Barthold Heinrich Brockes, „Kirschblüte bei der Nacht” (Mat9442)

Brockes, „Kirschblüte …“ – Natur in göttlichem Rahmen

  • Das Gedicht “Kirschblüte bei der Nacht” von Barthold Heinrich Brockes beschreibt eine poetische Betrachtung der Natur, insbesondere eines blühenden Kirschbaums bei Nacht.
  • Es ist ein typisches Werk der Aufklärung, in dem das Staunen über die Natur mit dem Gedanken an eine Schöpfung verbunden wird.

Gefunden haben wir das Gedicht hier:
https://www.gedichte7.de/kirschbluete-bei-der-nacht.html

 Barthold Heinrich Brockes

Kirschblüte bei der Nacht

  1. Ich sahe mit betrachtendem Gemüte
    u   B u    B    u  B      u   B       u  B   u
    fünfhebiger Jambus
    bitte selbst weiter durchprüfen.
  2. jüngst einen Kirschbaum, welcher blühte,
  3. In kühler Nacht beim Mondenschein;
  4. Ich glaubt′ , es könne nichts von größerer Weiße sein.
  5. Es schien, ob wär ein Schnee gefallen.
  6. Ein jeder, auch der kleinste Ast
  7. Trug gleichsam eine rechte Last
  8. Von zierlich-weißen runden Ballen.
  9. Es ist kein Schwan so weiß, da nämlich jedes Blatt,
  10. Indem daselbst des Mondes sanftes Licht
  11. Selbst durch die zarten Blätter bricht,
  12. Sogar den Schatten weiß und sonder Schwärze hat.
  13. Unmöglich, dacht ich, kann auf Erden
  14. Was Weißers ausgefunden werden.
  • Das Gedicht beginnt mit der detaillierten Beschreibung eines Kirschbaums, der in der Nacht blüht.
  • Die weißen Blüten im Mondschein werden mit Schnee, Schwänen und glänzendem Licht verglichen.
  • Die Beschreibung betont die Reinheit und Schönheit der Natur, die durch den Kontrast von Licht und Schatten intensiviert wird.
  1. Indem ich nun bald hin, bald her
  2. Im Schatten dieses Baumes gehe,
  3. Sah ich von ungefähr
  4. Durch alle Blumen in die Höhe
  5. Und ward noch einen weißern Schein,
  6. Der tausendmal so weiß, der tausendmal so klar,
  7. Fast halb darob erstaunt, gewahr.
    • Während der lyrische Sprecher im Schatten des Baumes wandelt,
    • richtet er seinen Blick von der Natur in die Höhe,
    • wo er ein stärkeres, weißeres Licht entdeckt – das Licht eines Sterns.
    • Dieses übertrifft die irdische Schönheit der Blüten und führt zu einem Moment des Staunens.
  8. Der Blüte Schnee schien schwarz zu sein
  9. Bei diesem weißen Glanz. Es fiel mir ins Gesicht
  10. Von einem hellen Stern ein weißes Licht,
  11. Das mir recht in die Seele strahlte.
  12. Wie sehr ich mich an Gott im Irdischen ergötze,
  13. Dacht ich, hat Er dennoch weit größre Schätze.
  14. Die größte Schönheit dieser Erden
  15. Kann mit der himmlischen doch nicht verglichen werden.
    • Der Vergleich zwischen der Schönheit der Natur und der göttlichen Herrlichkeit schließt das Gedicht.
    • Der Stern symbolisiert das Himmlische und Göttliche, das jede irdische Schönheit übertrifft.
    • Der Sprecher erkennt, dass die größten Schätze und Schönheiten bei Gott liegen.

Was die Epochenzugehörigkeit angeht:
so zeigt das Gedicht mehrere Merkmale, die es als Werk der Aufklärung kennzeichnen:

  1. Das ist zum einen die Verbindung von Naturbeobachtung und Rationalität:
    Die detaillierte Beschreibung der Kirschblüte und die Reflexion über Licht und Schatten spiegeln das aufklärerische Interesse an der Natur und ihrer systematischen Erfassung wider.
    Es zeigen sich poetische Bilder, die aber stets präzise und anschaulich bleiben.
  2. Zum anderen gibt es eine Verbindung von Sinneseindruck und Vernunft:
    Die Sinneserfahrungen (Sehen des Baumes, des Mondlichts, des Sterns) werden rational reflektiert.
    Die Natur dient als Mittel, um höhere Einsichten über die göttliche Ordnung und die Grenzen irdischer Schönheit zu gewinnen.
  3. Am wichtigsten ist aber der Zusammenhang von Gottesverehrung und Naturbetrachtung:
    Die Aufklärung betonte die rationale Annäherung an Gott und die Natur als Ausdruck seiner Schöpfung.
    In diesem Gedicht führt die Schönheit der Natur zur Erkenntnis göttlicher Überlegenheit, ohne mystische oder übernatürliche Elemente einzusetzen.

Insgesamt ist das Gedicht „Kirschblüte bei der Nacht“ ein typisches Beispiel für die Verbindung von Naturlyrik und philosophischer Reflexion in der Aufklärung.

Es zeigt die Schönheit der Natur und nutzt sie, um auf die Grenzen des Irdischen und die Größe des Göttlichen hinzuweisen.

Damit verkörpert es die zentralen Ideen der Epoche: die Harmonie zwischen Sinneseindruck, Vernunft und Glauben.

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