deutschklausur zurückbekommen habe.
  19. Dem Vater fiel regelrecht die Gabel aus der Hand.
  20. Bitte? Was höre ich da? Eine Fünf in Deutsch? In dem Fach, in die du eindeutig am besten sein kannst.
  21. Das ist wirklich das Schlimmste, was ich als Vater bisher erleben musste.
  22. So ein Abgrund an Faulheit, das hätte ich mir nicht vorstellen können.
  23. Nils reichte es – bitter fiel ihm ein – analytische Fähigkeiten, ja, die hatte er. Er konnte zuhören und auch noch drüber nachdenken.
  24. Dann die kreative Idee:
  25. Danke Papa – du hast Recht – ich bin eigentlich in Deutsch ziemlich gut.
  26. Und deshalb sage ich dir aus dem Stand:
  27. In deinem Statement war eine verstärkende Wiederholung mit eingebauten rhetorischen Fragen, eine Übertreibung und ein nicht ganz so originelles, sprachliches Bild.
  28. Du siehst, ich weiß, was wichtig ist. Und darum gehe ich jetzt erst mal raus.
  29. Mit einem lauten Knall flog die Tür ins Schloss.

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